Immer wieder hatte der ehrgeizige PD-Chef seinem parteiinternen Rivalen und Ex-Premier Enrico Letta vorgeworfen, zu wenig für die Wirtschaft zu unternehmen. Als jüngster Regierungschef in der italienischen Geschichte hat Renzi nun die Chance, sein breit gefächertes Wirtschaftskonzept für Wachstum und Beschäftigung in die Tat umzusetzen. Damit will er vor allem Italien aus dem Tief einer sechsjährigen Krise führen und die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Die Arbeitslosenquote lag bei 12,7 Prozent, so hoch wie seit 1977 nicht mehr; zugleich sind 41,6 Prozent der Jugendlichen unter 25 Jahren als arbeitslos gemeldet.
"Job Act" heißt Renzis Manifest, mit dem der Toskaner das Dahinsiechen der an Wettbewerbsfähigkeit verlierenden italienischen Industrie bekämpfen will. Entlastung der Unternehmen, die Personal mit unbefristeten Arbeitsverträgen einstellen, und ein laxerer Kündigungsschutz sind einige Schwerpunkte seines Programms. Im Gegenzug dazu sollen Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren, höhere Sozialleistungen erhalten. Renzi plant auch ein neues Modell für die Arbeitsverträge.
Ein Standardvertrag soll die bisherige Vielfalt von Arbeitsverträgen zu einem großen Teil ersetzen. Dabei sollen die Rechte der Arbeitnehmer erst mit wachsender Vertragsdauer zunehmen. Die bisher in den unbefristeten Arbeitsverträgen vorhandene Garantie "gegen ungerechtfertigte Entlassungen" soll erst nach drei Jahren gelten. Dadurch soll die junge Arbeitskräfte belastende Diskrepanz zwischen befristet Beschäftigten und voll geschützten Arbeitnehmern überwunden werden. Renzi will in größeren Unternehmen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer einführen, denen die Wahl von Vertretern im Verwaltungsrat zugestanden werden soll.
Um den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen, will Renzi Steuerausfälle hinnehmen. Er schlägt vor, dass Arbeitgeber für Neueinstellungen weniger Steuern auf Energie zahlen sollen. Steuern auf Finanzgeschäfte sollen aber steigen. Für seinen "Pakt für Arbeit" ist Renzi bereit, die Staatsschulden noch einmal zu erhöhen und die EU-Schuldengrenze zu überschreiten.
Renzi setzt auch auf politische Reformen. Sein erstes Anliegen ist, im Parlament das Wahlrechtsmodell "Italicum" durchzusetzen, das er in den vergangenen Wochen mit Ex-Premier Silvio Berlusconi entworfen hat. Damit soll das seit 2005 geltende Wahlgesetz abgeschafft werden, das vom Verfassungsgericht in breiten Teilen für verfassungswidrig erklärt worden war. Laut Renzis Vorschlag soll die Wahlliste bzw. Koalition, die mindestens 37 Prozent der Stimmen schafft, eine Mehrheitsprämie von 18 Prozent erhalten. Mehr als 340 Sitze (das entspricht 55 Prozent) soll es aber aus dem Titel der Prämie nicht geben. Außerdem sollen die Parteien dazu verpflichtet werden, ihre Listen zu 50 Prozent mit Frauen zu besetzen. Vorgesehen sind kleine Wahlkreise, in denen maximal sechs Parlamentssitze vergeben werden.
Der neue Premier will auch das parlamentarische System reformieren. Er will das politische System vereinfachen und die zweite Parlamentskammer, den Senat, in eine "Kammer der Autonomien" umwandeln, in der Vertreter der Regionen sitzen sollen. Dafür muss mit Zweidrittelmehrheit die Verfassung geändert werden. Das als ineffizient geltende Parlamentssystem mit zwei gleichberechtigten Kammern wird immer wieder kritisiert.
(Quelle: salzburg24)