Bier-Mythen aufgeklärt

Wie zeitgemäß ist eigentlich das Reinheitsgebot?

Veröffentlicht: 22. April 2022 14:16 Uhr
Am 506. Geburtstag des berühmten Deutschen Reinheitsgebotes stellen wir uns die Frage, wie zeitgemäß dieses Lebensmittelgesetz heute noch ist und warum österreichische Brauer sich daran nicht halten müssen. SALZBURG24 klärt Bier-Mythen auf. Zum Wohl!
Oliver Klamminger

Das viel zitierte Deutsche Reinheitsgebot feiert morgen, am 23. April, seinen 506. Geburtstag. Erlassen wurde es vom bayerischen Herzog Willhelm IV im Jahr 1516. Die Verordnung, die größtenteils den Bierpreis regeln sollte, besagte einst, dass „zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden soll“. Soweit so gut. Doch warum wurde es damals erlassen und wie zeitgemäß ist eines der ältesten Lebensmittelgesetze der Welt heute noch?

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1516 – Das Reinheitsgebot wird erlassen

Ab dem Jahr 1516 sollte in Bayern zum Bierbrauen also nur noch Wasser, Hopfen und Gerste verwendet werden. Von vermälzter Gerste, also Malz, war damals noch keine Rede. Auch die für die Vergärung notwendige Hefe war damals noch kein Thema. Aber warum eigentlich? Bis dahin wurden verschiedene Getreidesorten verwendet – was eben verfügbar war und geschmeckt hat. Ebenso verhielt es sich mit dem Hopfen als Würzmittel. Üblich war stattdessen sogenanntes „Grut“, das sind Gewürzmischungen, um den damals üblichen säuerlichen Biergeschmack erträglich und genießbar zu machen. Diese Mischungen variierten stark, enthielten oft auch giftige bzw. halluzinogene Kräuter und Pflanzen. Da dadurch tatsächlich Menschen ums Leben kamen, wurde der Hopfen als einziges Würzmittel vorgeschrieben. Die mehrjährige Hanfpflanze bringt Aroma und Bittere ins Bier und wirkt zusätzlich antiseptisch, macht es dadurch länger haltbar.

Weizen fürs Brot, Gerste fürs Bier

Aufgrund der damaligen Weizenknappheit ergab es durchaus Sinn, das rare Getreide für die Brotherstellung zu verwenden. Fürs Bierbrauen sollte nur noch Gerste verwendet werden. Da sich Weizenbier damals aber besonders an den Höfen der Adeligen großer Beliebtheit erfreute, wurden weiter sogenannte „weiße Brauhäuser“ betrieben. Das bekannteste „weiße Brauhaus“ kennt man heute unter dem Namen „Hofbräuhaus“ in München. Das Braurecht erhielt allerdings erst nur das Adelsgeschlecht der Degenberger, später Wittelsbacher. Beide machten damit gutes Geld und sanierten damit zum Teil die bayerische Staatskasse. Außerdem finanzierten die Weißbier-Einnahmen auch den 30-Jährigen Krieg.

 

Heute darf wieder von allen Brauereien in Bayern Weizenbier gebraut werden, solange es obergärig ist und mindestens 50 Prozent des Getreideanteils Weizen enthält.

Viel Ruhm für deutsches Bier

Ähnliche Gebote und Erlasse gab es damals übrigens nicht nur in Bayern, sondern in mehreren europäischen Gebieten. Der Hintergrund war meist ähnlich. Diese Qualitätssicherung bescherte dem deutschen Bier nebenbei große Anerkennung und Ruhm weit über die Grenzen hinweg. Die Nachfrage und dadurch die Exportzahlen stiegen gewaltig an.

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Am 23. April wird der Tag des Deutschen Bieres gefeiert.

Hefe, Malz und noch mehr

Im Laufe der Zeit wurde diese Verordnung immer wieder verändert bzw. änderte sich die Begrifflichkeit. Gerne wird es auch als „Deutsches Lebensmittelgesetz“ bezeichnet. Mit der damaligen Verlautbarung hat es heute jedenfalls kaum mehr etwas zu tun. Immerhin verwenden mittlerweile alle bayerischen Brauereien natürlich Gerstenmalz und keine unvermälzte Gerste (Rohfrucht) mehr. Zudem ist seit dem späten 19. Jahrhundert die Wirkungsweise der Hefe bekannt. Und es dürfen bei unseren Nachbarn noch mehr Zutaten ins Bier, als eigentlich bekannt ist und angegeben wird. Erlaubte Zusätze innerhalb der Gütevorschriften für Bier sind zum Beispiel Zuckercouleur, Kieselgelpräparate oder Adipinsäure.

Mittlerweile halten sich allerdings mit Bayern und Baden-Württemberg nur noch zwei deutsche Bundesländer an diese Weisung. In den übrigen Ländern können Brauer Anträge stellen, wenn sie etwa mit traditionellen Zutaten wie Honig, Kräuter oder Milchzucker brauen wollen. Diese werden meist auch genehmigt.

 

„Rein“ trügt Schein

Das „reine“ im Reinheitsgebot trügt somit den Schein. Denn es sagt nichts darüber aus, ob Bier „sauber“ ist. Denn die wenigsten Biertrinker würden ihr Bier als rein bezeichnen, wenn sie wüssten, dass es mit kleinen Plastikteilchen, sogenanntem PVPP, gefiltert und geklärt wird. Dieser Stoff wird allerdings sehr häufig von großen Brauereien eingesetzt.

Daher bringt das Wort „rein“ wohl auch die größte Diskrepanz in die Diskussion. Denn es suggeriert, dass alle Biere, nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden, unrein seien. Und das ist sicherlich nicht der Fall. Viele deutsche Brauer sprechen sich daher auch für ein „Natürlichkeitsgebot“ aus.

 

Wie wir in Österreich brauen

Über diese Diskussion sind wir in Österreich längst erhaben. Bei uns halten sich die Brauer an den „Codex Alimentarius Austriacus“, also die Lebensmittelverordnung. Und die ist zum Teil zwar deutlich strenger als ihr bayerisches Ebenbild, erlaubt aber sinnvolle Beigaben. Der Zusatz „B13“ regelt, dass in Österreich „natürliche Zutaten“ verwendet werden dürfen. Das wären etwa Honig, Gewürze oder Früchte, die Produkte fallen in die Kategorie „Kreativbier“. Darin geregelt sind auch alternative Getreidearten und internationale Bierstile mit besonderen Herstellungsarten wie Holzfassreifung oder Spontangärung. Österreich verbietet jedoch jegliche chemische Konservierungsmittel im Bier und lässt keine künstlichen Zusätze zur Geschmacksverbesserung zu.

Man könnte sagen, dass Österreichs Brauer mit der Zeit gehen, was man vom bayerischen Reinheitsgebot wohl nicht behaupten kann.

(Quelle: salzburg24)

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