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Wichtiger Zeuge im Hypo-U-Ausschuss durfte nicht sprechen

Grünen-Politiker Kogler einigermaßen verärgert
Veröffentlicht: 09. September 2015 17:27 Uhr
"Es ist verwunderlich, dass der Wille zur Aufklärung so gering ist. Die Wahrheit ist dem Steuerzahler zumutbar." Diese Kritik an seiner Nicht-Entbindung durch die staatliche Hypo-"Bad-Bank" Heta hat der frühere Hypo-Chef-Forensiker Christian Böhler am Mittwoch im Rahmen des Hypo-Untersuchungsausschusses geäußert. Scharfe Kritik an der Nicht-Entbindung kam von den Grünen, Neos und auch von der FPÖ.

"Perfide" nannte Neos-U-Ausschuss-Mann Rainer Hable neuerlich das Vorgehen der Heta, Böhler zuerst anzuzeigen und diesen dann mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht von der Verschwiegenheit zu entbinden. Böhler hatte Mails mit Hypo-relevantem Inhalt in seiner Funktion als Forensiker an eine private Mail-Adresse weitergeleitet und ist inzwischen für die Neos als Berater und in der Steiermark auch als stellvertretender Landessprecher tätig. Böhler sagte, der Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft, der wie berichtet im Justizministerium liegt, sehe die Einstellung des Verfahrens vor.

Grünen-Vertreter Werner Kogler sagte zur Nicht-Entbindung seitens der Hypo-Abbaugesellschaft, es handle sich dabei um "eine fortgesetzte inferiore Begründung der Heta". Auch sprach Kogler von einem "Gipfel der Impertinenz, dass die Heta mit Medien, nicht aber mit dem Parlament redet", da die Heta der APA auf Anfrage eine Begründung zur Nicht-Entbindung zukommen hatte lassen.

Neos und Grüne waren sich einig, dass das Heta-Vorgehen "ein Nachspiel" haben müsse, wollten - dazu ist aber zumindest die FPÖ als mitstimmende Fraktion nötig - wenn möglich den aktuellen Heta-Vorstand vor den Untersuchungsausschuss laden. Sie wollten das Vorgehen der Heta jedenfalls nicht akzeptieren.

Böhler sagte vor Journalisten in einer kurzen nicht-medienöffentlichen Phase des U-Ausschusses, dass "es sinnvoll wäre, wenn man Leute, die zur Aufklärung beitragen können, entbindet. Ich wäre dafür, selbstverständlich". Vor den Abgeordneten sagte er: "Für mich als Ermittler ist es unbegreiflich, dass das größte Systemversagen mit dem größten Schaden für die österreichische Gesellschaft so lange versteckt und vertuscht worden ist."

Böhler hätte Wissen zu praktisch allen kritischen Hypo-Projekten, bei denen Geld in den Sand gesetzt wurde, konnte dazu aber wegen der Nicht-Entbindung nichts sagen, wie aus dem Fortgang der Befragung hervorging.

Da der Ex-Ermittler nicht entbunden war, gab es oftmals Antworten, die so aussahen, wie jene zur Frage, warum er gekündigt wurde, wem er womöglich zu "unbequem" geworden sei, wie Böhler gegenüber Medien einmal angedeutet hatte: "Gute Frage - Sie müssen verstehen, auch wenn ich keine Namen nenne, bin ich der Gefahr ausgesetzt, geklagt zu werden. Manche Personen fühlen sich - warum auch immer - angesprochen. Es gibt zwei wesentliche Zeitpunkte im Leben eines Ermittlers: Entweder man weiß zu viel, oder man weiß zu wenig. Mehr kann ich dazu im Detail nicht sagen."

Auch wenn Böhler alles, was er sagte, also allgemein hielt, einige Ausführungen ließen doch sehr tief blicken. So sagte Böhler, dass es "Involvierte im System Hypo am Balkan, wo die Bank über Jahre wuchs, gab, die halt nicht irgendwelche waren, sondern mächtige Leute mit Einfluss in allen Bereichen. Mit dem System Hypo haben sie sich etwas geschaffen. Wenn jetzt Aufklärer aus Österreich kommen und kritische Fragen stellen, macht das rasch die Runde. In Montenegro, Belgrad oder Zagreb gibt es gut funktionierende Systeme, da kommt man noch nicht mal in der Bank an und die wissen schon, dass man da ist. Da wird einem indirekt schon vermittelt, es wäre besser, man beschränkt seinen Reisebereich auf Österreich - und nach Kroatien kommt man maximal wegen kulinarischer Herausforderung", so Böhler. Die Frage der Grünen, ob er auch aus der Bank heraus "gewarnt" worden sei, beantwortete er nach längerem Überlegen mit "Ja".

Kolportierte Geschäfte zwischen der Hypo Alpe Adria bzw. dem früheren Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und dem Gaddafi- bzw. Hussein-Clan haben laut dem Ex-Hypo-Chef-Forensiker "nicht eindeutig" nachgewiesen werden können - ausschließen wollte Böhler solche aber nicht.

"Ich habe mir letzte Mails vom Blackberry weitergeleitet, um in etwaigen arbeitsrechtlichen Verfahren etwas in der Hand zu haben", sagte Böhler auf eine Frage zu jenen Hypo-relevanten Mails, die er sich selbst auf einen privaten Account weitergeleitet hatte - und wegen denen er von der Heta angezeigt wurde. Worum es in den Mails konkret ging? "Versetzen Sie sich in meine Lage", bat Böhler. "Wenn man diese Glocke der Verschwiegenheit umgehängt bekommt, dann ist man als einzelner Staatsbürger dem mächtigen System ausgeliefert."

