Zunächst traten Exekutivbeamte aus Oberösterreich in den Zeugenstand, die in die Bundeshauptstadt beordert worden waren. Sie wurden am Stephansplatz eingesetzt und sollten dort eine Sperrkette bilden, um den Protestzug zum Stoppen zu bringen. Der Polizeikordon wurde allerdings durchbrochen, wie die Beamten schilderten. "Plötzlich wurden wir von allen Seiten umringt und von allen Seiten beworfen", schilderte ein 50-jähriger Oberst, der zwei Züge zu je 25 Mann befehligte, die zu einer sogenannten "Flankenbegleitung" abgestellt waren. Er habe daher den Rückzug zum Haas-Haus befohlen. Die Angreifer seien "großteils vermummt", ein Identifizierung daher "nicht möglich" gewesen. Er habe auch "primär auf die Mannschaft geachtet, dass ihr der geordnete Rückzug möglich ist", räumte der Oberst ein.
Die Frage von Richter Thomas Spreitzer, ob er einen "Werfer" erkannt habe, verneinte der Offizier dezidiert. Er selbst habe "drei, vier Gegenstände" abbekommen, die er "am Helm anklopfen gespürt" habe: "Was das war, kann ich nicht sagen. Neben mir ist ein Bengale gelandet. Pyrotechnik ist massiv eingesetzt worden."
Als Staatsanwalt Leopold Bien wissen wollte, weshalb die Polizei am Stephansplatz nicht nachdrücklicher gegen die gewalttätigen Demonstranten eingeschritten sei, verwies der Oberst auf die Übermacht der Manifestanten: "Wir waren deutlich in der Unterzahl. 50 gegen schätzungsweise 6.000, 7.000. Das geht nicht, dass ich da von der Aida bis zum Haas-Haus absperre. Mit der Mannschaft, mit der wir dort waren, geht das nicht."
Beamte aus besagter Mannschaft beschrieben im Anschluss, man habe sie "massiv attackiert". "Steine sind definitiv geflogen", meinte einer, während ein anderer das wiederum verneinte. Alle waren sich einig, dass Flaschen geworfen wurden, Mülltonnen gerollt bzw. geschleudert wurden. "Ich bild' mir sogar ein, dass ich ein Nudelsieb hab' fliegen sehen", gab ein Beamter zu Protokoll.
Einer der Beamten kritisierte zudem das Vorgehen am Stephansplatz vor Beginn der Eskalation. Der Gruppenkommandant äußerte Unverständnis, weshalb bei Einsetzen des Gedränges und dem Versuch der Demonstranten, den Polizeikordon zu durchbrechen, nicht gleich eingeschritten wurde: "Ich hätte das Pfefferspray schon ziehen wollen, dann dachte ich mir aber, dann sind wir wieder schuld. Und dann ist es auch schon los gegangen."
Mehr oder weniger klar schlossen vorerst alle Zeugen aus, dass es möglich gewesen wäre, einen Angreifer zu identifizieren. Diese hätten "alles Mögliche gemacht, um eine Identifizierung zu verhindern", verwies ein Zugkommandant auf die einheitlich schwarze Bekleidung sowie die Vermummung der gewaltbereiten Demonstranten. "Am Stephansplatz ist es nur mehr um den Eigenschutz gegangen. Da ist es nicht darum gegangen, jemanden zu identifizieren, sondern gröbere Verletzungen zu verhindern", betonte der Zugkommandant.
Keinem der bisher befragten Zeugen war am Stephansplatz ein Mann mit einem "Boykott"-Sweater aufgefallen. Dieses markante Kleidungsstück soll der Angeklagte - ein 23 Jahre alter Student aus Jena - den Angaben eines Zivilpolizisten zufolge getragen haben, demzufolge der schlaksige, blasse und zumindest äußerlich wenig kräftig wirkende junge Mann ein Anführer des Schwarzen Blocks gewesen sein soll. Ihm wird unter anderem Landfriedensbruch, versuchte absichtliche schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung vorgeworfen. Er soll eine Rauchbombe in ein demoliertes Polizeifahrzeug geschmissen, Steine gegen Einsatzkräfte geschleudert und die Polizeiinspektion Am Hof beschädigt haben, was von der Verteidigung bestritten wird.
Auf weitere Zeugen wurde schließlich verzichtet. Anschließend gab der Angeklagte ein kurzes Statement ab. Er räumte ein, an der Demonstration teilgenommen zu haben: "Ich habe einen Mülleimer angefasst und aufgestellt." Danach sei er den anderen Demonstranten gefolgt und weggegangen. "Zum Schluss möchte ich noch anfügen, dass ich Linkshänder bin", beendete der 23-Jährige seine Ausführungen. Auf Befragen des Richters erklärte er, zu keinen weiteren Angaben bereit zu sein.
Die Universität für angewandte Kunst Wien verteidigte den Angeklagten. Rektor Gerald Bast fürchtete in einer Aussendung, dass der Prozess lediglich dazu dienen solle, die Demonstrationsfreiheit einzuschränken. Kritik übte die Angewandte auch an der Untersuchungshaft für ihren Gasthörer. Angesichts der bisher vorliegenden Beweise hat es für die Vertreter der Angewandten den Anschein, dass ihr unbescholtener Gasthörer die Beweislast dafür tragen solle, keinen Rechtsbruch begangen zu haben. "Das wäre eine fatale Verkehrung der gesetzgeberischen Intention, nach der die Freiheit auf Versammlung und Demonstration garantiert ist. Diese Entwicklung sehen wir mit Sorge", äußerte sich Bast zum laufenden Prozess.
(Quelle: salzburg24)