Interview-Reihe zur LTW23

NEOS: "Wir sind nicht regierungsgeil"

Nikolaus Glaser, Landesparteigeschäftsführer der NEOS, im Interview mit Chefredakteurin Nicole Schuchter.
Veröffentlicht: 02. November 2022 16:38 Uhr
Die NEOS sind seit viereinhalb Jahren Teil der Salzburger Landesregierung. Und das will man auch in Zukunft bleiben, aber nicht um jeden Preis. Zum Auftakt unserer Interview-Serie mit den Landesgeschäftsführern erklärt uns Nikolaus Glaser, warum die Pinken den Diskurs einer dauerhaften Harmonie vorziehen.

Mitten in einer Zeit multipler Krisen wird in Salzburg in weniger als einem halben Jahr neu gewählt. Im Vorfeld des Wahlkampfes haben wir die jeweiligen Landesgeschäftsführer der im Landtag vertretenen Parteien zum Interview gebeten. Den Anfang des Reigens macht Nikolaus Glaser von den NEOS.

SALZBURG24: Sie sind erst sehr kurz Landesgeschäftsführer der NEOS, seit Februar dieses Jahres – was war denn die bislang größte Herausforderung für Sie?

NIKOLAUS GLASER: Ich glaube, die größte Herausforderung in Zeiten wie diesen ist es, strategisch zu planen. Denn es kommen tagtäglich Herausforderungen auf uns zu, die werden überschattet von globalen Krisen, Teuerung, Klimakrise und dem Angriffskrieg auf die Ukraine.

Und eine kleine interne Krise war zu Beginn auch schon dabei. (Klubchef Josef Egger wechselt nach internen Streitereien zur ÖVP, die NEOS verlieren die Klubstatus, Amk.)

Umstrukturierung würde ich es nennen. Es hat jeder die Möglichkeit, dass er sein Mindset verändert. Es war für uns kein Konflikt, man hat sich einfach wie in einer Beziehung auseinander gelebt. Und politische Tendenzen zum Mitbewerber hin hat es schon in den Wochen davor gegeben.

Sie kommen aus dem Kommunikationsbereich, haben unter anderem für Servus TV gearbeitet. Warum der Wechsel in die Politik?

Wenn man aus dem Medienbereich kommt, bekommt man viele Inhalte aus der Politik mit und mein Ansatz war immer, Lösungen anzubieten. Ich habe gesehen, dass sich bei den NEOS in Salzburg viel Gutes tut und dass auch in der Regierungsverantwortung viel weitergeht. Das wollte ich durch mein Wissen unterstützen und meine Kompetenz einbringen.

Wie würden Sie die aktuelle Stimmung in der Landesorganisation beschreiben?

Fokussiert. Das ist das erste Wort, das mir dazu gerade einfällt. Denn es gibt große Herausforderungen. Wir sind in einer Situation, in der die Teuerung alles andere inhaltlich überschattet. Als Organisation stehen wir gerade an dem Punkt, wo wir entscheiden müssen, welche Lösungsansätze das Land braucht. Ziel ist es natürlich, bei der nächsten Landtagswahl zu wachsen.

Zur Landtagswahl kommen wir später. Vorher möchte ich noch gerne wissen: „Wir bewegen Salzburg“ – steht als Claim ganz groß auf der Salzburger NEOS-Webseite. Wo genau ist denn diese Bewegung zu sehen?

Ich glaube, dass wir Salzburg in vielen Aspekten bewegen – wir sehen es in der politischen Verantwortung von Andrea Klambauer. Wir bringen ambitionierte und innovative Lösungsansätze, sei es im Wohnbau, der Kinderbetreuung oder der Elementarpädagogik. Da tut sich sehr viel und auch spürbar. Organisatorisch bewegen wir Salzburg mit verschiedenen Veranstaltungen. Wir laden Mitglieder aber auch alle Interessierten in regelmäßigen Abständen immer wieder zu unseren Afterworks ein. Und ich glaube, die Bewegung ist dahingehend, dass wir nicht unbedingt Stabilität mit Stillstand verwechseln, sondern auch wirklich fortschrittlich arbeiten möchten.

Im April nächsten Jahres wird der Landtag neu gewählt, der Wahlkampf hat bereits begonnen. Wann starten die NEOS in die heiße Phase?

Die wirklich heiße Phase des Wahlkampfes ist für mich ein Illusorium. Man muss fünf Jahre gut arbeiten, egal ob Regierung oder Opposition, um wieder gewählt zu werden, um zu wachsen. Die heiße Phase des Wahlkampfes ist für die Menschen übersetzt das, wo die Plakate in der Stadt hängen, wo Werbung geschaltet wird. Der Mitbewerb ist im Wahlkampf schon seit mehreren Monaten mit dem Branding beschäftigt – das ist nicht unser Anspruch. Unsere Plakatphase geht im Frühjahr los. Unsere Ambition ist, dass wir jetzt schon viel arbeiten, die Leute informieren und in den Austausch gehen. Wir gehen hinaus zu den Unternehmer:innen, in die Kindergärten und sprechen dort mit den Menschen.

Plakate wird es dennoch geben, das haben Sie ja auch gerade gesagt. Welche Kanäle sind denn sonst noch interessant?

Ich glaube, der Mix macht es. Man geht im Wahlkampf werben, weil man die Informationspflicht hat. Und das bedeutet für uns, dass wir alle Bürger:innen in Salzburg mit Information abholen wollen. Natürlich ist Social Media ein Thema. Aber gerade Social Media hat sich in den letzten zweieinhalb, drei Jahren durch Corona in der Tonalität und Glaubwürdigkeit drastisch verändert. Wenn wir online Werbung schalten, wollen wir einen Mehrwert haben und mit den Menschen in Kontakt kommen. Das Social-Media-Ad oder das Plakat wird die Wahl nicht gewinnen. Es wird die beste Idee Zuspruch finden, und da sind wir guter Dinge, dass uns das gelingt.

