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Überblick zum Brexit: Großbritannien entscheidet sich für EU-Austritt

Veröffentlicht: 24. Juni 2016 06:39 Uhr
Großbritannien sorgte am Freitag mit seiner Zustimmung zum Brexit für viel Aufsehen in ganz Europa. Zahlreiche Politiker redeten von tiefer Trauer. Der EU-Austritt führte zum Rücktritt des britischen Premiers David Cameron. Wir geben euch einen Überblick über die Ereignisse rund um das Votum.
SALZBURG24 (Florian Gann)

In einem historischen Referendum haben die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt: Nach offiziellen Angaben votierten 51,9 Prozent für den Brexit. Insgesamt hätten sich 17,4 Millionen Menschen für den Brexit ausgesprochen, teilten die britischen Behörden Freitag früh nach Auszählung sämtlicher 382 Wahlbezirke mit. Die Trennung der zweitgrößten europäischen Wirtschaft von der EU dürfte weltweit an den Börsen drastische Kursverluste auslösen. Das britische Pfund stürzte auf ein 30-Jahres Tief ab.

Cameron tritt zurück

Der britische Premierminister David Cameron hat am Freitag Queen Elizabeth II. im Buckingham-Palast über den Ausgang des Brexit-Referendums und über seinen bevorstehenden Rücktritt informiert. Es ist üblich, dass der Premierminister das Staatsoberhaupt über wesentliche Vorgänge in der Regierung informiert. David Cameron ist bereits der 13. Premierminister ihres Landes, den die 90 Jahre alte Königin kommen und gehen sieht.

Brexit: Farage distanziert sich von zentralem Versprechen

Der britische Rechtspopulist Nigel Farage hat sich kurz nach dem EU-Referendum von einem zentralen Versprechen der Brexit-Kampagne distanziert. In der ITV-Sendung "Good Morning Britain" sagte der Politiker der UK Independence Party, er könne nicht garantieren, dass wie von den Brexit-Befürwortern angekündigt 350 Millionen Pfund pro Woche statt an die EU nun an das Gesundheitssystem NHS gingen. "Das war einer der Fehler, den die 'Leave'-Kampagne gemacht hat", sagte der EU-Parlamentarier am Freitag. Er selbst habe damit nicht geworben. "Sie müssen verstehen, dass ich von der Kampagne ausgeschlossen wurde und ich, wie immer, mein eigenes Ding gemacht habe." Farage ist seit Jahren einer der prominentesten Befürworter eines britischen EU-Austritts.

Juncker: Abstimmung nicht Anfang vom Ende der EU

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ sich mit seiner Reaktion bis kurz nach Mittag Zeit. Er betonte auf Nachfrage, dass die Abstimmung nicht der Anfang vom Ende der EU sei. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor vor Hysterie gewarnt und die Situation als dramatisch, aber nicht ernst heruntergespielt. Es gelte nun, die restlichen 27 EU-Staaten geeint zu halten. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich "sehr traurig". Nun sei "Stabilität in turbulenten Zeiten, die auf uns zukommen", notwendig. Es gelte, über eine Verbesserung der EU zu diskutieren und vor allem die Eurozonen-Staaten zu schützen. Für Dienstag kommender Woche setzte Schulz unmittelbar vor Beginn des ab Nachmittag tagenden EU-Gipfels eine Sondersitzung des Europaparlaments zu den Brexit-Folgen an. Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Mark Rutte hat Forderungen aus dem rechtspopulistischen Lager in den Niederlanden nach einem EU-Austrittsreferendum auch in seinem Land zurückgewiesen. Das Brexit-Votum in Großbritannien bezeichnete er als "enttäuschend", zugleich aber auch als "Stimulus für EU-Reformen".

Die Briten sorgten am Freitag in ganz Europa für Aufsehen. Salzburg24
Die Briten sorgten am Freitag in ganz Europa für Aufsehen.

EU-Recht für Großbritannien bis Austritt

Die vier Präsidenten betonten in dem gemeinsamen Schreiben, dass die ursprünglich mit Großbritannien im Fall eines Verbleibs in der EU ausgehandelten vier Punkte u.a. zu Migration und Sozialbereich nun natürlich nicht mehr gelten würden. Gleichzeitig gelte für London weiterhin das EU-Recht, "bis Großbritannien nicht länger EU-Mitglied ist". Mehrere EU-Spitzenpolitiker sprachen von einem tiefschwarzen Tag, während die harten Gegner im Europaparlament jubelten und von einem Unabhängigkeitstag für Großbritannien sprachen. Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, verlangte eine "schnelle und freundliche Scheidung" von den Briten, um negative Auswirkungen auf Finanzmärkte und Arbeitsplätze zu verhindern. Wie bereits in den Jahren zuvor wurde von praktisch allen EU-Vertretern die Notwendigkeit von Reformen und einer Erneuerung der Europäischen Union unterstrichen, ohne aber konkret zu werden. Auch Selbstkritik am Vorgehen der EU gegenüber Großbritannien war kaum zu hören. Mehrmals war lediglich davon die Rede, Schadensbegrenzung zu betreiben. Polens Europa-Staatssekretär Konrad Szymanski wollte eine Art einvernehmliche Scheidung (smooth scenario for separation) mit London haben. Ohne Reformen würde die EU riskieren, in fünf oder sechs Jahren ein bis zwei weitere Länder zu verlieren. Ob das auf Polen zutreffen, wies Szymanski entschieden zurück. "Wir haben keinen Grund, die EU zu verlassen, wir wollen vielmehr die EU retten. Polen wird Teil der Lösung sein, nicht des Problems".

Merkel befürchtet weitreichende Folgen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sieht mit der Entscheidung weitreichende Folgen für den Staatenbund. "Es gibt nichts drumherum zu reden: Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa, er ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess", sagte Merkel am Freitag im Kanzleramt in Berlin. Sie habe die Entscheidung der Mehrheit der Briten mit Bedauern zur Kenntnis genommen, so Merkel. Allerdings dürften nun keine voreiligen Beschlüsse getroffen werden, die Europa weiter spalten würden. Es gehe vielmehr darum, "mit Ruhe und Besonnenheit zu analysieren". Wichtig sei, dass die EU-27 dann gemeinsame Beschlüsse treffe und die Bürger konkret spürten, wie die EU ihr Leben verbessert.

(APA)

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(Quelle: salzburg24)

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