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GRÜNE: "Alle Parteien müssen sich an der Nase nehmen"

Simon Heilig-Hofbauer im Interview mit SALZBURG24-Chefredakteurin Nicole Schuchter. 
Veröffentlicht: 03. November 2022 16:15 Uhr
Seit fast zehn Jahren sind die Grünen Teil der Salzburger Landesregierung – und wollen es bleiben. Wie das in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit gelingen soll und wie viel Geld man dafür in die Hand nehmen will, verrät uns der Grüne Landesparteigeschäftsführer Simon Heilig-Hofbauer.
SALZBURG24 (nic)

Mitten in einer Zeit multipler Krisen wird in Salzburg in weniger als einem halben Jahr neu gewählt. Im Vorfeld des Wahlkampfes haben wir die jeweiligen Landesgeschäftsführer der im Landtag vertretenen Parteien zum Interview gebeten. Nach Nikolaus Glaser von den NEOS kommt im zweiten Teil unserer Serie Simon Heilig-Hofbauer von den Grünen zu Wort.

SALZBURG24: Sie sind seit Oktober 2020 Landesgeschäftsführer der Salzburger Grünen, also mitten in der Corona-Krise in diese Funktion eingestiegen – was war denn bislang die größte Herausforderung für Sie?

Die Krisen sind vielfältig – leider. Die Pandemie hat nicht nur uns als Partei, sondern auch die Gesellschaft massiv gefordert. Wir hatten dann den Ukraine-Krieg, die Teuerung, die Energiekrise – das sind politisch herausfordernde Dinge. Auch kein Geheimnis ist, dass wir mit dem Wechsel an der Parteispitze parteiintern Herausforderungen gehabt haben. Aber ich glaube, das haben wir gut gemeistert.

Zu den parteiinternen Lösungen und zum Wechsel kommen wir ein bisschen später natürlich noch. Wie würden Sie denn aktuell die Stimmung in der Landesorganisation beschreiben?

Die Stimmung ist gut und wir werden mit einer neuen Spitzenkandidatin und viel Motivation in die Wahl gehen. Ich spüre eine große Geschlossenheit und wir merken, dass die Mitglieder Martina Berthold, die von der Stadtregierung ins Land wechselt, stark unterstützen. Ansonsten ist es wie das Spiegelbild der Gesellschaft – auch unsere Mitglieder, unsere Gemeindevertreter:innen, die Leute, die bei uns Funktionen haben, sind von den externen Herausforderungen genauso geplagt wie jeder andere auch. Es gibt gewisse Ermüdungserscheinungen, eben nicht anders als im Rest der Gesellschaft auch.

Mit dem Rücktritt von Heinrich Schellhorn nach dem Senecura-Pflegeskandal wechselt nun Martina Berthold ins Land – wieder muss man sagen, denn sie war ja bereits zwischen 2013 und 2018 Landesrätin. Was kann bzw. wird Berthold anders machen als Schellhorn?

Stimmt – und das war auch ein wesentlicher Grund für die Entscheidung, dass sie das nochmal machen soll. Sie war fünf Jahre in der Landesregierung, jetzt drei Jahre in der Stadtregierung. Das heißt, sie kennt sich mit Regierungsfunktionen aus. Sie ist durchaus krisenerprobt, hat 2015 etwa die Flüchtlingskrise managen müssen. Was sie anders machen wird, wird man in der Praxis sehen. Sie ist von der Persönlichkeit sicher ein anderer Typ als Heinrich Schellhorn. Ihre Stärken sind, dass sie sehr offen auf Menschen zugehen kann, dass sie eine sehr herzliche Person und auch eine gute Netzwerkerin ist, sehr viele Leute im Land und auch die Landesverwaltung gut kennt, weil sie auch aus dieser kommt.

Wie ist aktuell die Beziehung zu den Bundes-Grünen und Werner Kogler?

