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Sonntags-Talk

Allegra Frommers große Öffi-Herausforderung

Chefin des Salzburger Verkehrsverbunds im Interview

In Zeiten der Klima-Krise wollen immer mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr ausweichen. Ob Bus oder Bahn – Öffis werden nachgefragt. Allegra Frommers Aufgabe als Chefin des Salzburger Verkehrsverbunds ist es, die 119 Gemeinden im Bundesland bestmöglich zu vernetzen. "Wir müssen attraktive Angebote und Kapazitäten schaffen", erklärt die 37-Jährige im heutigen Sonntags-Talk.

Seit dem Ende ihrer Schulzeit lebt Allegra Frommer in Salzburg. Nach der Matura studierte die gebürtige Mainzerin Betriebswirtschaft und Informationsmanagement an der Fachhochschule Salzburg. Die 37-Jährige ist in zweiter Ehe verheiratet und seit 2014 Geschäftsführerin des Salzburger Verkehrsverbunds, der 23 Verkehrsunternehmen umfasst, die gemeinsam pro Jahr eine Gesamtstrecke von 28 Millionen Kilometern anbieten. Das Unternehmen plant und bestellt Salzburgs öffentlichen Verkehr. Jährlich nehmen eigenen Angaben zufolge 68 Millionen Kunden dieses Angebot in Anspruch.

SALZBURG24: Mit welchen Verkehrsmitteln kommen Sie zu Ihrem Arbeitsplatz?

ALLEGRA FROMMER: Heute tatsächlich mit dem Auto. Es kommt immer darauf an, wie mein Arbeitstag durchgeplant ist und wie viel Zeit zwischen den Terminen ist. An sehr stressigen Tagen fällt bei uns – so wie bei vielen anderen Menschen auch – die Wahl aufs Auto. Nach Linz oder Wien fahre ich immer öffentlich.

Wie viele stressige Tage sind das pro Woche?

Jeder Tag ist stressig. Aber es ist positiver Stress, sodass man daran wächst. Ich habe auch das große Glück, dass mein Team mir vieles abnimmt.

Verkehr ist ein Reiz-Thema: Mussten Sie Erfahrungen mit persönlichen Anfeindungen machen?

Ja, natürlich. Aber das muss man sportlich sehen. Jede Anfeindung kann ein bisserl Auftrieb sein, vielleicht steckt ja auch ein Funken Wahrheit drinnen. Und unser Job ist generell nichts Dankbares. Macht man es für den einen besser, findet es der andere schlechter.

Ein kleines Gedankenspiel: Könnten nach derzeitigem Stand alle Salzburgerinnen und Salzburger auf Öffis ausweichen?

Wenn nicht jeder zur gleichen Zeit fahren wollen würde, dann gebe es eine realistische Chance dafür. Aber der Alltag der meisten Menschen ist so strukturiert, dass sie morgens in die Schule, zur Uni oder Arbeit fahren und am späten Nachmittag wieder zurück nach Hause. Und dann sind sowohl Züge, als auch Busse und Straßen gesteckt voll.

 

Was ist die derzeit größte Herausforderung in Salzburgs öffentlichem Verkehr?

Momentan ist die größte Herausforderung, dass immer mehr Salzburgerinnen und Salzburger gerne mehr öffentlich fahren wollen. Das liegt zum einen an der Klima-Krise, aber auch an einer gewissen Bequemlichkeit. Diejenigen, die beispielsweise aus Wien oder einer anderen Großstadt nach Salzburg ziehen, sind an einen öffentlichen Nahverkehr in einer gewissen Grundqualität gewohnt. Wir müssen entsprechend attraktive Angebote und Kapazitäten schaffen. Durch den Ausbau unseres Beschwerdemanagements können wir genau herausfinden, was der Kunde haben möchte. In der Vergangenheit war öffentlicher Verkehr immer eine eher fade Geschichte und nicht sexy. Und unser Ziel muss sein, dass das Image passt, das Produkt schön ist und das Angebot so aufgestellt ist, dass potenzielle Kunden darauf ausweichen wollen.

