Teichtmeister hat vor zwei Jahren in Georg Schmiedleitners Josefstädter "Lumpazivagabundus"-Inszenierung den Schneidermeister und Möchtegern-Don Juan Zwirn gegeben und hat dem Nestroy-Novizen Micheal Maertens bei den Proben vor allem eines vermittelt: die Sicherheit, dass sich das Stück beim Spielen zu entfalten beginnt.
„Auf den ersten Blick enttäuscht"
Denn beim ersten Lesen sei er durchaus skeptisch gewesen, gesteht Maertens: "Auf den ersten Blick war ich irrsinnig enttäuscht: Das ist ja ganz schönes Kasperletheater und hat eine ganz schön grobschlächtige Dramaturgie. Ich fand's etwas einfältig. Und darüber hauen sich die Österreicher dann weg? Aber bei der Beschäftigung öffnet sich das Stück immer mehr. Es bekommt eine ganz andere Dimension und auch eine größere Tiefe. Man merkt, dass diese drei Figuren ganz schön was erleben. Zwei von den Dreien entscheiden sich ja für den liederlichen Weg, eine Art freiwilligen Selbstmord. Zumindest nehmen sie in Kauf, in der Gosse zu landen. Es sind drei Outlaws, die sehr gefährdet sind. Meine Figur ist bei allem Charme und Witz auch bösartig, ein unangenehmer Geselle."
Stück gewinnt immer mehr an Tiefe
Und so habe sich seine Sicht auf "Lumpazivagabundus" bei der Arbeit beträchtlich gewandelt: "Jetzt finde ich das Stück irrsinnig komisch, aber auch wahnsinnig traurig und richtig gruselig. Es wäre gut, wenn man mitbekommt, dass es um Existenzen geht, um Leben und Tod. Und das alles auch noch verbunden mit fantastischer Musik. Die Geilheit des Zwirn, seine Neugier, aber auch sein Angebertum – das ist alles schon im Auftrittslied drinnen." Für den musikalischen Part wird Karsten Riedel mit einer Dreier-Live-Combo verantwortlich sein.
Maertens galt zunächst als der Vielspieler der Burgtheater-Direktion von Matthias Hartmann. Das sei auch an vielen Übernahmen von früher gelegen, erklärt der Schauspieler. "Die ersten drei Jahre habe ich tatsächlich wie ein spielwütiger Vollidiot eine Rolle nach der anderen gespielt." Mittlerweile habe sich das mit ein bis zwei neuen Produktionen in der Saison normalisiert. In Wien eröffnet der "Lumpazivagabundus" am 6. September die neue Saison, und dann wartet ein echter Brocken: Peter Stein inszeniert "König Lear", mit Klaus Maria Brandauer als Lear und Maertens als Narren.
„Brandauer ist eine Ikone"
"Brandauer ist eine Ikone meiner Kindheit, und Stein war wie ein Gott für uns. Da nicht eine gewisse Scheu zu haben, wäre idiotisch. Man könnte sogar Angst dazu sagen, denn wir machen uns ja alle fast in die Hose vor der ersten Probe. Und erleben dasselbe bei der Premiere wieder. Aber das gehört zum Beruf dazu." Doch so groß wie der Respekt ist die Vorfreude. 1994 hat Maertens bei Peter Stein in der Salzburger Felsenreitschule den Octavius in "Antonius und Cleopatra" gespielt. "Er war irrsinnig genervt von den beiden Hauptdarstellern Hans-Michael Rehberg und Edith Clever, die das größte Liebespaar der Welt spielen sollten und das gar nicht vermitteln konnten. Also hat er fast nur mit mir geprobt. Das war toll, wie Schauspielschule. Ich habe viel dabei gelernt. Auf diese Wiederbegegnung freue ich mich sehr - und darauf zu sehen, ob ich neben einem raumverdrängenden Kaliber wie Brandauer bestehen und ihm ein paar Zuschauerblicke abziehen kann..."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
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(Quelle: salzburg24)