Veröffentlicht: 29. Juli 2012 10:09 Uhr
Mit langem Applaus ist am Samstag eine eigenwillige, mitunter irritierende Sicht auf Heinrich von Kleists Schauspiel “Prinz Friedrich von Homburg” von Regisseurin Andrea Breth im Rahmen der diesjährigen Festspiele nach zweieinhalb pausenlosen Stunden zu Ende gegangen.
Homburg: Ist er zurechnungsfähig?
Bei der Befehlsausgabe vor der entscheidenden Schlacht ist er völlig geistesabwesend und starrt mit offenem Mund eine junge Frau an. Regelmäßig hat er Absencen, die ihn für Minuten entrücken. Er schwankt zwischen Tränenausbrüchen, Todesverachtung und trotzigem Aufbegehren. Aus dem Nichts kommen heftige Küsse auf die Lippen widerstrebender Frauen und vampirähnliche Bisse in die Kehle eines Widersachers. Ist dieser Prinz vom Homburg eigentlich zurechnungsfähig? Das ist eine von vielen Fragen, die sich im Salzburger Landestheater dem Zuschauer von Andrea Breths Interpretation des "Prinz Friedrich von Homburg" stellen. Mit dem Kleist-Stück hatte einen Tag nach der "Zauberflöte" am Samstag auch die erste Schauspiel-Neuinszenierung der neuen Festspiel-Intendanz Premiere. Ein strahlender jugendlicher Held, ein tapfererLangatmige Inszenierung Breths
Kleist-Spezialistin Breth lässt in ihrer zweieinhalbstündigen, pausenlosen Inszenierung, die streckenweise eine äußerst zähe Angelegenheit ist, Nationalismen und Historismen beiseite. Dazu trägt auch das zeitlose Bühnenbild Martin Zehetgrubers bei, der auf helle, klare Innenräume setzt und am Schlachtfeld mit einer Landschaft aus verbrannten Baumstümpfen an Fotos aus dem Ersten Weltkrieg erinnert. Auch Fragen von militärischer Disziplin, Befehl und Eigenmächtigkeit sind Nebensache. Das Todesurteil gegen den undisziplinierten Soldaten ist nur Teil eines mit ungewöhnlichen Mitteln geführten Duells zweier höchst unterschiedlicher Menschen: des unbeherrschten, von seinen Gefühlen ständig hin- und hergerissenen Hitzkopfs Homburg und des kühl kalkulierenden MachtpolitikersAusgiebiger, aber zögerlicher Applaus
Die überdeutlich ausgespielten Zusammenbrüche, Ohnmachtsanfälle und Wahnsinnsattacken sind wie auch der Auftritt eines verwundeten und einbandagierten Generals (Branko Samarovski) mitunter am Rande der Lächerlichkeit angesiedelt und machen die Inszenierung, die mit der Musik Bert Wredes und dem Sounddesign von Alexander Nefzger über souveräne Stimmungsmittel verfügt und sich auch Kleists Sprache anzueignen weiß, zu einem Rätsel, das sich schneller Lösung verweigert. "Helft, Leute, helft, ich bin verrückt", ruft der Prinz, und die sich in dem Augenblick stellende Frage taucht an diesem Abend immer wieder auf: Ernst oder Spiel? Wenigstens am Ende gibt Andrea Breth eine klare Antwort: Das Hinrichtungskommando erwartend und seine finale Rettung nicht realisierend, stirbt der Prinz von Homburg vor Schreck. Das Premierenpublikum löste sich jedoch aus langer Starre und spendete langen, von manchem Jubel begleiteten Schlussapplaus. (APA)(Quelle: salzburg24)