Der mutmaßliche Amok-Schütze von Graz ist laut Innenministerium ein 21-jähriger Österreicher aus Graz-Umgebung. Er handelte nach bisherigem Ermittlungsstand alleine. Der junge Mann war selbst einmal Schüler in dem Gymnasium. Er hat allerdings die Schule abgebrochen. Die Gründe dafür sind noch unklar. Auch über das Motiv kann derzeit noch nichts gesagt werden. In Medienberichten ist von Mobbing die Rede. Der Mann trat bisher nicht in polizeiliche Erscheinung, es gab keine Vormerkungen. Der 21-Jährige begeht auf einer Schultoilette Suizid.
Ein Fünftel fühlt sich wiederholt schikaniert
Rund ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler fühlt sich wiederholt schikaniert. Das zeigt die letzte PISA-Studie aus dem Jahr 2022 – insgesamt gaben dabei 20 Prozent der 15- bzw. 16-jährigen Mädchen und 23 Prozent der Burschen an, zumindest ein paar Mal pro Monat Opfer von Bullying zu werden. Andere Untersuchungen mit etwas anderen Fragestellungen und anderen Altersgruppen zeigen leicht abweichende Zahlen.
Regelmäßig erheben die PISA-Studien Zahlen zu Bullying an den Schulen. Nach dem eigentlichen PISA-Test werden in zusätzlichen Fragebögen auch sogenannte Kontextfaktoren erhoben - in diesem Fall zum Wohlbefinden an der Schule. Über die Jahre hat demnach die Häufigkeit von Bullying zugenommen, gegenüber der vorletzten Studie 2018 wurde zuletzt allerdings wieder eine leichte Abnahme registriert. Im OECD-Vergleich liegt Österreich in etwa im Schnitt.
Mobbing kein Einzelfall an Schulen
Zu etwas anderen Zahlen kam zuletzt die Health Behaviour in School-aged Children Study (HBSC) der WHO für das Schuljahr 2021/22. Je nach Schulstufe (befragt wurden Kinder der Schulstufen 5, 7, 9 und 11 - also 10- bis 17-Jährige) gaben zwischen drei und zwölf Prozent der Mädchen und zwischen vier und 13 Prozent der Burschen an, in den letzten Monaten mehrmals in der Schule gemobbt worden zu sein. Rund zwei Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Schüler outeten sich umgekehrt als Mobbing-Täter.
In dieser Studie war der Trend anders: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die sich als Mobbing-Opfer oder Mobbing-Täter bezeichnen, ist demnach zwischen 2010 und 2018 deutlich zurückgegangen und seither gleichgeblieben. Zugenommen hat dagegen das sogenannte Cybermobbing: Je nach Schulstufe zwischen acht und 13 Prozent der Jugendlichen wurden in den letzten Monaten zumindest einmal Opfer.
Aus einer anderem Perspektive beschreibt die TALIS-Studie der OECD das Thema Bullying: Hier werden Lehrkräfte und Schuldirektionen befragt. Bei der letzten Erhebung 2018 gaben 15 Prozent der Direktoren an, dass es an ihren Schulen zumindest wöchentlich zu "Bullying"-Vorfällen bzw. anderen verbalen Angriffen unter ihren Schülerinnen und Schülern kommt. Das liegt ziemlich genau im OECD-wie EU-Schnitt (jeweils 14 Prozent).
Was kann Mobbing erkannt werden?
Bei Mobbing handelt es sich um eine spezielle Form von gewalttätigem Verhalten, bei dem eine oder mehrere Personen beabsichtigen, eine andere zu schädigen. Die Handlungen erfolgen wiederholt, systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg. Zudem gibt es ein Machtungleichgewicht zwischen Täter und Opfer, und die Betroffenen fühlen sich hilflos, heißt es auf der Website des Bildungsministeriums.