Wir sind grundsätzlich in gutem Austausch und in einer engen Abstimmung. In den letzten Jahren hat sich hier eine gute Zusammenarbeit ergeben.

Im April nächsten Jahres wird der Landtag neu gewählt, der Wahlkampf hat bereits begonnen. Wann starten die Grünen in die heiße Phase?

Es ist nicht zu übersehen, dass schon große Plakatflächen gebucht sind. Wir werden vermutlich sechs Wochen vor der Wahl in den Intensivwahlkampf starten. Bis dahin wird unser Fokus nicht auf der Kampagne liegen, sondern im Arbeiten. Denn wir brauchen Lösungen für die vorher angesprochenen Krisen.

Zur Wahlkampfstrategie: Werden eher Themen oder Personen im Mittelpunkt stehen?

Soweit sind wir noch nicht, aber es wird immer eine Verbindung von Person und Thema sein. Wir werden erst relativ knapp vorher final festlegen, in welche Richtung es geht und was dann auf dem Plakat zu sehen ist. Es wird mit Martina Berthold natürlich eine Kampagne sein, wo sie im Mittelpunkt steht und die Themen, die ihr wichtig sind.

Weil Sie die Plakate gerade angesprochen haben, welche Kanäle will man zu dem bedienen?

Das ist sicher vielfältiger geworden als das vor zehn oder 15 Jahren war, weil die Kanäle, die zu bespielen sind, einfach mehr geworden sind – nur schon, wenn man an den digitalen Bereich denkt. Wenn man mit den Menschen in Kontakt kommen will, geht es ohne Social Media nicht. Wir werden neben Online sicher einen Schwerpunkt auf Außenflächen, nämlich Plakatkleinflächen, setzen. Diese sind für uns als kleine Partei finanziell ein vergleichsweise günstigeres Werbemittel. Und dass man im Land unterwegs ist und verschiedene Veranstaltungen besucht, das ist ja nichts, das sich auf einen Kampagnenzeitraum beschränkt, sondern tägliche Arbeit.

Wie viel lassen sich die Grünen den Wahlkampf kosten – und gibt es eine Obergrenze?

Wir haben 2018 ein Budget von 450.000 Euro gehabt, das wird jetzt nicht sehr viel darüber liegen, inflationsbereinigt wahrscheinlich eher darunter. Das ist der Rahmen, der uns zur Verfügung steht und den wir nutzen werden. Sparen ist jedenfalls angesagt. Wir haben in Salzburg auch die Parteienförderung 2018 eingefroren. Das heißt, es gibt seit 2018 dieselben Budgets, und die Inflation ist in den letzten Monaten nicht weniger geworden. Die Parteien haben real jetzt sicher zehn, 15, 20 Prozent weniger als das noch vor fünf Jahren der Fall war. Die Personalkosten steigen, alle Werbemittel kosten mehr, auch da werden wir auf reduzierte Mittel setzen und keine großen Wahlgeschenke verteilen.

Bei der Landtagswahl 2018 sind die Grünen gerade mal auf 9,3 Prozent gekommen, im Vergleich zu 2013 hat man das Ergebnis halbiert. Wie lautet das Ziel für 2023?

2018 war immer noch das zweitbeste Ergebnis in Salzburg, das wir je hatten. 2013 war das Ergebnis überdurchschnittlich. Unser Ziel ist, dass wir das Ergebnis vom letzten Mal ausbauen. Schön wäre, wenn wir wieder zweistellig werden.

Ist die neuerliche Regierungsbeteiligung auch ein Ziel?

Natürlich. Das ist ganz klar. Unser Ziel ist es, dass wir für die Politik, für die wir antreten, auch ein Mandat in der Regierung bekommen, sodass wir diese Politik auch umsetzen können. Das ist unser Anspruch und dafür werden wir auch in der Kampagne werben.

Was muss Ihrer Meinung nach gute Regierungsarbeit können?

