SOS-Kinderdorf hat am Standort Altmünster (OÖ) die Standortleitung vorübergehend freigestellt und eine interne Prüfung eingeleitet. Hintergrund ist der Fall eines bisher nicht bekannten Betroffenen, der von Übergriffen in den 1980ern und 1990ern berichtet. Konkret geht es um Vorwürfe gegen drei Personen: Die schwereren Anschuldigungen betreffen demnach ehemalige Mitarbeitende, zu denen bereits andere Fälle bekannt waren, die weniger gravierenden die aktuelle Standortleitung.
Betroffener berichtet von körperlichen Übergriffen
Der Betroffene hatte sich beim ORF gemeldet und angegeben, in den 1980er- und 1990er-Jahren in Altmünster wiederholt „körperlichen Übergriffen, entwürdigenden Situationen sowie einem Klima unzureichender Intervention bei sexueller Gewalt“ ausgesetzt gewesen zu sein, teilte SOS-Kinderdorf mit. Er berichtete auch von einem sexuellen Übergriff im Umfeld des Standorts.
Es handle sich um – schwerwiegende – Vorwürfe gegen zwei Betreuungspersonen, die schon lange nicht mehr in der Einrichtung tätig seien, hieß es seitens SOS-Kinderdorf, aber auch um – wenn auch weniger gravierende – Vorwürfe gegen die aktuelle Standortleitung. Dieser würden demnach unsachgemäße bzw. entwürdigende Umgangsformen und vereinzelte körperliche, aber keine sexuellen Übergriffe vorgeworfen.
Prüfung von SOS-Kinderdorf in Altmünster angeordnet
Eine interne Prüfung wurde angeordnet. Bereits am 16. Oktober – dem Tag, an dem man durch die ORF-Recherche von den Vorwürfen erfahren habe – sei die aktuelle Standortleitung freigestellt und eine interimistische Leitung eingesetzt worden. Es handle sich um eine Standardmaßnahme zur unbeeinflussten und unabhängigen Prüfung und sei keine Vorverurteilung, wurde betont, es gelte die Unschuldsvermutung. Dem Betroffenen habe man Unterstützung und die Teilnahme am Opferschutzverfahren angeboten.
Im Zuge des Bekanntwerdens der Vorwürfe, die juristisch verjährt sein dürften, wurde von SOS-Kinderdorf auch zu den beiden Hauptbeschuldigten recherchiert. Dabei stellte sich heraus, dass es zu ihnen bereits drei bekannte Fälle aus dem Zeitraum von den 1960ern bis zu den frühen 1990er-Jahren gibt, die im Rahmen des Opferschutzverfahrens anerkannt wurden. Den Opfern wurden damals Anerkennungsleistungen und Therapien zugesprochen. Aus den Akten ergebe sich auch, dass damals Konsequenzen gesetzt worden seien, einzelne arbeitsrechtliche Schritte wie zum Beispiel einvernehmliche Trennungen, die aber aus heutiger Sicht nicht ausreichend gewesen seien.
Alle Kinderdörfer in Oberösterreich vor Prüfung
Der für Jugendschutz zuständige Landesrat Martin Winkler (SPÖ) hat als Reaktion die Kinder- und Jugendhilfe mit einer „umfassenden Vor-Ort-Sonderprüfung aller SOS-Kinderdorf-Standorte in Oberösterreich“ beauftragt. „Wir müssen uns selbst ein umfassendes Bild der Lage machen, da wir der Informationspolitik von SOS-Kinderdorf Österreich nicht vollumfänglich vertrauen können“, begründete er den Schritt. Zudem habe er die Kinder- und Jugendanwaltschaft gebeten, weiterhin allen Betroffenen ein niederschwelliges Gesprächsangebot zur Verfügung zu stellen.
Bereits seit September – als die ersten Fälle medial bekannt wurden – fanden Fachaufsichten vor Ort statt, zudem werden sämtliche Aufsichtsberichte der letzten 15 Jahre detailliert überprüft, erläuterte Winkler. „Betroffene können sich sowohl bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie bei der Kinder- und Jugendhilfe melden. Hinweise und Beschwerden werden ernst genommen, systematisch geprüft und – wo notwendig – unverzüglich Maßnahmen gesetzt“, egal ob es sich um historische oder aktuelle Fälle handle, betonte der Landesrat.
(Quelle: apa)