"Keine meiner Antworten sind vorbereitet", sagte Böhler auf ÖVP-Nachfragen mit Erinnerung an die Wahrheitspflicht zu seiner Beratertätigkeit für die Neos im U-Ausschuss. Auf die Frage, ob er, Böhler, Unterlagen an die Neos weitergab, entschlug er sich der Aussage. Schließlich wollte sich auch die ÖVP für eine Entbindung Böhlers einsetzen.

Das frühere Hypo-Vorstandsmitglied, Josef Kircher, hat in seiner Erstbefragung durch Verfahrensrichter Walter Pilgermair im Untersuchungsausschuss vorerst wenig Erinnerungen gezeigt. Zum Themenkomplex Hypo-Consultants machte Kircher vom Entschlagungsrecht Gebrauch, da er als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren zum Consultants-Verkaufspreis geführt werde.

Auch von den Swap-Verlusten aus 2004 habe er "erst kurz vor der Öffentlichkeit" 2006 erfahren. Für den Posten als Leasingvorstand - Kircher war schon ab 1996 bis 2001 Geschäftsführer der Hypo-Leasinggesellschaft gewesen - habe er sich überhaupt erst beworben, nachdem ihm das vom Konzernvorstand bzw. -aufsichtsrat nahegelegt worden sei. "Offenbar wollte man die Stelle intern nachbesetzen", sagte Kircher, der von 2004 bis 2006 Vorstand bei der Hypo Leasing Holding war. Von 2005 bis 2008 war er auch Vorstand bei der Hypo International selbst. Neben dem Leasing verantwortete Kircher hier im Vorstand Marktfolge- bzw. Risikoagenden, wie er ausführte. Die Risikoagenden gab er im Oktober 2007 ab, um den Marktbereich zu übernehmen.

Mit den Eigentümern habe er praktisch nur in Aufsichtsratssitzungen bzw. Hauptversammlungen zu tun gehabt, machte Kircher seine Rolle eher klein. Verschiedene Regulative seien in Absprache mit den Wirtschaftsprüfern und auch Notenbankprüfern, "die zu meiner Zeit fast ständig im Haus waren", immer vorgenommen worden. Aber auch hier sei er nur Ansprechpartner "für gewisse Kreditengagements und Beteiligungen" gewesen. Beim Einstieg sei man natürlich interessiert daran gewesen "von der großen BayernLB Risikotools Schritt für Schritt zu übernehmen", meinte Kircher. Auch die ersten Fragen von Parlamentariern brachten wenig Erhellendes.

Kircher ist im U-Ausschuss auch mit von ihm selbst angefertigten "Confidential Notices" zu Problemfällen konfrontiert worden. An die Existenz einer "Confidential Notice" zu den Swapverlusten in dreistelliger Millionenhöhe konnte sich Kircher allerdings nicht erinnern. Laut dieser Unterlage - ein Gedächtnisprotokoll von Kircher - hat er nämlich schon im Oktober 2005 von den Swapverlusten erfahren. Zuvor hatte Kircher im Hypo-U-Ausschuss am Mittwoch gesagt, er habe erst "kurz vor der Öffentlichkeit" im März 2006 von den Swapverlusten erfahren. Dabei blieb er auch nach Vorlage der entsprechenden Unterlage - an die er sich nicht mehr erinnern konnte.

SPÖ-Vertreter Kai Jan Krainer schoss sich auf die Unterlagen ein, die NEOS und Grüne auch thematisiert hatten. Er sagte, sechs solcher "Spezialnotizen" habe Kircher insgesamt angefertigt, Kircher kenne aber nur mehr drei - "von ganz wichtigen Sachen", kritisierte Krainer. Die 297 Mio. Euro Swapverluste seien schließlich nichts Alltägliches. "Nein", wiederholte Kircher, er könne sich an die Unterlage zu den Swapverlusten nicht mehr erinnern: "Ich weiß es nicht." Laut der "Confidential Notice" war geplant, den Verlust innerhalb von sieben Jahren abzuschreiben. Aus seiner Sicht ist der Verlust "nicht existenzgefährdend" gewesen, sagte Kircher heute.

Bei der weiteren "Confidential Notice" zur Hilltop-Causa, die die Grünen und die NEOS vorlegten und die von Kircher stammt, wie er bestätigte, entschlug sich Kircher aufgrund eines Ermittlungsverfahrens.

Im Falle des "Ziegenackers" Hilltop schrieb Kircher am 2. April 2007 mit dem Betreff "Abschlagszahlungen Usce Tower" über ein Gespräch mit dem damaligen Ex-Aufsichtsratschef Wolfgang Kulterer und dessen damaligen Stellvertreter, Grawe-Chef Otmar Ederer, über "steuerneutrale Gelder" im Sinne der Umwidmung von Flächen über die Hypo-Liechtenstein-Gesellschaft Hilltop: "Ich kann dazu nichts sagen, weil die steuerneutrale Zahlung Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens ist", so der frühere Hypo-Vorstand. "Ich bestätige die Richtigkeit des Inhalts dieser Confidential Notice." Die 100.000 Euro, über deren Benötigung Ederer als "steuerneutrale Gelder" laut der "Confidential Notice" gesprochen hat, wollte Kircher nicht weiter kommentieren. Die Summe hänge mit "der Monarola" - wie Hilltop eine Hypo-Gesellschaft in Liechtenstein - zusammen; und in der Causa gebe es bereits eine Anklage.

(Quelle: salzburg24)

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