Den höchsten Anteil an solchen "studieninaktiven" (0 ECTS-Punkte) bzw. "prüfungsinaktiven" (weniger als 16 ECTS) Studienanfängern hat die Wirtschaftsuniversität mit 53 Prozent, gefolgt von Uni Wien (50 Prozent) und Uni Salzburg (40 Prozent). Die geringsten verzeichnen Kunst- und Medizin-Unis, also jene Hochschulen mit Aufnahmsprüfungen. ECTS-Punkte sind eine Maßeinheit für Studienleistungen - Studienpläne sind so konzipiert, dass mit 30 ECTS pro Semester das jeweilige Studium in Mindestzeit absolviert werden kann. Unter den "frühen Abgängern" - das sind jene Studienanfänger, die die Unis in den ersten beiden Semestern wieder verlassen, sind sogar 80 Prozent studien- oder prüfungsinaktiv.
Weiteres Ergebnis der Studie: "Das Phänomen 'Dropout' wird in Österreich gemeinhin quantitativ überschätzt". Grund ist die vielfach problematische Definition des Begriffs "Dropout". In internationalen Vergleichen wird für Österreich immer wieder eine hohe Dropout-Quote ausgewiesen. Diese ergibt sich allerdings de facto stets aus der umgekehrten Abschluss- oder Erfolgsquote. "Daraus wird geschlossen (oder 'berechnet'), dass alle, die nicht in der Abschlussquote enthalten sind, eben Dropouts seien", heißt es in der IHS-Studie. Dem sei aber gerade in Österreich nicht so.
Insgesamt seien im Schnitt der im Untersuchungszeitraum betrachteten sechs Semester 38 Prozent aller Abgänge von Unis eigentlich nicht als Dropouts zu werten. Darin verstecken sich jene Studenten, die lediglich die Universität wechseln (und damit an der Abgangsunis als Dropout zählen) oder nach mindestens einem Semester Studienunterbrechung wieder an die ehemalige Uni zurückkehren sowie Akademiker, die ein anderes gleich- oder niederwertigeres Studium abbrechen. Eine weitere Verzerrung der Daten bringen die in Österreich häufigen Mehrfachinskriptionen: Wer in vier Studien inskribiert ist und eines davon abschließt, wird zwar in der Studierendenstatistik als Absolvent geführt, in der Studienstatistik dagegen wären ein Abschluss und drei Dropouts vermerkt.
Dazu kämen noch bis zu sieben Prozent "Abbrecher", die aber nur an eine Fachhochschule (FH) oder Pädagogische Hochschule (PH) wechseln und rund 14 Prozent von Dropouts, deren Status "unbekannt" ist. Das seien überwiegend internationale Studenten, die etwa nach einem Auslandssemester wieder ins Ausland verzogen sind.
Generell gilt: Das Alter von 25 Jahren ist eine Art "Wendemarke im Abbruchsverhalten": Wer vor dem 25. Lebensjahr die Uni verlässt (ca. 60 Prozent aller Abgänge), nimmt zu einem überwiegenden Teil ein anderes Studium oder eine andere Ausbildung auf. Ältere treten eher in eine Erwerbstätigkeit über, auch Arbeitslosigkeit und Kinderbetreuung sind bei ihnen häufiger.
Weiteres Resultat: Die Arbeitsmarktintegration von Dropouts ist recht hoch. Mittelfristig (dreieinhalb Jahre nach Abgang) sind rund 75 Prozent von ihnen angestellt, als Beamte oder selbstständig beschäftigt. Ähnlich wie bei Absolventen ist dabei das davor studierte Fach entscheidend: Dropouts der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Technik finden leichter einen Job als Abbrecher anderer Fächer.
