Schon in seinen jungen Jahren mit Miles Davis oder John Coltrane und so gut wie allen Topstars des Jazz galt Sonny Rollins’ Musik als der Inbegriff von Originalität und Spielwitz. Humorvoll, raffiniert und für sein Alter sensationell kraftvoll drückte Rollins auch gestern Abend auf die Tube. Keine Rede von Verstecken hinter einer vergleichsweise jugendlichen Band oder seinem großen Namen. Rollins stand vorne, blies, was das Zeug hielt, und rief in Erinnerung, was das Wort “Jazz” ursprünglich bedeutet: Lebensfreude und Ekstase.
Hinter diesem beeindruckend positiven Frontman war durchaus nicht alles Gold, was glänzte. Ein E-Bassist dröhnte laut und merkwürdig, ein Posaunist war kaum zu hören und ein Gitarrist spielte monoton, gleichförmig und gepflegt-fad wie in uralten Tagen. Ein Percussionist erinnerte an eine Schlager-Bigband und verbreitete Fünf-Uhr-Tee-Atmosphäre, während sich der persönliche, individuelle Klang des meisterlichen Tenorsaxofons in den Knöpfen des Mischpults verhedderte. Nach dem Tontechniker-Fiasko bei Cassandra Wilson am Vortag war der Sound auch diesmal alles andere als gut. Da gibt es ernsthaft Handlungsbedarf für den Veranstalter des Salzburger Jazzherbstes.
Aber Rollins ließ sich seine Laune dadurch nicht verderben. Nach herzerfrischend überblasenen Standards wie “They say that falling in love is wonderful” oder “In a sentimental mood” von Duke Ellington kramte Rollins einen Mambo und dann einen Calypso aus dem Gepäck. Karibische Leichtigkeit pur, als wagte der alte Meister ein Tänzchen am Strand. Mit Schoko-Mädels in knappen Bikinis. Die Götter haben ihren Günstling mit Erfolg verwöhnt. Und selbst im 80. Lebensjahr mit einer Kraft gesegnet, die das Publikum im Großen Festspielhaus von den Stühlen riss.
(Von Christoph Lindenbauer/APA)
(Quelle: salzburg24)