Erzbischof Gänswein, der als Sekretär sowohl für Benedikt als auch dessen Nachfolger, Papst Franziskus, arbeitet, wurde von dem Publizisten Peter Seewald für das "SZ"-Magazin interviewt. Dieser zitierte aus einem Gespräch mit dem emeritierten Papst, das er für eine geplante Benedikt-Biographie führte. Darin habe Benedikt gesagt, er habe sich überlegt, "dass ich zeitlich so zurücktreten muss, dass der neue Papst einen Vorlauf nach Rio hat". Benedikt sagte demnach: "Sonst hätte ich schon noch durchzuhalten versucht bis 2014." Gänswein bestätigte dies nun.
Auslöser für den Rücktritt Benedikts war demnach die Strapaze von dessen Auslandsreise nach Mexiko und Kuba im März 2012. Wie Seewald darstellte, erklärte Benedikts Leibarzt diesem im Anschluss, einen erneuten Flug über den Atlantik werde er nicht überstehen. Die Entscheidung zum Rücktritt habe Benedikt dann im August 2012 getroffen. Mit der Vatileaks-Affäre um Indiskretionen aus dem Vatikan hatte der Rücktritt Seewald zufolge nichts zu tun.
Gänswein sagte, als der Papst ihm die Rückzugsentscheidung schließlich mitteilte, habe er ihm spontan geantwortet: "Nein, Heiliger Vater, das dürfen Sie nicht!" Doch sei ihm sofort klar geworden: "Er teilt nicht etwas mit, um eine Entscheidung zu finden, sondern er teilt eine getroffene Entscheidung mit."
Gänswein sieht trotz der Kritik an Benedikt und der Euphorie um Franziskus einen "nahtlosen Übergang in der Substanz, im Inhaltlichen" bei den beiden Päpsten. Dass die beiden gegeneinander ausgespielt würden, halte er schlichtweg für primitiv.
Der Erzbischof warf dabei die Frage auf, ob in dem Enthusiasmus um Franziskus überhaupt dessen inhaltlichen Aussagen wahrgenommen werden. "Mein Eindruck ist vielmehr der, dass allerlei eigene Interpretation in seine Worte hineingelegt werden. Alle meinen, ihn für sich beanspruchen zu können." Aber auch dies werde enden: "Es muss natürlich der Tag kommen, an dem sich die Spreu vom Weizen scheidet."
Franziskus sehe sich "einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt", sagte Gänswein mit Blick auf die bevorstehende außerordentliche Synode zur Familienseelsorge. "Werden die Erwartungen nicht erfüllt, kann sich das Blatt schnell wenden." Für Franziskus stünden "die Bewährungsproben noch aus". Ob der Enthusiasmus anhalten werde, müsse man sehen. "Wir warten ja noch auf inhaltliche Vorgaben."
Als "primitiv" wertete Erzbischof Gänswein im "Süddeutsche Zeitung Magazin" Versuche, den emeritierten Papst Benedikt und dessen Nachfolger Franziskus gegeneinander auszuspielen. Zugleich räumte der frühere Privatsekretär Benedikts ein, dass ihn wundere, wie gut sich die beiden verstünden. Er selbst komme mit beiden nach einer Phase der Umstellung nach dem Pontifikatswechsel inzwischen "ausgezeichnet" zurecht, so Gänswein.
Er sehe beide Päpste "nicht konträr, sondern komplementär", erklärte der Erzbischof und verwies auf die Freiburger Rede von Benedikt XVI. im Jahr 2011. Franziskus löse die darin erhobene Forderung nach einer Entweltlichung der Kirche, die damals "mit wahren Interpretationspirouetten entsorgt werden sollte", auf "ganz unspektakuläre Weise Schritt für Schritt ein".
(Quelle: salzburg24)