Insider im Gespräch

Neue Bundesregierung "bis Weihnachten sehr ambitioniert"

Politikwissenschafter Armin Mühlböck war im Presseclub Salzburg zu Gast.
Veröffentlicht: 24. Oktober 2024 12:14 Uhr
Warum war die "Nationalratswahl gescheit besonders", wie lange dauert wohl die Regierungsbildung und was ist überhaupt bei der Salzburger SPÖ los? Politikwissenschafter Armin Mühlböck von der Uni Salzburg gibt einen exklusiven Einblick.

Wenn der neu gewählte Nationalrat heute erstmals zusammenkommt, ist längst nicht klar, welche Koalition mit welchem Bundeskanzler das Land künftig führen wird. Die Geschichte ist bekannt: Weil die FPÖ als Wahlsieger mit ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl keinen Koalitionspartner fand, erhielt die zweitplatzierte ÖVP unter Bundeskanzler Karl Nehammer den Auftrag zur Regierungsbildung.

Darum war "Nationalratswahl gescheit besonders"

Für den Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck kam das nicht unbedingt überraschend, wie er SALZBURG24 am Rande einer Presseclub-Veranstaltung am Mittwochabend verraten hat: "In Anbetracht der Vorgänge war es fast zu erwarten, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag jetzt Karl Nehammer erteilt. Ohnehin sei die "Nationalratswahl gescheit besonders" gewesen. "Der Regierungsbildungsauftrag wurde bisher noch nie an den Zweitplatzierten vergeben. Und dass nicht der Erstplatzierte Kanzler wird, das gab es schon einmal: nach der Wahl 1999 als Wolfgang Schüssel Drittplatzierter wurde."

Dreier-Koalition wäre historisch

Für Mühlböck ist eine Dreier-Koalition am wahrscheinlichsten, denn "ÖVP und SPÖ hätten nur ein Mandat Überhang und das wäre sehr riskant." Sollten beide zu einer Koalition zusammenfinden, müssten sie aber große inhaltliche Gräben überwinden. Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt eklatante programmatische Unterschiede, wobei angesichts des Drucks zur Budgetsanierung Steuerfragen zu den größten Knackpunkten zählen dürften. "Zudem wird ein Konsens im Bereich Migration/Asyl schwierig", so Mühlböck. Ein dritter Koalitionspartner – ob NEOS oder Grüne – würde die Kompromissfindung nicht unbedingt vereinfachen. "Die Frage ist dann, wie viel noch von jeweiligen Wahlprogrammen übrigbleibt", so Mühlböck. Eine Koalition aus drei Parteien gab es auf Bundesebene in Österreich bisher noch nie. Unklar ist freilich, wie stabil eine solche Regierung wäre. 13 von bisher 22 Legislaturperioden in der Zweiten Republik endeten übrigens vorzeitig.

Kein Zeitlimit für Regierungsbildung

Bis es zur politischen Partnerschaft auf Zeit kommt, dürfte es aber noch dauern. "Es gibt keine Regelung, wie lange eine Regierungsbildung dauern darf", erklärt Mühlböck. "Bis Weihnachten eine Regierung zu haben, wäre sehr ambitioniert." Nach der Nationalratswahl vor fünf Jahren dauerte es etwa 100 Tage, bis die Türkis-Grüne Bundesregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) angelobt wurde. Das war deutlich länger als bei den meisten Regierungsverhandlungen zuvor. Im Durchschnitt dauerte die Regierungsbildung nach den vorangegangenen 23 Wahlen der Zweiten Republik 62,4 Tage. Am längsten – nämlich 129 Tage – mussten die Österreicherinnen und Österreicher 1962/63 warten, bis sich ÖVP und SPÖ widerstrebend zum letzten Mal vor der Phase der Alleinregierungen einig wurden.

Was bei der Salzburger SPÖ "überraschend" war

Auf Findungsphase ist aber nicht nur eine neue österreichische Bundesregierung, sondern auch die Salzburger SPÖ nach dem Rücktritt von Parteichef David Egger-Kranzinger zu Wochenbeginn. "Überraschend war weniger der Rückzug, sondern vielmehr wie er abgelaufen ist", sagt Mühlböck. Die Rückzugsankündigung ohne eine Nachfolge zu präsentieren, sei ungewöhnlich. "Ein geordneter Übergang sieht anders aus." Das Trio um die Stellvertretenden – AK-Chef Peter Eder sowie die Landtagsabgeordneten Bettina Brandauer und Barbara Thöny – führt die Partei bis auf Weiteres interimistisch.

"Peter Eder wäre der logische Kandidat für Landesparteivorsitz, ansonsten drängt sich niemand auf", sagt Mühlböck und betont: "Die Zeit drängt. 2025 steht vor der Tür uns bis spätestens 2027 muss ein:e Spitzenkandidat:in in Position gebracht werden." So viel Zeit bleibe also nicht, um sich neu aufzustellen.

Armin Mühlböck zu Gast beim Presseclub Salzburg

Der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck hat die Reihe an Clubabenden am Mittwoch im Presseclub Salzburg eröffnet. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Wals-Siezenheim (Flachgau) beschäftigt sich mit Zukunftsfragen des Journalismus und den Herausforderungen der Medienlandschaft. Der Presseclub Salzburg will Journalistinnen und Journalisten im Bundesland vernetzen und sieht sich als Anlaufstelle für den Nachwuchs.

Armin Mühlböck im Presseclub Salzburg SALZBURG24/Naderer
Politikwissenschafter Armin Mühlböck (re.) mit dem Vorstand und teilnehmenden Gästen im Presseclub Salzburg

Interessierte Journalistinnen und Journalisten sind zu den in regelmäßigen Abständen stattfindenden Clubabenden eingeladen, bei denen Gäste aus Wissenschaft und Medien Einblicke in ihre Arbeit geben.

Bildergalerien

(Quelle: salzburg24)

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