Die stundenlange Aktion der Staatsanwaltschaft, die durch Agenten der Agentur für innere Sicherheit (ABW) unterstützt war, endete mit einer Blamage. Journalisten aus verschiedenen Redaktionen hatten verhindert, dass das Notebook des "Wprost"-Chefredakteurs Slawomir Latkowski ausgehändigt wird, um das Pressegeheimnis zu schützen. Dorota Glowacka von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte erklärte gegenüber der "Gazeta Wyborcza", dass die Redaktion "Wprost" das Recht verletzen würde, wenn sie durch Herausgabe der Aufnahmeträger die Identifizierung ihrer Quellen ermöglicht hätte.
Die meisten Journalisten beurteilen die Aktion der Staatsanwaltschaft negativ. Einige der bekanntesten Journalisten unterzeichneten einen Protest gegen die Aktion der ABW. "Zum ersten Mal seit 1989 hat die Regierung so offen die Geheimdienste gegen Medien genutzt", steht in der Erklärung.
Tusk betonte bei der Pressekonferenz, dass die Staatsanwaltschaft unabhängig von der Regierung ist und er sich nicht in ihre Tätigkeit einmischen darf. "Den politischen Preis werden dafür die Regierung und ich bezahlen. Ich schließe nicht aus, dass der Preis eine strenge Beurteilung der Bürger bei den Wahlen sein wird, die vielleicht in einigen Wochen stattfinden", so Tusk. Er schloss zugleich noch einmal seinen Rücktritt aus. "Über das Fortbestehen der polnischen Regierung dürfen nicht Leute entscheiden, die illegale Abhöranlagen installieren", sagte Tusk.
Die Abhöraffäre hatte am Wochenende nach der Veröffentlichung der Aufnahmen eines verfänglichen Gesprächs von Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz mit Notenbankchef Marek Belka durch "Wprost" begonnen. Belka erklärte sich in dem Gespräch vor einem Jahr bereit, das Budget durch den Ankauf von Staatsanleihen zu unterstützen, um dadurch die PO-Umfragewerte vor der kommenden Parlamentswahl 2015 zu verbessern und den Sieg der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unmöglich zu machen.
Als Bedingung für sein Eingreifen nannte Belka die Entlassung von Jacek Rostowski vom Posten des Finanzministers und die Änderung des Gesetzes über die NBP. Die Redaktion verfügt angeblich auch über andere geheime Aufnahmen, unter anderem vom Treffen der Vizepremierministerin Elzbieta Bienkowska mit dem Chef der Zentralen Antikorruptionsbehörde (CBA), Pawel Wojtunik, oder des reichsten Polen Jan Kulczyk mit dem Chef der Obersten Kontrollkammer (NIK), Krzysztof Kwiatkowski. Tusk verlangte heute die unverzügliche Veröffentlichung aller Aufnahmen.
Laut der neuesten Umfrage des Instituts Millward Brown, die bereits nach der Veröffentlichung der Aufnahmen durchgeführt worden ist, hat die rechtsliberale Regierungspartei PO (Buergerplattform) im Vergleich zum Vormonat drei Prozentpunkte verloren und wird von 25 Prozent der Wähler unterstützt. In Führung ist die nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) mit 32 Prozent. Seit Mai hat die Unterstützung für die Partei um vier Prozentpunkte zugenommen. Mit Mandaten könnten noch das Bündnis der Demokratischen Linken (zehn Prozent) und die extremliberale Neue Rechte (acht Prozent) rechnen. Den Rücktritt vom Regierungschef wünschen sich 48 Prozent der Befragten.
(Quelle: salzburg24)