Dem zuletzt in Aalen lebenden Mann werde vorgeworfen, durch seinen Wachdienst zwischen 1941 und 1943 den Lagerbetrieb und die Tötungen in Auschwitz unterstützt zu haben, erklärten die Strafverfolger am Donnerstag in Stuttgart. Bei einem Dutzend Gefangenentransporten während seiner Dienstzeit seien nicht als arbeitsfähig eingestufte Menschen in den Gaskammern getötet worden.
Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen
Der seit Mai in Untersuchungshaft sitzende Angeschuldigte leistete der Anklage zufolge in mehr als 10.000 Fällen Beihilfe zum Mord. Die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Der ehemalige SS-Wachmann war in den 50er-Jahren in die USA ausgewandert. Als seine SS-Mitgliedschaft dort aufflog, wurde er Anfang der 80er-Jahre ausgewiesen und lebte seither in Baden-Württemberg. Zu den Vorwürfen hat er sich bisher laut Staatsanwaltschaft nicht geäußert. Das Landgericht Ellwangen muss jetzt über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden.
Demjanjuk-Prozess: Dammbruch für neue NS-Prozesse
70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg könnte eine Welle von Prozessen gegen NS-Täter deutsche Gerichte beschäftigten. Doch warum erst jetzt? Die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg definierte in den Vorermittlungen für den Prozess gegen den Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, die Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz neu (Zum Archivbericht "Als Nazi-Verbrecher verurteilter Demjanjuk tot")
Bis dahin galt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von 1969, dass für einer Verurteilung der Beschäftigten des Vernichtungs- und Arbeitslagers Auschwitz die individuelle Schuld nachgewiesen werden musste. Nach dem neuen Paradigma war jeder zu belangen, der in einem KZ dazu beigetragen hat, dass die Tötungsmaschinerie funktionierte - egal ob direkt als Befüller der Gaskammern oder indirekt etwa als Koch.
Mehr als 40 KZ-Wächter im Visier der Fahnder
Diese Auffassung übernahm das Landgericht München in seinem Urteil von 2011: Demjanjuk wurde wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 28 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der gebürtige Ukrainer legte Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof ein, starb aber vor einer neuen Verhandlung. Deshalb existiert in diesem Fall keine rechtskräftige Rechtsprechung. Dennoch sah sich die Fahndungsstelle veranlasst, im Lichte des Urteils Fälle von Auschwitz-Aufsehern wieder aufzurollen. In mehr als 40 Fällen von KZ-Wachmännern haben die Fahnder nach Aktenlage den Verdacht der Beihilfe zum Mord ermittelt. (APA/ dpa/ red)
(Quelle: salzburg24)