"Viele fußballinteressierte Männer unterschätzen den Frauenfußball nach wie vor", ist Helmut Hauptmann überzeugt. Der 55-Jährige trainierte beim FC Bergheim die Frauen- (Saison 2017/18) und auch die Herrenkampfmannschaft (2012-2016). Was er im Training nach seiner Übernahme des Damenteams veränderte? "Ich habe praktisch eins zu eins die Inhalte, die ich auch mit den Herren erarbeitet habe, für das Damentraining verwenden können", blickt Hauptmann im Gespräch mit SALZBURG24 zurück. "Die Frauen waren extrem ehrgeizig, wollten gefordert werden und haben auch konditionell ordentlich geschuftet."
Technisch und taktisch sieht der Ex-Bergheim-Coach zwischen Frauen und Herren kaum mehr Unterschiede. Dafür, so Hauptmann, ist der "Frauenfußball vielleicht noch eine Spur ehrlicher." So gebe es weniger Zeitschinden und Lamentieren. "Die Männer sind dafür in den Zweikämpfen noch ein bisschen cleverer." Fußballerisch sei der Frauenfußball mittlerweile "auf einem super Niveau."
Männliche Fußballer größer und schwerer
"Grundsätzlich sind Vergleiche zwischen Frauen- und Männerfußball nur bedingt sinnvoll und sollten keinesfalls in irgendeine Richtung wertend erfolgen", erklärt Sportwissenschaftler Christoph Gonaus vom IFFB Sport- und Bewegungswissenschaften in Rif (Tennengau) im Gespräch mit SALZBURG24. Er hebt hervor, dass Fußball eine der wenigen Mannschaftssportarten ist, bei der im Regelwerk zwischen den Geschlechtern nicht unterschieden wird.
⚽️ Wie ist es um den Frauenfußball in Salzburg bestellt und ist ein Einstieg des FC Red Bull Salzburg denkbar? Wir haben nachgefragt:
Gepostet von SALZBURG24 am Mittwoch, 29. Juli 2020
Das sei insofern von Bedeutung, da sich Männer und Frauen von ihrer Körperlichkeit her ja sehr wohl unterscheiden. Ein Vergleich von U21-Elitespielerinnen und -Spielern an der Uni Salzburg zeigt, dass Männer im Schnitt um sieben Prozent größer und sogar um 22 Prozent schwerer sind als die Sportlerinnen. Physische Voraussetzungen, die eine zentrale Rolle hinsichtlich der Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen spielen: "Männer können aufgrund der größeren Schrittlänge das Feld besser abdecken und wegen des Gewichts bzw. der Muskelmasse kann der Ball härter und länger gespielt werden", erläutert Gonaus.
Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball
Der große Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball – da sind sich die Salzburger Experten einig – ist das Tempo: "Bei den Männern ist das Spiel viel dynamischer", berichtet Andreas Strasser, Hauptmanns Nachfolger bei Bergheims Bundesliga-Damen. Sie können es vom Tempo her mit einer U17-Mannschaft bei den Burschen aufnehmen: "Wir vereinbaren daher häufig Testspiele gegen diese Teams, weil wir da körperlich auf einem Niveau sind", erklärt Strasser.
Die Beobachtungen, dass das Tempo beim Frauenfußball geringer ausfällt, wird statistisch belegt: "Aus einer Analyse von UEFA-Champions-League-Spielen geht hervor, dass Männer um 23 Prozent größere Distanzen im Sprinttempo zurücklegen", berichtet Sportwissenschaftler Gonaus. Auch bei der Passquote haben die Männer mit 84 Prozent gegenüber den Damen (74 Prozent) die Nase vorne. Verglichen wurden hier die letzten beiden Weltmeisterschaften.
Was die mentale Komponente anbelangt, ist Bergheims Damen-Trainer Strasser indes voll des Lobes: "Die Einstellung bei den Damen ist top. Sie sind oft fleißiger und lernwilliger als die Männer." Er müsse seine Schützlinge oft eher bremsen. "Die kommen häufig auch mit einem geschwollenen Fuß ins Training." Der Coach schicke sie dann zum Physiotherapeuten. "Das ist aber natürlich schön, wenn du merkst, dass die Einstellung passt", schmunzelt der Deutsche im S24-Gespräch.
Position im Tor unterschiedlich beliebt
Nicht im Damen-, sondern im Mädchenfußball engagiert ist Walter Salvenmoser. Er ist Kinderkoordinator beim FC Pinzgau mit dem Schwerpunkt Mädchenfußball. Hat er Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern im Kindesalter beobachtet? "Bei den Mädchen ist das Wir-Gefühl etwas schneller da als bei den Burschen, wo häufig die individuelle Entwicklung stärker im Fokus ist", erklärt der Funktionär im Gespräch mit SALZBURG24.
Eine neuralgische Position im Fußball wird von beiden Geschlechtern indes unterschiedlich wahrgenommen, wie Salvenmoser erzählt: "Bei den Burschen gibt es von klein auf welche, die gerne ins Tor gehen möchten. Bei den Mädchen ist diese Position im Tor die unbeliebteste." Burschen würden hier mit mehr Unbekümmertheit ans Werk gehen, so die Theorie des Kinderkoordinators. "Sie haben oft weniger Hemmung, sich herumzuschmeißen." Daher würde auf der Tormann-Position bei den Burschen schneller ein Trainingsfortschritt erzielt als bei den weiblichen Altersgenossen.
Auch ein körperlicher Aspekt kommt hinzu: Tormänner können durch ihren meist vorliegenden Größenvorteil eine größere Fläche abdecken als Torfrauen, gibt Sportwissenschaftler Gonaus zu bedenken.
Wenig Wertschätzung für Frauenfußball
Aufholbedarf – auch hier sind sich Strasser und Hauptmann einig – habe der Frauenfußball noch in puncto Wertschätzung: "Die Mädels kommen auch dreimal in der Woche zu uns ins Training, haben den gleichen Aufwand und werden trotzdem noch etwas belächelt, weil es ja nur Damenfußball ist", ärgert sich Strasser. Doch auch hier tut sich etwas: "Die Entwicklung geht voran – aber nur langsam", so Bergheims Trainer.
Wohin die Reise im Frauenfußball geht, sei grundsätzlich schwer abzuschätzen, so Sportwissenschaftler Gonaus. "Aufgrund der zunehmenden Professionalisierung und des ansteigenden Talente-Pools im Frauenfußball ist aber davon auszugehen, dass über die nächsten Jahre größere Leistungssprünge bei den Frauen im Vergleich zu den Männern zu erwarten sind."
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