Die von der Universitätenkonferenz (uniko) beauftragte Studie beinhaltet nach Ansicht des Rektors der WU, Christoph Badelt, "hochschulpolitische Sprengkraft". Man müsse sich etwa fragen, inwieweit das "extrem liberale Studienrecht" gerechtfertigt sei, so Badelt am Donnerstag. Die Studie habe "vehemente politische Implikationen", so Badelt. "Die Zahl der belegten Studien ist eine völlig irrelevante Zahl. Es sagt überhaupt nichts aus, wie viele Personen in Österreich inskribiert sind."
Eigentlich müsse jedes Mal im Parlament ein rotes Lamperl aufleuchten, wenn ein Politiker wieder postuliere, dass die Zahl der Studenten in Österreich nicht sinken dürfe, so Badelt in Richtung SPÖ. "Es ist völlig irrelevant, wenn die Zahl der Studenten sinkt, wenn ein großer Teil davon gar nicht studienaktiv ist."
Die Latte von 16 ECTS-Punkten für den Status eines prüfungsaktiven Studenten sei ohnehin gering gelegt, so Badelt. Wer stolz auf 16 ECTS-Punkte pro Studienjahr verweise, müsse sich vor Augen halte, dass für die Absolvierung in Mindestzeit 60 Punkte erforderlich seien. "Rechnen Sie sich einmal aus, wie lange der dann für sein Studium braucht."
Gleichzeitig habe die Studie gezeigt, dass vor allem zwei Gruppen von Studenten vom Studienabbruch betroffen sind: Ganz junge Studienanfänger, die mehrere Studien gleichzeitig belegen und sich erst nach einer Phase der Orientierungslosigkeit für ein Studium entscheiden, und jene, die arbeiten müssen, um sich ihr Studium zu finanzieren.
Die Politik müsse sich daher einige Fragen stellen, meinte Badelt: "Ist das extrem liberale Studienrecht, wonach jeder unbegrenzt viele Studien unbegrenzt lange studieren kann, noch gerechtfertigt?" Für ihn sei die Antwort: "Ja, wenn es politisch gewünscht ist: Dann muss es aber auch irgendwie bezahlt werden." Vor allem dürfe die Politik dann aber den Hochschulen nicht Mittel anhand von Indikatoren wie prüfungsaktive Studenten oder Absolventen zuweisen.
Zweitens müsse das Problem der Studenten, die nur aus finanziellen Gründen berufstätig sind, etwa durch höhere Stipendien angegangen werden. Damit beseitige man einen der Hauptgründe für Dropouts, so Badelt. Und schließlich müsse die "hohe Orientierungslosigkeit am Anfang des Studiums" durch mehr Information in der Mittelschulzeit angegangen werden.
Badelt persönlich würde vor allem auf Zugangsregelungen setzen - das sei aber nicht Position der uniko. An jenen Unis, an denen der Zugang begrenzt sei, würden die Dropoutraten massiv sinken. Zugangsregeln würden vor allem ein "hohes Maß an Selbstselektion" darstellen, die Zahl der prüfungsaktiven Studenten hochschnellen. Er würde auch niemandem verbieten, mehrere Studien nebeneinander zu betreiben.
Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will zur Verringerung des Dropouts an den Universitäten die Studienwahl zielsicherer machen. Die Schnittstelle Schule-Hochschule müsse besser gestaltet werden - "also mit mehr Information vor dem Eintritt an die Hochschulen, damit von Anfang an studiert und nicht probiert wird", so Mitterlehner gegenüber der APA. Als Beispiel für erfolgreiche Maßnahmen nannte er das Projekt "Studienchecker", das gerade aktualisiert und weiterentwickelt wird. "Der Studienzugang soll breit, aber nicht beliebig sein", so Mitterlehner.
Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) und Grüne fordern unterdessen als Reaktion auf die Studienergebnisse eine "echte Orientierungsphase" am Studienbeginn gefordert, die den Studenten mehr Zeit für die Studienwahl lässt. "Es muss möglich sein, ein Studium auszuprobieren", plädiert Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer für eine auch von der ÖH propagierte offene Studieneingangsphase, in der man sich mehrere Studienrichtungen anschauen kann.
(Quelle: salzburg24)