Die Regierungsbildung in Österreich wird durch das Bundes-Verfassungsgesetz geregelt, das die grundlegenden Schritte und gesetzlichen Bestimmungen definiert. Nach der Wahl tritt der neu gewählte Nationalrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Das muss spätestens 30 Tage nach der Wahl geschehen und fand heuer am 24. Oktober statt. Bei dieser konstituierenden Sitzung wurden die 183 Abgeordneten angelobt.
Bundespräsident erteilt Regierungsbildungsauftrag
Der Bundespräsident spielt eine zentrale Rolle im Prozess der Regierungsbildung. Traditionell ernennt er den Spitzenkandidaten der stimmenstärksten Partei. Das führte in diesem Jahr zu einem Novum, weil die heurige Wahlsiegerin FPÖ um Parteichef Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finden konnte. Deshalb erteilte Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem aktuellen ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer den Regierungsbildungsauftrag.
Die Praxis, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhält, ist jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Der Bundespräsident hat hier formal freie Hand.
Was passiert bei Sondierungsgesprächen?
Bevor es aber überhaupt zu Koalitionsverhandlungen kommt, finden Sondierungsgespräche statt – das ist der erste Prozess der Regierungsbildung. Das kann man sich wie ein inhaltliches Abtasten vorstellen. Die Gespräche dienen dazu, Möglichkeiten für die Bildung einer stabilen Regierung auszuloten und herauszufinden, ob und mit welchem Koalitionspartner es genügend gemeinsame politische Schnittmengen gibt, um eine Koalition zu bilden.
Dabei werden zentrale Themenbereiche wie Wirtschaft, Migration, Bildung, Sozialpolitik, Umwelt und Finanzen diskutiert. Die Parteien identifizieren Themen, bei denen unterschiedliche Ansichten oder potenzielle Konflikte bestehen, um zu evaluieren, ob Kompromisse möglich sind. Anschließend wird die grundsätzliche Bereitschaft geprüft und die Chancen bewertet, um miteinander in Verhandlungen einzutreten. Sie dienen auch dazu, Vertrauen zwischen den potenziellen Koalitionspartnern aufzubauen.
Sondierungsgespräche sind in der Regel vertraulich und Details werden oft zunächst nicht öffentlich gemacht, um einen offenen Austausch ohne externen Druck zu ermöglichen. Sie enden entweder mit der Entscheidung, formelle Koalitionsverhandlungen aufzunehmen oder mit der Feststellung, dass keine tragfähige Basis für eine Zusammenarbeit besteht. Je nach Wahlergebnis und politischen Gegebenheiten können Sondierungsgespräche sehr schnell vorbei sein oder sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Österreich steht aktuell erstmals vor einer Dreier-Koalition. "Die Frage ist dann, wie viel am Ende noch von jeweiligen Wahlprogrammen übrigbleibt", sagt der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck zu SALZBURG24.
Kein Zeitlimit für Koalitionsverhandlungen
Koalitionsverhandlungen finden zwischen Parteien statt, um eine Regierungsmehrheit zu sichern. Es gibt keine Regelung, wie lange eine Regierungsbildung dauern darf. Vom Wahltag bis zur Regierungsbildung dauert es in Österreich durchschnittlich 68 Tage. Wenn es danach geht, hätten wir am 6. Dezember eine neue Bundesregierung. "Bis Weihnachten eine Regierung zu haben, wäre sehr ambitioniert", meint Mühlböck.
ÖVP und Grüne brauchten 2019 übrigens genau 100 Tage bis zur Einigung auf einen Koalitionsvertrag. Am längsten – nämlich 129 Tage – mussten die Österreicherinnen und Österreicher 1962/63 warten, bis sich ÖVP und SPÖ widerstrebend zum letzten Mal vor der Phase der Alleinregierungen einig wurden.
Einigung erzielt: Wer wird Minister:in?
Sobald eine Einigung zwischen den potenziellen Regierungspartnern erzielt ist, werden dem Bundespräsidenten die Mitglieder der neuen Bundesregierung vorgeschlagen. Der Bundespräsident ernennt daraufhin formell den Bundeskanzler und die übrigen Mitglieder der Bundesregierung, kann aber auch Kandidat:innen für ein Ministeramt ablehnen. Die neu ernannte Regierung wird dann feierlich vom Bundespräsidenten angelobt. Das kennzeichnet den offiziellen Startpunkt der neuen Bundesregierung.
Keine Regierung in Österreich: Wer führt Amtsgeschäfte?
Bis wir tatsächlich eine neue Bundesregierung haben, wird noch einige Zeit vergehen. Es ist üblich, dass die scheidende Bundesregierung nach einer Nationalratswahl dem Bundespräsidenten den Rücktritt anbietet. Das geschieht unabhängig vom konkreten Wahlergebnis, also auch dann, wenn die Partei des bisherigen Bundeskanzlers Wahlsiegerin ist. Der Rücktritt wird angeboten und angenommen.
Gleichzeitig hat der Bundespräsident die Mitglieder der scheidenden Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und einen von ihnen mit dem Vorsitz in dieser einstweiligen Bundesregierung zu betrauen. Die "einstweilige Bundesregierung" stellt sicher, dass die Verwaltung bis zur Angelobung einer neuen Bundesregierung fortgeführt wird und dass es auch während der Regierungsverhandlungen eine Vertretung Österreichs gibt. Die Amtsgeschäfte werden bis zur Angelobung der neuen Regierung weitergeführt. Per Handschlag und Unterschrift gelobt die "Noch-Regierung", diese Aufgabe zu erfüllen.
(Quelle: salzburg24)







