Vieles deutete in den letzten Wochen auf Dreikampf zwischen Peter Stöger, Vladimir Petkovic und Andreas Herzog. Doch seit Freitag ist die faustdicke Überraschung durch. Ralf Rangnick wird neuer österreichischer Fußball-Teamchef.
Vertrag läuft zwei Jahre
Der Deutsche wurde am Freitag in Wien vom ÖFB-Präsidium zum Nachfolger von Franco Foda gekürt und erhielt einen Vertrag über vorläufig zwei Jahre. Bei einer erfolgreichen Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland verlängert sich die Zusammenarbeit automatisch um zwei weitere Jahre bis zur WM 2026 in den USA. "Wir freuen uns sehr, dass wir mit Ralf Rangnick einen herausragenden Experten im internationalen Fußball als Teamchef gewinnen konnten. Wir sind alle davon überzeugt, dass er der ideale Mann ist und mit seinen Visionen das Nationalteam und den ÖFB voranbringen wird“, sagt ÖFB-Präsident Gerhard Milletich.
Rangnick wird neuer ÖFB-Teamchef
Am 6. April dementierte der ÖFB noch ein Treffen zwischen Schöttel und dem Deutschen. Wohl nur ein Ablenkungsmanöver, um den derzeit in Manchester United aktiven Coach eine Menge Unruhe zu ersparen. Nach seinem Engagement von 2012 bis 2015 als Salzburgs Sportdirektor nimmt Rangnick zum zweiten Mal einen Job im österreichischen Fußball an.
"Wir haben nach einem sehr fundierten und intensiven Prozess mit Ralf Rangnick einen absoluten Top-Mann mit einer großen internationalen Reputation als Teamchef gewinnen können. Das macht mich sehr stolz und ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit“, meinte Schöttel.
Letzter Trainer aus Österreich vor elf Jahren
Als weitere aussichtsreiche Kandidaten wurden Peter Stöger und der frühere Schweizer Teamchef Vladimir Petkovic kolportiert. Durch Rangnicks Bestellung erhält die ÖFB-Auswahl nach dem Schweizer Marcel Koller und dem Deutschen Franco Foda den dritten ausländischen Teamchef in Folge. Zuletzt wurde die heimische Nationalmannschaft am 11. Oktober 2011 von einem österreichischen Coach betreut. Beim damaligen 0:0 in Kasachstan war Willi Ruttensteiner interimistisch im Amt.
Architekt des "Red-Bull-Fußballs"
Österreichs Nationalmannschaft wird künftig von einem Trainer gecoacht, der als Architekt des "Red-Bull-Fußballs" gilt. Ralf Rangnick kam 2012 als Sportdirektor nach Salzburg und krempelte in der Mozartstadt alles auf bedingungsloses Pressing um. Das aggressive Balljagen ist mittlerweile Kennzeichen aller "Bullen"-Mannschaften und brachte nach einer gewissen Anlaufzeit den gewünschten Erfolg, der nun auch beim ÖFB-Team einkehren soll.
Als Spieler kam Rangnick nicht über die dritthöchste deutsche Spielklasse hinaus, der Schwabe fühlte sich aber ohnehin schon früh zum Trainer berufen. Im Alter von 25 Jahren erhielt er als Jahrgangsbester die Trainerlizenz, und als er Ende der 1990er-Jahre im "Aktuellen Sportstudio" an der Taktiktafel die ballorientierte Raumdeckung erklärte, brachte ihm das noch jede Menge Spott ein.
Bundesliga-Aufstieg mit Salzburg-Trainer Jaissle
Doch Rangnick setzte seine Ideen unbeirrt um, und das meistens erfolgreich, zunächst vor allem bei Schalke 04 und Hoffenheim. Mit der TSG stieg er 2008 in die Bundesliga auf und wurde danach - mit Salzburg-Trainer Matthias Jaissle als Innenverteidiger - Herbstmeister, mit den "Königsblauen" wurde er 2005 Vizemeister und Ligapokalsieger sowie 2011 DFL-Superpokalsieger. Außerdem kam er 2011 mit Schalke ins Champions-League-Semifinale und gewann den DFB-Pokal, seinen bisher einzigen wirklich wertvollen Titel. Ins Cup-Endspiel und ins Viertelfinale der "Königsklasse" waren die Gelsenkirchener allerdings noch unter Rangnicks Vorgänger Felix Magath vorgestoßen.
Bullen-Blamage gegen Düdelingen
Im September verließ Rangnick die "Knappen" wegen eines Burn-outs, seine nächste Station führte ihn zu Red Bull. Rangnick startete im Juni 2012 als Salzburg-Sportdirektor, setzte den damals völlig unbekannten Roger Schmidt als Trainer ein - und schied mit den Bullen in der Champions-League-Qualifikation gegen den Luxemburger Club Düdelingen aus.
Wenige Monate später war Salzburg zum bisher letzten Mal nicht Meister - die Austria machte unter Peter Stöger, dem Rangnick nun vorgezogen wurde, das Rennen. Ausgerechnet in dieser Saison wurde aber der Grundstein für die aktuellen Salzburg-Erfolge gelegt. Rangnick verordnete allen Teams der Bullen eine einheitliche Spielphilosophie, die in ihren Grundzügen bis heute Bestand hat.
Rangnick mit DFB im Gespräch
Daran änderte sich auch nach seinem Abschied aus Salzburg 2015 und seinem Abgang aus Leipzig 2019 nichts. Red Bull spielt weiter Rangnick-Fußball, doch Rangnick zog weiter, zunächst als Berater zu Lok Moskau und dann zu seinem bisher mit Abstand prominentesten Arbeitgeber, Manchester United. Nach der EM im vergangenen Jahr war er auch als DFB-Teamchef im Gespräch gewesen. Den Job bekam schließlich Hansi Flick.
Berater-Job in Manchester bleibt aufrecht
Beim englischen Rekordmeister trat der Deutsche im vergangenen Dezember die Nachfolge von Ole Gunnar Solskjaer an. Damals war United Siebenter, mittlerweile ist man Sechster, ein Platz unter den Top vier und damit ein Champions-League-Ticket ist für die Millionentruppe um Cristiano Ronaldo jedoch illusorisch. Auch unter Rangnick läuft es bei den "Red Devils" nicht nach Wunsch, Gerüchte über Zerwürfnisse zwischen dem Trainer und seinen Topstars geistern seit Wochen durch britische Medien.
Noch drei Spiele sitzt Rangnick auf der United-Trainerbank, nimmt danach seine Rolle als Berater war. Gleichzeitig erfolgt der Wechsel zum österreichischen Nationalteam. Dort trifft der neue ÖFB-Coach auf einige alte Bekannte mit Salzburg-Vergangenheit, die mit Rangnicks Ideen groß geworden sind und künftig wohl eine noch wichtigere Rolle spielen werden.
Die Frage, ob das Nationalteam mehr auf Pressing à la Red Bull oder Ballbesitz zählen soll, wurde vom ÖFB am Freitag klar beantwortet. Ob die angebliche "Goldene Generation" durch den Paradigmenwechsel auch erfolgreicher sein wird, lässt sich frühestens nach den Nations-League-Spielen im Juni gegen Kroatien, Dänemark und Frankreich erahnen.
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(Quelle: apa)