Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat gestern Karl Nehammer von der zweitplatzierten ÖVP und nicht Herbert Kickl von der stimmenstärksten FPÖ mit der Bildung einer neuen Bundesregierung beauftragt. Damit brach VdB zwar eine Tradition in Österreich, er ist aber nicht dazu verpflichtet, den bzw. die Spitzenkandidat:in der stimmenstärksten Partei damit zu beauftragen.
Mit einem Wahlerfolg von 28,85 Prozent stößt das den Freiheitlichen Politikerinnen und Politikern, und auch manchen Wähler:innen sauer auf. In sozialen Netzwerken wird darüber heiß diskutiert.
In der Steiermark zeigt sich auch die schwarz-rote Politikspitze von Van der Bellens Entscheidung wenig begeistert. Wenn auch aus anderen Motiven. "Es ist eigentlich unverantwortlich, Herbert Kickl so schnell aus der Verantwortung und in die Märtyrer-Rolle und ins Schmollwinkerl zu entlassen", heißt es etwa von Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP). Und auch die steirische SPÖ will Kickl nicht so schnell aus der Verantwortung, Mehrheiten zu finden, entlassen. „Wenn Herbert Kickl scheitert, kann immer noch die zweitplatzierte Partei den Auftrag bekommen“, so der steierische LH-Stv. Anton Lang.
Mit der Entscheidung, wem Van der Bellen die Regierungsbildung in die Hand legt, hat er lange gewartet – über drei Wochen hat es gedauert. Denn üblicherweise wird der Auftrag innerhalb weniger Tage nach der Wahl der stimmenstärksten Partei erteilt. Nach der Nationalratswahl am 29. September suchte der Bundespräsident erst Vier-Augen-Gespräche mit allen Spitzenkandidat:innen und bat jene der stimmenstärksten Parteien – FPÖ, ÖVP und SPÖ – sich nochmals untereinander auszutauschen.
Nehammer peilt Dreierkoalition an
Nehammer nahm jedenfalls den Auftrag zur Regierungsbildung „in aller Redlichkeit und Ernsthaftigkeit“ an. Bei einem Statement stellte er in Aussicht, Verhandlungsgespräche mit der SPÖ und „einer weiteren Partei“ umgehend zu starten. Es scheint also auf eine Dreierkoalition hinauszulaufen.
Auch wenn ÖVP und SPÖ umgehend verhandeln wollen – in ihren Wahlprogrammen unterscheiden sie sich sehr. Die Ansichten der beiden Parteien weichen bei den Themen Steuern, Soziales, Bildung und Klimaschutz mitunter stark voneinander ab. Vor allem wegen des Drucks zur Budgetsanierung könnten die Steuerfragen zum Knackpunkt werden. Außerdem fordert SPÖ-Chef Andreas Babler eine Arbeitszeitreduktion, ÖVP-Obmann Karl Nehammer ganz im Gegenteil dazu einen Vollzeitbonus.
Wie lange es dauern wird, bis die neue Regierung steht, ist noch unklar. Nach 23 Tagen ging es im Jahr 1975 am schnellsten. Am längsten, nämlich 129 Tage, mussten die Österreicher und Österreicherinnen 1962/63 warten, bis ÖVP und SPÖ zum letzten Mal vor der Phase der Alleinregierungen einig wurden.
In welcher Konstellation auch immer – was erwartet ihr euch von der neuen Regierung? Schreibt es uns gerne in die Kommentare.
(Quelle: salzburg24)