Das Ergebnis für Elisabeth Köstinger war freilich eher bescheiden. Nur 117 der 175 gültigen Stimmen entfielen auf die 38-jährige ÖVP-Politikerin. Das sind knapp 67 Prozent und damit deutlich weniger als die letzten Präsidentinnen erhalten hatten. Zuletzt war Doris Bures mit 83 Prozent gewählt worden. Die bisherige Europaparlamentarierin ist die dritte Frau in dieser Position und mit 38 die jüngste Parlamentschefin aller Zeiten. Offen ist, ob Köstinger die Funktion dauerhaft ausübt. Spekuliert wird, dass die bisherige Generalsekretärin der ÖVP bei der Bildung einer schwarz-blauen Regierung ein Ministeramt übernehmen könnte.
Keine Unterstützung aus der Opposition
Die zehn NEOS-Abgeordneten hatten angekündigt, geschlossen für den bisherigen Zweiten Präsidenten Kopf zu stimmen. Die SPÖ respektierte zwar das Nominierungsrecht der ÖVP, aber ein Teil ihrer (insgesamt 52) Abgeordneten gab laut dem geschäftsführenden Klubobmann Andreas Schieder Kopf die Stimme. Auch aus den Reihen der Liste Pilz war in der Debatte Sympathie für Kopf zu hören gewesen. So kam die von der ÖVP vorgeschlagene Präsidentin letztlich auf nur 66,86 Prozent. Sie blieb als erste unter der 70er-Grenze.
Nationalratspräsidenten erhielten meist über 80 Prozent
Selbst weniger als 80 Prozent gab es bisher selten: Köstingers Vorgängerin Doris Bures (SPÖ) wurde 2014 mit 78 Prozent zur Nachfolgerin der verstorbenen Barbara Prammer (SPÖ) gekürt. Und 1996 blieb Heinz Fischer (SPÖ) bei seiner dritten Wahl mit 79,33 Prozent knapp darunter. Auch damals hatte die ÖVP eine vorgezogene Wahl initiiert, aber - anders als heuer - nicht die erhoffte schwarz-blaue Mehrheit geschafft.
Fischer war 1990 noch mit mehr als 90 Prozent (92,17) NR-Präsident geworden, sein Vorgänger Leopold Gratz (SPÖ) bekam 93,53 Prozent. Das waren die letzten Ergebnisse über 90 Prozent - aber Fischer kam 1994 (85,96) und 1999 (88,61) auf klar über vier Fünftel, Andreas Khol (ÖVP) 2002 mit 81,25 Prozent zwar knapp, aber doch - und ebenso Barbara Prammer (SPÖ) 2006 (81,33 Prozent), 2008 (83,33) und 2013 (83,52).
Bures nun Zweite Präsidentin
Doris Bures ist zur Zweiten Nationalratspräsidentin gewählt worden. Die bisherige Präsidentin, die aufgrund des Rückfalls der SPÖ auf Platz zwei der Wählergunst für diese Funktion keine Chance mehr hatte, erhielt 115 der 174 gültigen Stimmen. Das entspricht 66,1 Prozent.
23 Stimmen für Christian Kern
Immerhin 23 Stimmen entfielen auf SPÖ-Chef Christian Kern, der sich für die Position nicht beworben hatte. Anzunehmen ist, dass bei der geheimen Wahl etliche ÖVP-Abgeordnete Bures nicht zustimmten, da beim vorigen Urnengang offenkundig etliche SPÖ-Mandatare statt der schwarzen Kandidatin Elisabeth Köstinger den bisherigen Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf gewählt hatten.
Hofer erzielt bestes Ergebnis
Das beste Ergebnis der Präsidiumswahlen holte sich Norbert Hofer. Der FPÖ-Politiker zieht mit einer Unterstützung von 83,54 Prozent in seine zweite Amtsperiode - wobei auch bei ihm ein Wechsel in die Regierung nicht ausgeschlossen ist. Nicht nur im Vergleich mit seinen beiden Präsidiumskolleginnen, auch im historischen Vergleich schnitt Hofer sehr gut ab: Sein Ergebnis ist das zweitbeste eines Dritten NR-Präsidenten der letzten 30 Jahre - wobei er selbst 2013 die Marke 80,27 Prozent gesetzt hatte. Andreas Khol (ÖVP) hatte 1999 86,34 Prozent bekommen. Heuer wurde Hofer von 132 Abgeordneten gewählt. 158 Stimmen waren gültig, 26 entfielen auf andere Kandidaten.
Köstinger will Präsidentin für alle sein
Die neue Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP) will ihr "Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein". Sie wolle auch eng mit den Bürgern in Kontakt sein und deren Anliegen im Hohen Haus vertreten. Ihre Wahl nehme sie mit großer Demut und Dankbarkeit an und sie sei stolz, zwei starken Frauen wie Barbara Prammer und Doris Bures folgen zu dürfen.
Geworben wurde von der neuen Parlamentschefin für "eine neue politische Kultur", die die Menschen wieder an die Politik glauben lasse. Vielleicht müsse man sich auch hier manchmal einfach dazu durchringen, über den anderen etwas positives zu sagen. Sie selbst habe sich immer schon für eine politische Kultur eingesetzt, die das Gemeinsame vor das Trennende stelle.
Sich selbst bezeichnete Köstinger als gleichzeitig glühende Österreicherin und glühende Europäerin. Sie sehe sich als Verbinderin der Interessen zwischen Fraktionen aber auch innerhalb von Europa.
(APA)
(Quelle: salzburg24)