Das Österreichische Bundesheer hat einen jahrzehntelangen Sparkurs hinter sich. Neben zeitgemäßem Gerät fehlt es dem Heer auch an Ausbildungszeit, da Assistenzeinsätze an der Grenze im Burgenland, Katastrophenhilfe oder zuletzt die Corona-Pandemie einen Großteil der militärischen Ressourcen forderten und fordern. Das führt dazu, dass das Bundesheer seinen ureigensten Auftrag kaum mehr erfüllen kann: "Unsere größte Baustelle ist die militärische Landesverteidigung", sagt Salzburgs Militärkommandant Anton Waldner im Interview mit SALZBURG24 am Mittwoch.
Waldner: Assistenzeinsätze zurückfahren
Auf diesen Umstand macht das Bundesheer seit Jahren aufmerksam. Anklang bei der Politik fand dies bislang nicht. Bis jetzt – der Ukraine-Krieg führt die Bedeutung einer funktionierenden Armee drastisch vor Augen. Damit das Bundesheer zu einer schlagkräftigen Armee wird, müssten laut Waldner zunächst die ständigen Zusatzaufgaben zurückgefahren werden. "Die Polizei ist so aufzustellen, dass sie den Einsatz im Burgenland oder die Botschaftsbewachung in Wien selbst übernehmen kann. Assistenzen sollen Spitzen abdecken und nicht zur Dauerbelastung werden."
Soldaten besser ausbilden
Die Einsatzbereitschaft einer Armee ergebe sich aus drei Faktoren: Personal, Gerät und Ausbildungszeit. "Bei der Miliz haben wir derzeit Defizite in allen Bereichen. Beim Personal fehlt die untere Ebene, der Gewehrträger, weil der freiwillig ist.“ Beim Gerät sei man am schlechtesten aufgestellt, da die Beschaffung und Erhalt teuer seien. "Das dritte ist die Ausbildungszeit. Die müssen wir wiedergewinnen", erklärt Waldner. Salzburgs Militärkommandant spricht sich dabei gegen freiwillige Milizübungen aus, wie sie derzeit in der Politik diskutiert werden.
Großteil des Fuhrparks veraltet
Investitionen in das Gerät würden aber nicht ausbleiben: Große Defizite gebe es aktuell bei der Mobilität. Fahrzeuge wie "12M18", "Pinzgauer" oder "Puch G" stammen aus den späten 1980er-Jahren. "Die wurden in einem riesigen Aufwand bis heute erhalten. Dass wir als mitteleuropäische Armee über zu wenige geländefähige Fahrzeuge verfügen, ist der eigentliche Skandal. Da sprechen wir noch gar nicht von gehärteter (gepanzert, Anm.) Bewegung", beklagt Waldner. Auch die Kampfpanzer "Leopard 2" müssten in den Bereichen Elektronik und Fahrgestell erneuert werden.
Salzburg wird Zentrum für Drohnen
Im Bundesland Salzburg werde die Modernisierung des Bundesheeres weiter vorangetrieben. Das in der Schwarzenberg-Kaserne beheimatete Jägerbataillon 8 wird künftig mit Drohnen ausgestattet. "Das Know-How dazu wird gerade aus Wien hierher überführt, Salzburg wird das neue Zentrum für diese Drohnen sein", gibt Waldner einen Ausblick. Eine wichtige Rolle spielt auch die Cyber-Abwehr, ebenfalls in der Schwarzenberg-Kaserne wird dazu ein Zentrum eingerichtet und diese Fähigkeiten auch beim Führungsstabsbataillon in St. Johann im Pongau gestärkt. Zudem werde unter anderem die neue Organisation aller Luftstreitkräfte künftig von einem Kommando in Salzburg aus geführt.
Kasernen als Sicherheitsinseln
Wenn künftig mehr Geld zur Verfügung steht, soll das Konzept der Kasernen als Sicherheitsinseln forciert werden, fordert Waldner. Dieses Konzept sieht vor, Kasernen autark zu machen, sodass sie auch im Katastrophenfall über funktionierende Energie- und Wasserversorgung verfügen. Kasernen würden so auch als Andockstelle für die Blaulichtorganisationen dienen, die in den Kasernen tanken könnten. "Blackouts werden wahrscheinlicher, die Hemmschwelle für Cyber-Angriffe sinkt aus meiner Sicht dramatisch", gibt Waldner zu bedenken. Das Konzept soll bis 2025 umgesetzt werden und ist vergleichsweise kostengünstig. Um zwölf Mio. Euro können die vier Kasernen im Bundesland Salzburg zur Sicherheitsinsel werden.
Ist die Neutralität noch zeitgemäß?
Wie sich das Bundesheer künftig weiterentwickelt, hängt für Waldner vor allem auch von der Frage nach der Neutralität ab. "Wenn wir uns weiter auf die Neutralität stützen, brauchen wir die gesamte militärische Bandbreite in der Luft und auch an Land. Ein neutraler Staat muss seinen Luftraum schützen können, das kann die NATO nicht." Die Frage nach einer Spezialisierung einzelner Teilbereiche des Bundesheeres stelle sich erst, wenn die Idee gemeinschaftlicher europäischer Streitkräfte weiter voranschreitet.
Österreich als Ziel von Autokraten?
Die eigene Landesverteidigung ernst zu nehmen, sei aber von größter Bedeutung: "Für mich zeichnet sich derzeit eine Auseinandersetzung zwischen Autokratien und Demokratien ab. Wenn Autokraten Demokratien ablehnen, warum sollten sie sich dann nicht Österreich als Ziel aussuchen? Mit einem Angriff auf Österreich kann man den Westen treffen, ohne den Gegenschlag eines Bündnisses erwarten zu müssen. Zudem sucht man sich dabei einen Gegner aus, der sichtbar wenig für seine eigene Sicherheit tut", mahnt Salzburgs Militärkommandant abschließend.
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(Quelle: salzburg24)