Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Samstagabend nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ seinen Rücktritt als Kanzler und ÖVP-Chef "in den nächsten Tagen" angekündigt. Er werde dabei einen geordneten Übergang ermöglichen, sagte er in einem via Social Media verbreiteten Statement. Die Schuld für das Ende der Regierungsgespräche schob er der SPÖ zu - dort hätten "die destruktiven Kräfte die Oberhand gewonnen".
Er werde kein Programm unterschreiben, das wirtschaftsfeindlich, wettbewerbsfeindlich und leistungsfeindlich sei, betonte Nehammer. Ihm sei schon klar, dass man in einer Koalition Kompromisse eingehen müsse - dies dürfe aber nicht zulasten der Menschen gehen. Es habe nie einen Zweifel gegeben, dass die ÖVP Eigentums- oder Erbschaftssteuern nicht zustimmen werde. Das habe er vor den Verhandlungen gesagt, dabei sei er auch geblieben.
Als Konsequenz aus dem Ende der Verhandlungen werde er sich zurückziehen. "'Nimm dich selbst nicht so wichtig' ist ein Satz, den mir mein Vater mitgegeben hat", so Nehammer. Es sei seine tiefe Überzeugung, dass radikale Kräfte keine Lösungen anbieten könnten, sondern nur davon leben würden, Probleme zu beschreiben, meinte er wohl mit Blick auf eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ. "Redlichkeit ist in der Politik nicht sexy." Er werde sich aber trotzdem nicht verbiegen.
Verhandlungen mit SPÖ abgebrochen
Davor hatte die Volkspartei die Gespräche mit der SPÖ über die Bildung einer neuen Regierung abgebrochen. Eine Einigung sei in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, lautete die Begründung. Der innerparteiliche Druck auf Nehammer war zuletzt gestiegen. SPÖ-Chef Andreas Babler bedankte sich am Abend bei Nehammer persönlich. Andere Kräfte in der Volkspartei hätten die Verhandlungen nicht gewollt.
Wie geht es nun weiter?
Wie es nun weiter geht, war vorerst unklar. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich noch am Samstag informieren, weitere Schritte will er erst am Sonntag setzen. Bereits am Samstag hat das Staatsoberhaupt dem Vernehmen nach erste Telefonate geführt. Am Sonntag wird Besuch in der Präsidentschaftskanzlei erwartet. So soll Nehammer nach der Sitzung der ÖVP-Gremien in der Hofburg seinen Regierungsauftrag zurücklegen.
Das Staatsoberhaupt hatte ja Nehammer persönlich den Regierungsbildungsauftrag erteilt und nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl als Obmann der bei der Nationalratswahl stimmenstärksten Partei. Van der Bellen begründete dies damit, dass sowohl Volkspartei als auch Sozialdemokraten nicht mit den Freiheitlichen koalieren wollten.
97 Tage bis Platzen der Koalitionsverhandlungen vergangen
Mit der Beendigung der Gespräche mit der SPÖ durch die ÖVP am Samstag sind die Koalitionsverhandlungen am 97. Tag nach der Nationalratswahl endgültig geplatzt. Nur einen Tag davor waren die NEOS ausgestiegen. Vor fünf Jahren dauerte die Regierungsbildung 100 Tage, bereits am 94. Tag - damals ebenfalls Neujahr - wurde die Einigung auf den Koalitionspakt verkündet.
Über die durchschnittliche Regierungsbildungszeit nach den bisherigen Wahlen der Zweiten Republik von 62,4 Tagen bis zur Angelobung war man schon seit 1. Dezember hinweg. Hätten ÖVP und SPÖ statt des Aus der Verhandlungen an Tag 97 eine Einigung erzielt, so wären sie damit in der Rangliste der Dauer von Wahl bis Angelobung bei gut 100 Tagen und damit rund um Rang drei oder vier gelandet.
Damit stehen nun die Chancen gut, dass die bisherige Rekord-Dauer von Nationalratswahl bis Regierungsbildung überboten wird. Diese lag bisher bei 129 Tagen: Nach der Wahl vom 18. November 1962 stand dann erst am 27. März 1963 eine ÖVP-SPÖ-Regierung. Für diesen neuen Rekord müssten weitere Verhandlungen noch einen weiteren Monat dauern und die Regierung erst ab 6. Februar ihr Amt antreten.
(Quelle: apa)