Der UN-Sondergesandte für den Irak bezeichnete den Vormarsch der Jihadisten als "lebensbedrohlich" für das Land. Die Offensive sei die "größte Bedrohung für die Souveränität und die territoriale Integrität" des Irak seit Jahren und eine "ernste Gefahr für die Region", sagte Nikolai Mladenow der Nachrichtenagentur AFP. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte vor der Ausweitung des Konflikts auf Nachbarstaaten.
Die sunnitischen ISIS-Kämpfer hatten in der vergangenen Woche weite Gebiete im Nordirak in ihre Gewalt gebracht und rückten immer weiter Richtung Bagdad vor. Dabei fand die Gruppe auch Unterstützung bei gemäßigten Sunniten. Diese werfen dem schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki seit langem vor, sie systematisch zu benachteiligen.
In der Nacht zum Dienstag drangen ISIS-Kämpfer in das 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad gelegene Baakuba ein und übernahmen vorübergehend die Kontrolle über mehrere Viertel. Nach heftigen Gefechten gelang es der Armee nach eigenen Angaben, die Rebellen zurückzuschlagen. Während des Angriffs wurden in einer Polizeiwache 44 Gefangene getötet, wie Ärzte und Sicherheitskräfte mitteilten.
Bei den Gefechten um die mehrheitlich schiitische Stadt Tal Afar, die auf einem wichtigen Korridor nach Syrien liegt, wurden nach Angaben eines Vertreters der Provinz Ninive rund 50 Zivilisten sowie dutzende Rebellen und Sicherheitskräfte getötet.
Die Regierung in Bagdad warf Saudi-Arabien vor, die sunnitschen Jihadisten im Irak finanziell und moralisch zu unterstützen. Damit sei Riad auch für die von ISIS-Kämpfern begangenen Gräueltaten verantwortlich.
Der Regierungschef der Kurdengebiete im Irak, Neshirwan Barsani, mahnte eine politische Lösung des Konflikts ein. Angesichts der Vorbehalte der Sunniten gegen den schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki schlug Barsani die Gründung einer autonomen Sunnitenregion nach dem Vorbild der Kurdengebiete vor.
US-Präsident Barack Obama kündigte an, 275 Soldaten zum Schutz der Botschaft in Bagdad und der US-Bürger im Irak zu entsenden. Die Stationierung der Soldaten, die auch "für Kampfeinsätze ausgerüstet" seien, habe am Sonntag begonnen. Das Weiße Haus teilte mit, die Einheiten würden bei der Verlegung von Botschaftspersonal in die Konsulate in Erbil und Basra sowie nach Amman in Jordanien helfen.
Die Türkei räumte am Dienstag ihr Generalkonsulat in Basra. Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte, das Konsulatspersonal sei aus Sicherheitsgründen in das Golfemirat Kuwait gebracht worden.
Unterdessen wurde eine Gruppe von 50 ausländischen Mitarbeitern der Firma Siemens gerettet, Medienberichten zufolge waren darunter auch acht Deutsche und ein Österreicher. Dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zufolge wurden die Techniker auf einer Raffinerie in Baiji nördlich von Bagdad vom schnellen Vormarsch der ISIS-Kämpfer "überrascht" und "konnten nicht mehr fliehen". Es sei aber gelungen, alle deutschen und österreichischen Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen. Sie seien von der irakischen Armee und mit einem von Siemens gecharterten Flugzeug aus der Gefahrenzone gebracht worden.
(Quelle: salzburg24)