Gute Regierungsarbeit braucht Fachwissen und Ausdauer, Verhandlungsgeschick, Fingerspitzengefühl, ein offenes Ohr für die Bevölkerung und gute Zusammenarbeit. Ohne dem geht es nicht. Wir sind in einer Situation, in der die großen politischen Mehrheiten Geschichte sind. Wir haben nicht mehr die Großparteien, sondern mehrere Klein- und Mittelparteien. Insofern wird es immer wichtiger, Kompromisse zu finden und Allianzen zu schmieden.

Was muss Ihrer Meinung nach eine Landeshauptfrau, ein Landeshauptmann für das Amt mitbringen?

Auch das braucht Ausdauer und es braucht breites Wissen. Es sind auch Managementkompetenzen, die es braucht. Das betrifft aber nicht nur einen Landeshauptmann oder eine Landeshauptfrau, sondern alle Regierungsmitglieder. Man muss sich in kurzer Zeit in gewisse Themenbereiche einarbeiten können und man muss wissen, auf wen man sich verlassen, oder wen man zurate ziehen kann. Und man sollte schon auch die Eigenschaft haben, sich nicht nur im Büro zu verschanzen, sondern auch draußen unterwegs zu sein.

Sind Sie demnach mit dem jetzigen Landeshauptmann zufrieden?

Wir haben eine Koalition seit neuneinhalb Jahren. Wir haben diese neuneinhalb Jahre gut zusammengearbeitet, auch viele Krisen gemeinsam gemeistert. Insofern gibt es eine sehr intakte Arbeitsbasis.

Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2018 in Salzburg war auf einem historischen Tiefstand (64,96 Prozent). Was können diesmal alle wahlwerbenden Parteien zusammen tun, um die Menschen zu mobilisieren?

Ich gehe davon aus, dass wir auch in Salzburg wieder eine steigende Wahlbeteiligung haben, weil die Salzburgerinnen und Salzburger auch mitbestimmen wollen, wie es mit dem Land weitergeht. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass das mit der Wahlbeteiligung kein Problem ist.

Und dennoch, die Politikverdrossenheit nimmt zu – vor allem bei den jungen Menschen? Was ist schiefgelaufen?

Da muss man differenzieren. Der Wunsch, sich an Politik zu beteiligen, eine Stimme abzugeben, der nimmt wieder zu. Und dass es in der Bevölkerung Unzufriedenheit gibt, ist in Zeiten der multiplen Krisen auch wenig verwunderlich. Wir haben eine Situation, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Die Inflation war zuletzt so hoch, wie vor 50 Jahren, dazu die Flüchtlingskrise, der Ukraine-Krieg, die Klimakrise. Das sind Themen, die einen ein Stück weit überfordern und erschlagen können. Ich kann das gut verstehen und es ist auch psychisch eine Herausforderung, sich täglich mit diesen existenziellen Fragen zu beschäftigen. Die Herausforderung für die Politik ist, – und zugegeben gelingt das nicht immer – dass man in solchen Situationen den Schulterschluss sucht, und versucht, gemeinsam Lösungen zu finden. Leider ist es so, dass auch die politischen Gräben zum Teil sehr tief sind und man dann noch mehr in die Auseinandersetzung geht. Das Ergebnis ist, dass die Menschen weder mit der Regierung noch mit der Opposition zufrieden sind. Und wenn man sich die Umfragedaten anschaut, merkt man, dass eine Mehrheit mit dem politischen System insgesamt unzufrieden ist. Wenn das Vertrauen in eine Demokratie und den Rechtsstaat verschwindet, dann wird der ja auch angreifbar. Unser Modell ist eine offene Gesellschaft, die auf Werten der Demokratie fußt und dafür müssen wir gemeinsam einstehen und dafür müssen sich auch alle Parteien an der Nase nehmen, dass man da das Gemeinsame sucht und nicht das Trennende.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Quelle: salzburg24)

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25.04.2023
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Von Thomas Pfeifer
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