Wegen eines neueren, anderslautenden Gutachtens unterbrach Richterin Daniela Meniuk-Prossinger nach knapp einer Viertelstunde die Verhandlung: Der Beschuldigte wird nun zwangsweise vorgeführt.
Verhandlung bis 12.00 Uhr unterbrochen
Die Unterbrechung im Strafprozess zur Salzburger Osterfestspiel-Affäre wurde bis 12.00 Uhr verlängert. Um dem früheren Technischen Direktor der Salzburger Festspiele, Klaus Kretschmer (53), die zwangsweise Abholung durch Polizisten aus der Christian-Doppler-Klinik zu ersparen, bot dessen Verteidiger Leopold Hirsch an, persönlich den Angeklagten zu holen und zum Gericht zu bringen. Diesem Antrag stimmte Richterin Daniela Meniuk-Prossinger zu.
Weniger Glück hatte Hirsch mit einem zweiten Antrag: Er begehrte nämlich weiters, den Prozess gleich in die Klinik zu verlegen. "Verhandlungen finden naturgemäß in Gerichtsgebäuden statt", so die Richterin.
Ist Kretschmer verhandlungsfähig
Ein Gerichts-Sachverständiger hatte im vergangenen April Kretschmer aufgrund seiner psychischen Verfassung eine Vernehmungs-und Verhandlungsunfähigkeit attestiert, und zwar für mindestens sechs Monate, also bis Oktober. Der 53-Jährige befindet sich seit vergangenem Donnerstag in der Christian-Doppler-Klinik, wo er am Sonntag erneut von einer Gerichtssachverständigen untersucht wurde. Diese stellte fest, dass Kretschmer sehr wohl vernehmungs- und verhandlungsfähig sei. Dessen Anwalt Leopold Hirsch legte zwar heute ein Privatgutachten vor, das dieser Ansicht widerspricht, für Meniuk-Prossinger war aber die offizielle Expertise ausschlaggebend: Sie unterbrach die Verhandlung für eine Stunde, um den Angeklagten aus der Klinik zu holen. Dazu Hirsch: Es sei höchst ungewöhnlich, einen Angeklagten aus dem Spital vorzuführen, sagte er zur APA. Weder Kretschmer noch er seien über die Untersuchung am Sonntag informiert worden.
Drei Angeklagte im Osterfestspiel-Prozess
Im Strafprozess wird den drei Angeklagten Untreue und schwerer gewerbsmäßiger Betrug in unterschiedlicher Beteiligung vorgeworfen. Staatsanwalt Michael Schindlauer nimmt einen Gesamtschaden von zwei Millionen Euro an. Tatzeitraum: 2002 bis 2009. Angeklagt sind neben Kretschmer der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele, Michael Dewitte (46), und ein für zwei Zulieferfirmen verantwortlicher Kaufmann (56).
Gesamtschaden von rund 1,5 Millionen Euro
Dem ehemaligen Technischen Direktor und Erstangeklagten wird Untreue und schwerer gewerbsmäßiger Betrug mit einer Gesamtschadenssumme von rund 1,5 Mio. Euro zulasten der Osterfestspiele GmbH und der Salzburger Festspiele vorgeworfen. Darin inkludiert sind etwa 800.000 Euro, die Dewitte "rechtsgrundlos auf verschiedene Konten von Klaus Kretschmer überwiesen" und die Kretschmer dann für sich beansprucht habe, sowie - laut Staatsanwaltschaft - eine unrechtmäßige Provision von 300.000 Euro aus einer Spende des russischen Kunstmäzens Igor Vidyaev für die Osterfestspiele. Das Geld soll Dewitte auf das Konto der "Art & Culture Consulting Limited" mit Sitz in Belize überwiesen haben, die Kretschmer gegründet hat. Um die 300.000 Euro zu parken, habe Kretschmer ein Konto bei der "Yesilada-Bank" in Nordzypern eröffnet.
Gefälschte Rechnung belasten Festspiele
Kretschmer ist mit einem weiteren Vorwurf konfrontiert: Zusammen mit dem drittangeklagten Kaufmann soll er die Salzburger Festspiele durch ungerechtfertigte Rechnungen um 323.853 Euro geschädigt haben. Die beiden hätten vorgetäuscht, dass zwei Veranstaltungstechnik-Firmen, für die der Kaufmann verantwortlich war, leistungswillige Vertragspartner seien. Zu all den Vorwürfen hat der Erstangeklagte bisher keine Stellungnahme abgegeben. Kretschmer war nach Aufliegen des Skandals von einer Brücke gestürzt und schwer verletzt worden.
Dewitte beteuert seine Unschuld
Der zweitangeklagte Dewitte beteuerte bisher seine Unschuld. Ihm wird Untreue mit einem Gesamtschaden von rund 1,6 Mio. Euro vorgeworfen. Als Geschädigte führt die Staatsanwaltschaft die Osterfestspiele GmbH und den Verein "European Art Forum" (EAF) an. Der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele soll ohne Rechtsgrundlage Zahlungen und Überweisungen veranlasst haben, die vor allem sein Gehalt, Reisekosten und Provisionen betreffen. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Johann Eder, untermauerte die Unschuldsbeteuerung mit einem Urteil im Osterfestspiele-Zivilprozess, wonach die Provisionszahlung von 300.000 Euro rechtmäßig gewesen sei.
Bis Dezember sind nahezu 30 Verhandlungstage vorgesehen. Allein die Staatsanwaltschaft hat 51 Zeugen geladen. Dass ein Urteil in dem Strafprozess noch in diesem Jahr gesprochen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. (APA)
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(Quelle: salzburg24)