Die SPÖ hat zum Beispiel einen TikTok-Kanal, wäre das eine Idee für die NEOS?

Ja, wir schauen uns TikTok an. Es ist die Relevanz gegeben, aber wir sehen auch, dass es bei den Salzburger:innen ein glaubwürdiges Medium braucht. Das heißt, TikTok wird sicher auch eine Rolle spielen, doch die großen Thematiken können immer besser mit einem qualifizierten Partner aus den Medien aufgearbeitet werden.

Wie viel lassen sich die Salzburger NEOS den Wahlkampf kosten – und gibt es eine Obergrenze?

Das ist wenig überraschen bei uns kein Geheimnis. Was wir seit Jahren fordern, egal in welchem Bundesland, ist die Offenlegung. Wir werden uns den Wahlkampf das kosten lassen, was wir für angemessen halten. Ich kann Ihnen jetzt noch keine genaue Zahl sagen, aber ich kann Ihnen eine Einschätzung sagen, die wir teilen: In Zeiten, wo alles teurer wird, wo wir andere Sorgen haben und wo wir mit Steuergeld noch effizienter arbeiten müssen als sonst, ist ein Euro pro Bürger im Land wirklich ausreichend, um seine Ideen in die Auslage zu stellen.

Das wäre dann in Salzburg eine gute halbe Million.

Ja, genau eine halbe Million für den Wahlkampf.

Bei der Landtagswahl 2018 haben die NEOS 7,3 Prozent abgeholt, das sind in absoluten Zahlen gerade mal 18.000 Stimmen. Wie lautet das Ziel für 2023?

Das Ziel ist jedenfalls Zuwachs zu erlangen. Im Vergleich zu Tirol sehen wir, dass das Tiroler Ergebnis ein sehr gutes ist, weil wir dort 25 Prozent der Stimmen gewonnen haben. In Zeiten extremer Positionierungen, egal ob regional, national oder international, ist jeder Zuwachs für ein liberales Gedankengut ein Gewinn.

Weiter in der Regierung zu bleiben wird wahrscheinlich schon ein Ziel sein?

Ziel ist es, für Salzburg die beste Arbeit zu machen. Wir sind aber nicht regierungsgeil – im Sinne, koste es was es wolle, dass wir in eine Regierung kommen. Es gibt Sachen, wo wir nicht mitkönnen. Es braucht eine klare Linie und uns ist wichtig, die beste Arbeit zu leisten. Natürlich würden wir gerne wieder in eine Regierung gehen, aber das kommt auch auf die Haltung und den Anspruch des politischen Mitbewerbs an.

Was muss Ihrer Meinung nach gute Regierungsarbeit können?

Partizipieren in erste Linie. Man darf nicht die Bodenhaftung verlieren und man muss die Bedürfnisse der Bevölkerung wahrnehmen. Es sind alle in Regierungsfunktion dazu aufgerufen, die bestmöglichen Ideen zu bringen. Und das geht entweder, dass man sich auch mal Experten mit ins Boot holt oder in den Dialog geht. Mein Wunschgedanke ist, dass man im Austausch bleibt, dass man nicht in dieses alte Denken rein darf, was ist Opposition, was ist Regierung, sondern, dass die beste Idee zählen muss.

Und was muss ein Landeshauptmann, eine Landeshauptfrau Ihrer Meinung nach für das Amt mitbringen?

Geduld und Profil. Wenn ich mir die aktuelle Situation anschaue, braucht es Stabilität, um Fortschritt zu gewährleisten. Es darf aber nicht in Stillstand ausarten.

Haben Sie das Gefühl, dass es in Salzburg zu viel Stillstand gibt?

Ich glaube, wir haben eine gute und kräftige Koalition. Wir bringen viel voran. Ab und zu würde ich mir ein bisschen mehr Mut wünschen und weniger das Couleur-Denken im Hintergrund.

Die Wahlbeteiligung 2018 bei der Wahl in Salzburg war auf einem historischen Tiefstand (64,96 Prozent). Was können die wahlwerbenden Parteien insgesamt tun, um die Menschen zu mobilisieren?

In erster Linien gute Idee und Lösungen anbieten. Wenn man eine Wahlbeteiligung auf die Motivation der Menschen übersetzt, bedeutet das einen gewissen Frustrationsgrad und eine Alternativlosigkeit. Ich glaube, dass wir 2018 eine starke Alternative geboten haben und das auch jetzt noch bieten. Wir sehen, dass viele Personen sich gar nicht mehr mit der Politik auseinandersetzen möchten, weil es Korruptionsskandale gibt. Und ich sage Ihnen, auch wir sind angefressen. Politik ist unser Job, den wir gerne machen und er wird von Menschen überschattet, die einfach keinen Anspruch mehr an sich selbst und an den Job haben.

Woher kommt die zunehmende Politikverdrossenheit?

Wie schon erwähnt, ich glaube, dass diese Skandale und das ständige Streitgehabe viel zu beiträgt. Der Mensch ist grundsätzlich harmoniebedürftig. Harmonie ist kurzfristig auch schön. Aber ein guter Diskurs ist immer wichtig, um Fortschritt und Innovation zu gewährleisten. Was man den Menschen mitteilen muss, sind Lösungsansätze. Wir müssen die Botschaften weiter herunterskalieren. Die Leute erwarten sich individuelle, maßgeschneiderte Lösungen, die man auch versteht. Dazu muss sich aber eine Partei öffnen und wirklich mit den Menschen reden wollen.

(Quelle: salzburg24)

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