Nicht jede Form von Gewalt und aggressivem Verhalten ist demnach Mobbing. Bullying, wie das Phänomen im angloeuropäischen Raum genannt wird, gibt es in allen Altersgruppen, ist im Leitfaden "Mobbing an Schulen" des Bildungsministeriums aus dem Jahr 2018 zu lesen. Dass an Schulen gemobbt wird, sei kein neues Phänomen, bekäme aber zunehmend starke gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit. In Österreich berichteten mehr als 21 Prozent der 15-Jährigen über häufiges Bullying in der Schule, wie aus einer im Mai veröffentlichten Analyse von UNICEF Innocenti - Global Office of Research and Foresight mit Daten von 2018 bis 2022 hervorgeht.
Verschiedene Formen
Das gewalttätig-aggressive Verhalten kann laut Leitfaden des Bildungsministeriums verschiedene Formen haben. Physisches Mobbing ziele darauf ab, Opfer körperlich zu verletzen. Zum verbalen Mobbing zählen mündliche Attacken wie Beschimpfungen, verbale Drohungen, gemeine Kommentare oder auch, wenn sich Täter über ihr Opfer lustig machen.
Von indirektem Mobbing spricht man demnach, wenn Gerüchte verbreitet oder eine Person aus einer Gruppe hinausgeekelt wird, auch jemanden ignorieren zählt dazu. Sexistisches Mobbing meint Belästigungen oder abwertende Kommentare, die auf das Geschlecht bezogen sind. Beim Cybermobbing verschieben sich die gewalttätigen Handlungen ins Internet, heißt es weiter.
Was sind Ursachen für Mobbing?
Die Gründe, warum jemand zum Bully wird - also die Initiative zum Mobben ergreift und die Führungsrolle in der Gruppe übernimmt - sind vielschichtig. Das Ausleben von Machtgefühlen, Statuserhöhung in der Gruppe oder auch eine empfundene Provokation können Auslöser sein. Aber auch Langeweile, Spaß, Rache oder eigene Mobbingerfahrungen werden als Ursachen genannt. Zudem könne das gewalttätige Verhalten einen diskriminierenden ideologischen Hintergrund haben. So würden Minderheiten wie beispielsweise LGBTQIA-Jugendliche öfter zum Opfer. Schüler mit Migrationshintergrund werden häufig wegen ihrer Sprache oder Herkunft gemobbt, so der Leitfaden.
Beim Bullying gibt es neben Tätern und Opfern meist weitere beteiligte Personen. Assistenten unterstützen den Bully und beteiligen sich aktiv; Verstärker sehen zu, lachen und befeuern somit die Handlungen des Bullys. Verteidiger stehen dem Opfer zur Seite, während Außenseiter sich aus der Situation heraushalten. Lehrkräfte haben nicht nur die Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit der Schüler, sondern auch eine Vorbildwirkung: Ihre Reaktion auf Gewalttaten würde von den Kindern und Jugendlichen genau wahrgenommen, heißt es im Leitfaden.
Aggressives Verhalten mit weitreichenden Folgen
Unbehandeltes aggressives Verhalten in Schulen kann für die Opfer weitreichende Folgen haben. Diese können von Ängsten und körperlichen Beschwerden, über Verlust des Selbstwertgefühls bis hin zu Depressionen oder sogar Suizidgedanken bzw. Suizid reichen. Doch auch für Täterinnen und Täter gibt es mögliche Konsequenzen, wie aggressiv-dissoziale Verhaltensweisen, Straffälligkeit in späteren Jahren oder Ablehnung von Gleichaltrigen. Sowohl bei Tätern als auch bei Opfern können mit Leistungsabfall oder Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch zu kämpfen haben.
Darüber hinaus habe Bullying negative Auswirkungen auf Lernleistungen und Sozialverhalten aller Schülerinnen und Schüler. Es könne zum Beispiel dazu führen, dass Eigenschaften wie Zivilcourage und Empathie nicht erlernt werden.
(Quelle: apa)