Polit-Experte im Interview

Darum ist für Trump "die EU ein Dorn im Auge"

Die Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump hat weitreichende Auswirkungen auf Europa. 
Veröffentlicht: 03. März 2025 13:04 Uhr
Für einen handfesten politischen Eklat sorgte am Freitag ein Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump. Das Vorgehen Trumps ließ auch bei europäischen Partnern die Alarmglocken schrillen, haben sich die USA in den vergangenen Tagen doch auf einer Linie mit Russland gezeigt. Wir haben den Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch um eine Einschätzung zu den aktuellen Entwicklungen gebeten.

Die Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA sind am Freitag an einem Tiefpunkt angelangt. Vor laufenden Kameras warf US-Präsident Donald Trump seinem ukrainischen Gegenüber vor, die Welt in einen Dritten Weltkrieg zu stürzen. Trump und sein Vize JD Vance forderten Respekt und Dankbarkeit von dem Land ein, das seit drei Jahren von Russland angegriffen wird.

Das hat auch Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen. Noch am Wochenende fanden sich europäische Vertreter:innen zu einem Treffen mit Selenskyj in London ein. Am Sonntag wurde bekannt, dass Europa eine „Koalition der Willigen“ bilden und die Ukraine noch stärker unterstützen will. Außerdem ist für Donnerstag ein Sondertreffen in Brüssel geplant.

Spätestens am Wochenende wurde klar, dass die USA unter Trump von ihrem früheren Kurs, in dem Europa über Jahrzehnte hinweg als Partner gesehen wurde, abweichen. Europa droht damit zum Spielball zwischen den USA und Russland zu werden. Wie es soweit kommen konnte und welche Folgen damit für Europa entstehen, hat uns der Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch erklärt, der selbst in den USA studierte und dort als Professor tätig war.

Reinhard Heinisch über Beziehungen zwischen EU und USA

SALZBURG24: Herr Heinisch, die USA scheinen sich mit dem Amtsantritt von Donald Trump von Europa zu entfernen. Können Sie diese Situation für uns etwas einordnen?

REINHARD HEINISCH: Wir haben in den USA einen Regimewechsel, wo in einem sehr gespaltenen Land eine radikale rechte Regierung an die Macht gekommen ist, die einen kompletten Politikwechsel vornimmt. Aus deren Sicht steht Europa und die Europäische Union einerseits für den politischen Gegner im eigenen Land – sie sagen, Europa ist die Verlängerung der Demokraten. Denn das, wofür Europa steht, ist die politische Ausrichtung, die man im Wahlkampf bekämpft hat. Bezüglich einer bestehenden Weltordnung, wo die USA für universelle Prinzipien einstehen, also für die westliche Vorstellung von Recht und Gerechtigkeit eintritt, da ist die jetzige Trump-Regierung der Ansicht, dass sie davon nichts hat und ausgenutzt wird.

Das spielt sich in einer Situation ab, in der sich die Welt in mehrere Blöcke aufteilt. In Ostasien führt kein Weg an Peking vorbei, Russland versucht, die Reste seines Imperiums wieder zusammenzufügen und so driftet die Welt in drei Blöcke ab. Die USA schienen bislang entgegenzuhalten, scheint nun aber umzuschwenken. Das Ziel der USA ist es, sich zurückzuziehen und eine eigene Machtbasis aufzubauen.

Welche Rolle spielt hier Europa?

Europa ist dem Ganzen entgegengestellt. Es vertritt eine Art liberale Weltordnung und braucht Handel und Spielregeln. Europa geht es zudem am besten, wenn die bisherige Weltordnung noch aufrechterhalten werden kann. Aus Sicht von Donald Trump nutzt Europa die USA aus und würde sie etwa beim Handel übervorteilen. Außerdem ist Trump die EU ein Dorn im Auge. Er sieht sie als den ultimativen Deep State, weil die EU Regulierungen erlässt und etwa amerikanische Technologiekonzerne reguliert, Stichwort Datenschutzgrundverordnung. Und für die anderen, die hinter Trump stehen, ist Europa ein Beispiel für Immigration, für Wokism. Also, ideologisch sind aus Trumps Sicht Europa und die USA übers Kreuz. Und auch wirtschaftspolitisch sieht die USA in Europa einen Konkurrenten.

Was bedeutet das für die Sicherheit in Europa?