Wo orten Sie den dringendsten Nachholbedarf in Salzburgs öffentlichen Personen-Nahverkehr?

Ich denke, dass nach wie vor der Wolfgangsee-Korridor – also in Richtung Bad Ischl und Hallstatt (OÖ) – ein großes Thema ist. Wir werden erneut mehr Kapazitäten bereitstellen, weil der Bedarf von Montag bis Sonntag gar nicht enden will. Das Schienenangebot ist sehr teuer, aber auch das Rückgrat für den öffentlichen Verkehr. Diese Infrastruktur-Maßnahmen müssen sauber und richtig geplant und bestmöglich so schnell wie möglich umgesetzt werden. Doch Schienenverkehr ist sehr langwierig, ein fünf Jahre langer Horizont ist gar nichts. Und das ist für mich ganz schrecklich, denn ich bin viel zu ungeduldig (lacht).

Wer sitzt bei der Entscheidungsfindung alles an einem Tisch?

Wir sind im ständigen Austausch mit allen Salzburger Gemeinden. Die wissen, was ihre Bürger haben wollen und kennen deren Bedürfnisse. Diese enge Beziehung zu den Regionen und Bürgermeistern ist schon ein kleines Erfolgsgeheimnis. Wenn ein Ausschreibungspaket für eine Region ansteht, dann wird eben diese genau von uns untersucht. Es wird geschaut, was wir konkret tun müssen und welches Angebot für die kommenden zehn Jahre bereitgestellt wird.

Allegra Frommer, Salzburger Verkehrsverbund SALZBURG24 / MARCEL WURZER
S24-Redakteur Thomas Pfeifer beim Interview mit Allegra Frommer in den Büros des Salzburger Verkehrsverbunds.

Zudem haben wir in Salzburg das große Glück, einen jungen und dynamischen Landesrat zu haben, der sich sehr für den öffentlichen Verkehr einsetzt (Stefan Schnöll (ÖVP), Anm.). Unsere gemeinsamen Vorstellungen haben wir im Verkehrsverbund entworfen und das Produkt extern durchrechnen lassen. In Abstimmung mit dem Landesrat konnten wir unsere Vorstellungen dann durchdrücken.

Dazu zählen auch die neuen Regionaltickets. Wie ist die Resonanz darauf?

Die Anzahl der Jahrestickets, die wir im Vorjahr verkauft haben (rund 15.000, Anm.), konnten wir bereits nach acht Wochen in diesem Jahr erreichen. Die Resonanz ist also super. Wir wollten mit den Regionaltickets das System einfacher und billiger machen. Ziel dahinter waren die Überlappungszonen in den Regionen, die vor allem Pendler ansprechen sollen. Jetzt ist man nicht auf eine Strecke mit seinem Ticket gebunden, sondern kann die ganze Region mit den Öffis befahren.

Was halten Sie von der Idee eines kostenlosen öffentlichen Verkehrs, wie es jetzt in Luxemburg Realität ist?

Zwei Drittel werden derzeit schon über die öffentliche Hand finanziert und ein Drittel vom Kunden. Sinnvoll ist es dann, wenn die Verwaltung oder die administrative Manpower mehr Geld kostet, als sie am Ende bringt. Und das ist bei uns nicht der Fall. Und erst dann kann man überlegen, ob man tatsächlich den Tarif auflöst. Aber macht das Sinn? Wenn es eh kostenlos ist, geht man dann als Fahrgast noch anständig mit dem Bus um oder nicht? Das ist schwierig zu beantworten, es gibt Tausende philosophische Fragen dazu. Ich persönlich finde es gut, wenn der Kunde am Ende des Tages ein Entgelt bezahlt – leistbar muss es natürlich sein.

Wann können Elektrobusse in Salzburg flächendeckend Realität sein?

