Lange gefordert, nun beschlossen: In Salzburg soll Österreichs erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die unter Myalgischer Encephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) leiden, errichtet werden. Die Grünen haben den Antrag eingereicht, vergangene Woche wurde er einstimmig im Landtagsausschuss beschlossen. Bis die Einrichtung tatsächlich verfügbar ist, wird es aber noch dauern.
Was ist ME/CFS überhaupt?
ME/CFS ist eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung, bei der die Betroffenen unter einer enorm verminderten Leistungsfähigkeit leiden. Schon kleinere Anstrengungen können den Zustand der Erkrankten verschlechtern. Laut der Medizinischen Universität Wien sind die genauen Ursachen noch nicht ausreichend erforscht. ME/CFS kann nach einer Infektion, aber auch nach Operationen, Traumata oder hormonellen Veränderungen ausgelöst werden. Als schwerste chronische Form ist ME/CFS auch eine mögliche Form von Long- bzw. Post-Covid.
Mögliche Symptome von ME/CFS:
- Konzentrationsstörungen
- Reizempfindlichkeit
- Kreislaufstörungen
- Muskel- und Gelenksschmerzen
- Immunschwächen
- Verdauungsstörungen
- grippeähnliche Symptome
Allein im Bundesland Salzburg sind rund 5.000 Menschen von ME/CFS betroffen. „Jeder Vierte so schwer, dass sie haus- oder sogar bettgebunden sind“, sagt grüne Landtagsabgeordnete Kimbie Humer-Vogl, im SALZBURG24-Gespräch am Dienstag. Schon seit rund vier Jahren fordere sie eine spezialisierte Anlaufstelle. Bei den Zahlen beruft sich Humer-Vogl auf für Salzburg heruntergebrochene Schätzzahlen des neuen nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome. Das Gesundheitsministerium hat die Medizinische Universität Wien damit beauftragt, im September wurde das Referenzzentrum eingerichtet.
Späte Diagnose als großes Problem
Die Diagnose von ME/CFS dauert recht lange, weil es ein sehr komplexes Krankheitsbild ist und es laut der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS (ÖG ME/CFS) keinen praktikablen Biomarker gibt. Betroffene würden meist von Arzt zu Arzt geschickt und hätten eigentlich gar keine Kraft dafür.
Geht es nach Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP), soll die ME/CFS-Anlaufstelle deshalb nicht bei den Salzburger Landeskliniken (SALK) angesiedelt werden, sondern dezentral angeboten werden. „Ich kann mir auch einen mobilen Dienst vorstellen, der auf Zuruf zu den Erkrankten hinfährt“, sagt Gutschi im S24-Gespräch.
Uneinigkeit über die Form der Salzburger Anlaufstelle
Eine etwas andere Vorstellung von der Anlaufstelle hat Kevin Thonhofer, Obmann der ÖG ME/CFS. „Ich denke, eine Ansiedlung bei den SALK ist absolut sinnvoll, weil da mehrere Fachrichtungen an einem Ort sind. Das ist ein Vorteil für die Abklärung, so müssen Betroffene nicht zu verschiedenen Ärzten“, so der Obmann. Für jene, die keine Kraft haben, die Anlaufstelle aufzusuchen, wünscht sich Thonhofer ein telemedizinisches Angebot. Hausbesuche seien am ehesten in Kooperation mit den jeweiligen Hausärzt:innen umsetzbar.
Humer-Vogl sieht die Anlaufstelle ebenfalls stationär und bei den SALK, weil es dort die besten technischen Voraussetzungen für eine Telemedizin gebe. Außerdem könnten Daten darüber, was Patient:innen hilft und was nicht, zentral gesammelt werden. Neben den medizinischen Anliegen hätten bei der Beratungsstelle auch Auskünfte über finanzielle Hilfe und Arbeitsfähigkeit Platz. „Auch wenn die SALK noch kein großes Interesse darüber gezeigt hat, ist es der beste Ort für die Anlaufstelle. Im Endeffekt wird sie wohl dort angesiedelt werden“, denkt die grüne Landtagsabgeordnete.
Nächste Entscheidung über ME/CFS-Stelle in 2025
Wann und in welcher Form die Anlaufstelle in Salzburg schlussendlich kommen wird, ist demnach noch offen und liegt in den Händen der Landesregierung. „Bis Anfang des Jahres diskutiert ein interdisziplinäres Ärzte-Team aus Neurologen, Internisten und Co die Möglichkeiten an einem Tisch aus“, sagt Gutschi und gibt damit einen ersten Zeitrahmen. Im nächsten Jahr soll zumindest feststehen, was es genau wird. Zur Finanzierung konnte sich die Landesrätin, die im kommenden Jahr 1,34 Milliarden Euro für das Ressort Gesundheit zur Verfügung hat, noch nicht festlegen – nur, dass eine „Umschichtung bestehender Mittel sicher notwendig“ sein werde.
(Quelle: salzburg24)