Der erste Tag war geprägt von Unterbrechungen und einem Geplänkel zwischen Richterin Daniela Meniuk-Prossinger und Kretschmers Verteidiger Leopold Hirsch. Über den Anklagevortrag durch Staatsanwalt Michael Schindlauer und kurzen Gegenäußerungen der drei Verteidiger kam man den ganzen Tag nicht hinaus.
Kretschmer zwangsweise vorgeführt
Zunächst war Kretschmer gleich gar nicht erschienen. Laut einem Gerichtsgutachten von April ist er aufgrund seiner psychischen Verfassung zumindest bis Oktober nicht verhandlungsfähig. Doch am vergangenen Sonntag wurde der Angeklagte, der sich seit der Vorwoche stationär in der Christian-Doppler-Klinik aufhält, unangekündigt erneut begutachtet, und dabei hat ihm die Sachverständige sehr wohl Verhandlungsfähigkeit attestiert. Schon nach wenigen Minuten unterbrach deshalb die Richterin die Verhandlung und kündigte die zwangsweise Vorführung des Beschuldigten durch die Polizei an.
Gehstöcke und Trainingsanzug
Um seinem Mandaten das zu ersparen, bot sich Hirsch an, Kretschmer persönlich aus dem Spital abzuholen, was genehmigt wurde. Zu Mittag erschien dieser schließlich auf zwei Gehstöcke gestützt und im Trainingsanzug im Verhandlungssaal.
Danach trug der Staatsanwalt die Anklage vor. Er warf den drei Beschuldigten Untreue und schweren gewerbsmäßigen Betrug in unterschiedlicher Beteiligung vor. Den Gesamtschaden bezifferte er mit zwei Millionen Euro, als Tatzeitraum nannte er die Jahre 2002 bis 2009. Neben Kretschmer sind der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele, Michael Dewitte (46), und ein für zwei Zulieferfirmen verantwortlicher Kaufmann (56) angeklagt.
Betrug mit rund 1,5 Mio. Euro Schaden
Kretschmer wird Untreue und schwerer gewerbsmäßiger Betrug mit rund 1,5 Mio. Euro Schaden vorgehalten. Ihm werden auch Abgabenhinterziehungen in der Höhe von rund 240.000 Euro angelastet. Laut Anklage soll ihm Dewitte 800.000 Euro "rechtsgrundlos" überwiesen haben. Außerdem soll Kretschmer gemeinsam mit dem angeklagten Kaufmann die Festspiele durch ungerechtfertigte Rechnungen um 323.853 Euro geschädigt haben. Kretschmer war nach Aufliegen des Skandals von einer Brücke gestürzt und schwer verletzt worden.
Provision von 300.000 Euro einkassiert?
Dewitte wird Untreue mit einem Gesamtschaden von rund 1,6 Mio. Euro vorgeworfen. Der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele soll ohne Rechtsgrundlage Zahlungen und Überweisungen veranlasst haben, die vor allem sein Gehalt und Provisionen betreffen. Zudem sollen Dewitte und Kretschmer eine Provision in der Höhe von 300.000 Euro aus einer Spende der Vidyaev-Stiftung an die Osterfestspiele einkassiert haben.
Noch vor der Gegenäußerung der Verteidiger rückte wieder Kretschmers Verfassung in den Mittelpunkt. "Ich habe das nicht verstanden, ich kann den Zusammenhang der Anklage nicht verstehen", sagte er mit heiserer Stimme. "Was haben Sie nicht verstanden", wollte Meniuk-Prossinger wissen. "Die Worte und den Inhalt. Ich kann den Worten nicht folgen", so der Beschuldigte. Und dessen Anwalt: "Erklären Sie einem nicht verhandlungsfähigen Menschen 81 Seiten." Sein Mandant sei hier heute nur physisch anwesend, sagte Hirsch.
Kretschmer rastet in Krankenzimmer
Nach nicht einmal zwei Stunden Prozessdauer beantragte Hirsch die Vertagung der Verhandlung. Das Gericht gab dem Ansuchen aber nicht statt. Wenig später meldete sich erneut Kretschmer zu Wort und gab an, nicht mehr sitzen zu können: Eine neuerliche Unterbrechung folgte, um ihm eine halbe Stunde Rast im Krankenzimmer zu ermöglichen. Anschließend nahm sein Verteidiger in seiner Gegenäußerung nur zu der 300.000 Euro-Provision Stellung. Diese habe weder gegen das Gesetz noch gegen die guten Sitten verstoßen, verwies der Anwalt auf das Urteil im Osterfestspiele-Zivilprozess.
Keine Angaben über Schuld oder Unschuld
Auf die Frage der APA, warum er keine weiteren Angaben zu den Vorwürfen gemacht hat, antwortete Hirsch: Er habe mit dem Angeklagten aufgrund seiner Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit die Anklage nicht durchgehen können. Deshalb könne er über Schuld oder Unschuld keine Angaben machen.
Dewitte wird sich „nicht schuldig" bekennen
Der Verteidiger des zweitangeklagten Michael Dewitte, Rechtsanwalt Johann Eder, erklärte, dass sich sein Mandant nicht schuldig bekennen werde. Alle Gehalts- und Provisionszahlungen seien rechtmäßig erfolgt. "Dewitte hat keinen wissentlichen Befugnismissbrauch begangen", betonte Eder. Der Verteidiger des dritten Angeklagten, Rechtsanwalt Clemens Endl, sagte gegenüber der APA, sein Mandant übernehme Verantwortung, er kam aber am Dienstag nicht mehr zu Wort - Kretschmer hatte sich wieder bemerkbar gemacht. "Mir ist schlecht, ich habe Kreislaufschwierigkeiten, ich kann nicht folgen." Hirsch Verteidiger warf der Vorsitzenden vor, dass Kretschmer seit dem Frühstück keine Nahrung mehr bekommen habe. Ob das denn eine behutsame Verhandlungsführung sei? "Ich appelliere an ihr humanitäres Gewissen", sagte der Anwalt zu Meniuk-Prossinger.
Verhandlung auf Donnerstag vertagt
Die Richterin vertagte die Verhandlung auf Donnerstag um 9.00 Uhr. Sie bot Kretschmer den Rücktransport ins Spital mit einem Rettungsauto an. Der Angeklagte nahm das Angebot an.Bis Dezember sind nahezu 30 Verhandlungstage vorgesehen. Allein die Staatsanwaltschaft hat 51 Zeugen geladen. Dass ein Urteil noch in diesem Jahr gesprochen wird, gilt als unwahrscheinlich. (APA)
Bildergalerien
Bildergalerien
(Quelle: salzburg24)