Mit den elektrischen Obussen hat die Stadt Salzburg ja schon großes Glück. In den Regionen könnten wir nach jetzigem Stand kleine Stadtbusverkehre ausprobieren. Und da schauen wir uns eh an, ob man auf ein E-Bus-System wechseln kann. Längere Verbindungen wären für uns nur mit Wasserstoff machbar. Es gibt noch keine Möglichkeiten für die Distanz von der Landeshauptstadt in den Lungau. Jeder redet von E-Mobilität im öffentlichen Verkehr, aber noch nicht mal die Industrie könnte uns die Fahrzeuge liefern. Wichtig ist, dass wir nicht den Anschluss verpassen und uns neue Dinge ansehen und testen. Die finale Entscheidung, in welche Technologie es dann letztlich gehen wird, werden wir schon noch abwarten und beobachten müssen.

Der Salzburger Zentralraum ist ein Stau-Hotspot: Inwieweit ist der Auto-Individualverkehr ein Bestandteil der öffentlichen Verkehrsplanung?

Wir denken den Autoverkehr immer mit und versuchen ihn mit dem öffentlichen Verkehr zu verknüpfen. Für uns ist ganz klar, dass wir niemanden zum Umstieg vom Auto in die Öffis zwingen können. Doch wir können es versuchen, das Öffi-Angebot so attraktiv zu machen, dass die Notwendigkeit des Autos bei der Mobilitätsentscheidung auf null geht. In der Stadt ist das natürlich einfacher als in der Region. Was für uns aber erschreckend ist, ist, dass kurze Wege unter fünf Kilometern oft mit dem Auto gefahren werden. Wenn das Öffi-Netz sowie Rad- und Fußgängerwege weiter ausgebaut werden, könnte man das verhindern.

Was ist denn Salzburgs Stau-Verursacher?

Das große Mysterium in Salzburg ist, dass irgendwo in dieser kleinen, recht verwinkelten Stadt oder auf der Autobahn mitunter kleine Ereignisse extreme Auswirkungen bekommen. Es muss nicht viel passieren, bis die Stadt steht. Einfach, weil schon viel los ist. Es gibt nicht den einen Stau-Verursacher, sonst könnte man das Problem schneller lösen.

Allegra Frommer, Salzburger Verkehrsverbund SALZBURG24 / MARCEL WURZER
Frommer: "Wir denken den Autoverkehr immer mit und versuchen ihn mit dem öffentlichen Verkehr zu verknüpfen."

Wir versuchen daher den Kunden zu motivieren, dass er öffentlich fährt. Es gibt langfristige Projekte, wie die Regionalstadtbahn, die noch geprüft wird. Zusätzlich sollte das bestehende Angebot ausgebaut werden und parallel dazu – da muss man alle Gemeinden und die Stadt sehr loben – das Thema Fußgänger- und Radverkehr ernst nehmen. In der Stadt Salzburg sieht man am "modal split", dass der Radverkehr wirklich super funktioniert und eine perfekte Alternative ist.

Wie schaut Ihre ganz persönliche Verkehrs-Vision für Salzburg aus?

Die Vision ist, dass wir so viel Mobilität im öffentlichen Verkehr in einer Qualität anbieten, dass man ihn gerne nutzt. In Salzburg sind viele an das Auto gewöhnt. Ich glaube, dass soweit ein Umdenken stattfinden kann, dass man künftig freiwillig zumindest zwischenzeitlich die Öffis benutzt. Wenn das klappt, haben wir schon einen großen Teil geschafft. Öffentlicher Verkehr muss für den Kunden einfach, schön und verlässlich sein. Wenn diese drei großen Punkte ineinander greifen, ist von meiner Vision schon viel erfüllt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sonntags-Talk auf SALZBURG24

Wir veröffentlichen jeden Sonntag ein Interview mit besonderen Menschen aus Salzburg – egal ob prominent oder nicht. Wir freuen uns über eure Vorschläge an nicole.schuchter@salzburg24.at.

(Quelle: SALZBURG24)

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