Die europäische Vorstellung der Welt ist letztlich auf den Schutz der USA aufgebaut. Das heißt, diese liberale Weltordnung, wo Spielregeln gelten, braucht in letzter Konsequenz im Hintergrund amerikanische Muskeln, weil Europa diese Kapazitäten nicht aufgebaut hat. Und ohne diese Rolle, die die USA seit 70 Jahren spielt, ist Europa führungslos momentan. Man kann nicht von heute auf morgen diese Kapazitäten aufbauen.

Nun scheint es aber so, als würde es in Europa Bemühungen geben – allen voran Frankreich und Großbritannien, in militärischer Hinsicht an einem Strang zu ziehen.

Genau. Also wenn wir das durchspielen, dann ist Frankreich die einzige Nuklearmacht in der EU. Jetzt hat Frankreich zwar ein Abschreckungspotenzial, in dem es auf Atom-U-Booten einige Atomraketen hat. Eine minimale Macht, die viel kleiner ist als das, was die USA oder Russland haben. Aber letztlich ist die Frage, würde ein deutscher Bundeskanzler die Sicherheit Deutschlands von Politikern in Paris abhängig machen? Also ich glaube, dass die Frage ist, welches europäische Land wegen eines anderen europäischen Landes in einen Atomkrieg mit Russland ziehen würde. Und wenn man das aber nicht macht, ist man erpressbar. Europa ist reich und schwach. Und Russland ist nach dem Ende des Ukraine-Kriegs hochgerüstet und kriegserfahren.

Es scheint jetzt so, als würden sich die Europäer eben etwas aufstellen. Findet hier vielleicht gerade ein Umdenken innerhalb der EU auch statt?

Ich glaube, die EU reagiert auf Bedingungen, die sie selber nicht diktiert. Das heißt, die EU muss reagieren und man macht gute Miene zum bösen Spiel auf der einen Seite, auf der anderen Seite versucht man natürlich, zu deeskalieren. Das heißt, man wird versuchen auf Donald Trump einzugehen, ohne einen völligen Gesichtsverlust zu haben. Ich nehme an, Europa hofft, dass die Situation in der Ukraine für ein paar Jahre stabil ist und es irgendwann die Trump-Administration nicht mehr geben wird, dass die USA zur Besinnung kommen und dass das Ganze wieder in eine andere Richtung geht.

Andererseits kann es auch sein, dass China versuchen wird, die Europäer und die Amerikaner ein bisschen zu spalten. Denn die Europäer fürchten sich vor Putin und fühlen sich von den Amerikanern im Regen stehen gelassen. Jetzt könnte eben China den Europäern ein Angebot machen, denn China hat Einfluss auf Russland, Russland lebt von China. China hat ein Interesse an guten Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union.

Welche Rolle spielt die österreichische Neutralität in diesem Spannungsfeld?

Keine. Wir sind von NATO-Ländern umgeben, daher muss jeder Gegner irgendwo durch ein NATO-Land durch. Das würde dann automatisch einen Anlassfall bieten, aber die NATO hängt militärisch von den USA ab. Artikel 5 sagt aus, dass bei einem Angriffsfall alle NATO-Länder den Angriff auf ein Mitglied so behandeln, wie wenn man selbst angegriffen wird. Wenn die USA das nicht mehr so sehen, die NATO situativ behandeln und ein Land verteidigen, ein anderes nicht – dann fehlt diese Sicherheitsgarantie.

Österreich kann auf vielfältige Weise betroffen sein, aber ist sicher nicht direkt eine Zielscheibe. Ein anderes Thema kann sein, dass es einen anderen Konflikt in der Gegend gibt, sei es am Balkan oder in Transnistrien. Dann kann es zu Flüchtlingsbewegungen oder Drohnenangriffen kommen. Ist Österreich dann in der Lage, Drohnen und Raketen abzuwehren, den Luftraum und die Grenzen zu verteidigen? Das sind die Aufgaben, die auf Österreich zukommen würden.

Das heißt, Russland ist per se nicht an Österreich interessiert. Aber Russland ist interessiert daran, die Länder wieder zurückzuholen, die sie als Teil der russischen Welt bezeichnet. Und Russland ist daran interessiert, dass das reiche, aber schwache Europa reich, aber schwach bleibt.

Herr Heinisch, vielen Dank für das Interview.

Sehr gerne.

(Quelle: salzburg24)

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