Analyse nach der NR-Wahl

Schwarz-Blau "unwahrscheinlich": Salzburger Politologe erwartet Dreier-Koalition

Der Salzburger Politologe Eric Miklin hält eine schwarz-blaue Koalition im Gespräch mit SALZBURG24 für "unwahrscheinlich".
Veröffentlicht: 30. September 2024 16:27 Uhr
Geschlagen ist die Nationalratswahl, die Sieger und Verlierer stehen fest. Offen ist nun die Frage nach der Koalition für die nächste Bundesregierung. Der Salzburger Politologe Eric Miklin hält eine schwarz-blaue Koalition für unwahrscheinlich und geht von einer Dreier-Koalition mit ÖVP, SPÖ und den NEOS aus. Außerdem hat er für uns die Wahl auf Salzburg-Ebene analysiert.
Moni Gaudreau

Die FPÖ ist bei der heurigen Nationalratswahl der klare Sieger. In Salzburg hat die ÖVP Platz eins eingenommen, bundesweit liegt sie auf Platz zwei. Eine blau-türkise Koalition läge rein für von den Stimmen her nahe. Und doch hält Politikwissenschafter Eric Miklin von der Universität Salzburg diese Zusammenarbeit für unwahrscheinlich. „Die ÖVP wird den Kanzler nicht abgeben, um mit der FPÖ zu koalieren. Und Kickl wird nicht zurücktreten, dafür ist das Ergebnis zu gut“, schätzt der Experte im SALZBURG24-Gespräch am Montag.

Als "realistisch wahrscheinliche Variante" geht Miklin von einer Koalition zwischen ÖVP, SPÖ und den NEOS aus. Die NEOS, weil die ÖVP mit ihnen "definitiv lieber" zusammenarbeitet als mit den Grünen, weil sie sich thematisch ähnlicher sind. Für die Salzburger Landesregierung erwartet er mit der Dreier-Koalition keine großartigen Auswirkungen. Zumindest vorerst. Sollte sich die Bundesregierung in dieser Zusammensetzung in vielen Dingen nicht einig sein, könne die Salzburger FPÖ bei der nächsten Landtagswahl davon profitieren. Im S24-Gespräch hat Miklin außerdem analysiert, wie die Parteien im Bundesland abgeschnitten haben.

ÖVP in Salzburg mit LH besser aufgestellt

Die ÖVP hat in Salzburg viele Stimmen verloren – ein Minus von rund 15 Prozent gegenüber der Nationalratswahl 2019. Dennoch holte sie sich mit 31,5 Prozent den ersten Platz und legt damit auch das beste Bundesland-Ergebnis hin. Warum war die ÖVP ausgerechnet in Salzburg so stark? "Die ÖVP ist zurzeit einfach besser aufgestellt, vor allem seit sie den Sessel des Landeshauptmanns haben", sagt Miklin. Außerdem helfe der Partei auch, dass die SPÖ seit Jahren in Salzburg "unterperformt".

FPÖ überzeugt mit Inhalten

In Salzburg haben rund 28 Prozent für die FPÖ gestimmt, damit landeten die Freiheitlichen auf Platz zwei. Erwartungsgemäß konnte die Partei vor allem am Land und in Vororten überzeugen. Gemeinsam mit der ÖVP schafft sie in ländlicheren Gebieten – auf Salzburg- und auf Bundesebene – klar die Mehrheit. "Das ist der FPÖ gelungen, weil Herbert Kickl massiv die Sprache verschärft hat", erklärt der Politologe.

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Auch wenn laut der ORF-Foresight-ISA-Umfrage nur zwei Prozent der Wähler:innen die Freiheitlichen wegen ihres Spitzenkandidaten gewählt haben, habe der Partei-Chef die Inhalte – im Grunde Migration und "immer noch" Corona – glaubwürdig vermitteln können. "Er stellt sich gegen das System und verspricht vor allem eine schmerzlose Veränderung", so Miklin.

SPÖ und KPÖ trotz Stadtregierung nicht vorne dabei

Die SPÖ wurde in Großstädten wie Wien, Graz, Linz und Innsbruck die stärkste Partei – nicht aber in der Salzburger Landeshauptstadt. Warum, wenn doch mit Bernhard Auinger seit diesem Jahr ein SPÖler das Bürgermeisteramt übernommen hat? "Eine Bürgermeisterwahl ist viel mehr eine Persönlichkeitswahl", weiß der Politik-Experte und führt aus: "Vielleicht ist Andreas Babler anders als in Wien hier in Salzburg einfach nicht so gut angekommen."

Wobei es mehrere „plausible Gründe“ gäbe, warum die SPÖ bei dieser Wahl nicht den Aufschwung geschafft hat. Als weiteren nennt Miklin die parteiinternen Streitigkeiten und "Querschüsse gegen den eigenen Spitzenkandidaten".

NR-Wahl Sbg Stadt Land Salzburg/Grafik
Das vorläufige Endergebnis der Nationalratswahl 2024 für die Stadt Salzburg.

Ein ähnliches Phänomen mit dem Spitzenkandidaten sei wohl auch bei der KPÖ der Fall gewesen. Obwohl Kay-Michael Dankl von der KPÖ Plus seit heuer Vizebürgermeister der Stadt Salzburg ist, stimmten nur knapp über sechs Prozent der Städter:innen für die Kommunisten. Miklin geht davon aus, dass es weitaus mehr gewesen wären, hätte Dankl die Position des Spitzenkandidaten eingenommen.

Grüne bei Nationalratswahl "abgestraft"

Die Grünen sind laut dem Politologen für die Regierungsbeteiligung "einfach abgestraft" worden. Viele seien vielleicht enttäuscht gewesen und deswegen wohl gar nicht erst zur Wahl gegangen. In Salzburg haben die Grünen 10.000 Stimmen an Nichtwähler:innen verloren.

Das jüngste Hochwasser vor allem im Osten Österreichs wäre wohl ein aufgelegter Aufhänger für den Klimaschutz und damit doch ein Zugpferd für die Grünen gewesen. Warum hat es nicht dann nicht gereicht? "Vielleicht sind die Menschen beim Klimaschutz zu abgestumpft oder es bedeutet zu viel Veränderung für den einzelnen Menschen", schätzt der Politik-Experte.

Wem gibt VdB den Auftrag zur Regierungsbildung?

Wahlsieger und -verlierer hin oder her: Keine Partei hat genug Stimmen, um die nächste Regierung zu bilden und muss sich deshalb nach einem Koalitionspartner umschauen. Davor beauftragt üblicherweise der Bundespräsident die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung. Ob Alexander Van der Bellen den Auftrag in Herbert Kickls Hände legt, ist fraglich. "Er könnte auch jemanden anderen aus der FPÖ, zum Beispiel Norbert Hofer, damit beauftragen", weiß der Politologe. Die andere Möglichkeit sei, dass VdB die Parteien erst sondieren lässt. Wenn dann keiner mit der FPÖ koalieren will, könne eine andere Partei mit der Regierungsbildung beauftragt werden.

Ob die neue Bundesregierung noch heuer stehen wird, sei laut Miklin schwer abschätzbar: "Es kann schnell gehen oder auch bis nach Weihnachten dauern". Im Schnitt dauern die Koalitionsverhandlungen rund 62 Tage, am längsten hat es im Jahr 1962/63 gedauert: 129 Tage haben ÖVP und SPÖ verhandelt.

Welche Koalition haltet ihr für wahrscheinlich? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

(Quelle: salzburg24)

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