Der dritte Adventsonntag steht kurz bevor. An den ersten beiden Adventsonntagen haben wir bereits verschiedene Bräuche, die es in der Weihnachtszeit in Salzburg früher gab oder bis heute noch gibt, näher beleuchtet. Zu letzteren zählen etwa das Anglöckeln, die Rauriser Schnabelperchten oder das Trestern. Grundsätzlich lassen sich Weihnachtsbräuche der Europäischen Ethnologin Ulrike Kammerhofer-Aggermann aus Salzburg zufolge grob in drei Gruppen unterteilen.
- Ankündigen von Christi Geburt: Anglöckeln, Frautragen, Herbergssuche, Heiliger Nikolaus und Krampusse, Adventsingen
- Erzählen von Christi Geburt: Weihnachtssingen, Sternsingen, "Sommer-Winter-Spiel"
- Überbringen von Neujahrswünschen: Lichtkappen-Glöckler, Schönperchten, Schnabelperchten
Pongau als Hochburg des Perchtenbrauchs
Neben dem Krampus- ist der Perchtenbrauch einer der bekanntesten in Salzburg und wird bis heute vor allem im Pongau gelebt. Rund um den Dreikönigstag am 6. Jänner wechseln sich Altenmarkt, Bischofshofen, Gastein und St. Johann ab und richten den großen Pongauer Perchtenlauf aus. Der Salzburger Landesverband der Heimatvereine legt großen Wert darauf, dass die Perchtenzeit vom 21. Dezember bis zum 6. Jänner eingehalten und klar zwischen Krampus- und Perchtenbrauch getrennt wird.
Doch auch Percht ist nicht gleich Percht. Zunächst gibt es die Schiachperchten. Die Dunkelgestalten sind durch ihren dunklen Pelz oder zottelige Kleidung und die kunstvoll geschnitzten Holzlarven mit Bockshörnern zu erkennen. Sie sollen das Böse vertreiben und den Boden wiedererwecken. Zwangsläufig mit den Schiachperchten verbunden sind die Schönperchten. Sie sind Lichtgestalten und sollen – wie der Name schon sagt – nach dem Winter wieder Licht, Sonne und Fruchtbarkeit bringen.
Schönperchten in verschiedenen Formen
Die Schönperchten treten in verschiedenen Formen auf. Eine davon sind die majestätischen Pongauer Tafelperchten, die von „Gesellinnen“ – Männern in Frauentracht – begleitet werden. Die Perchten tragen „Kappen“ mit verzierten und oft bunt geschmückten Aufsatztafeln. Ebenfalls zu den Schönperchten zählen die Tresterer im Pinzgau und der Stadt Salzburg. Jene in Zell am See gelten laut dem Buch „Salzburger Brauch“ als besonders edel. Sie tragen rot-goldene Brokatgewänder und eine Krone mit weißen Hahnenfedern, Goldschmuck und bunten Bändern und führen einen Stampftanz auf. Die Tresterer aus Unken hingegen tragen schwarze schmalkrempige Hüte mit Blumen und Bändern. Auch ihre restliche Kleidung ist mit weißem Hemd, roter Krawatte und schwarzer Hose deutlich unauffälliger als jene der Zeller Tresterer.
Als Sonderform der Perchten gelten die einzigartigen Rauriser Schnabelperchten. Sie sehen aus wie eine Mischung aus Vogel, Putzfrau und Schreckfigur. Neben den langen Schnäbeln aus Holzstäben und Bauernleinen sind sie mit einem Buckelkorb, einer großen Schere, Nadel, Zwirn und einem Besen ausgestattet. Mit leisem „Ga Ga Ga“ ziehen sie jährlich am Vorabend des Dreikönigstags von Haus zu Haus und prüfen, ob die Haushalte ordentlich geführt werden.
Weniger bekannt sind die Krapfenperchten in Dienten. Der Brauch ist identisch mit dem der Schnabelperchten. Die Krapfenperchten tragen allerdings geschnitzte Holzmasken. Ihr Name könnte von armen Dorfbewohner:innen kommen, die mit dieser Verkleidung losgingen, um Lebensmittel (Krapfen) zu erbitten, heißt es im Buch „Salzburger Brauch“.
"Sommer-Winter-Spiel" in Golling
Perchten treten auch beim „Sommer-Winter-Spiel“ am Abend des 5. Jänner in Golling (Tennengau) auf. Anführerin der in etwa 20-köpfigen Gruppe ist „Frau Percht“. Sie ziehen von Hof zu Hof und bitten die Bewohner:innen durch ein Klopfen mit Stöcken an Fenster und Haustür heraus. Die Perchtengruppe begrüßt das Publikum mit den Worten „Glück hinein, Unglück heraus, die Percht kimmt ins Haus.“ Die Anführerin „Frau Percht“ kehrt das Unglück aus dem Haus und wirft einen kurzen Blick hinein um sich zu vergewissern, dass alles sauber ist. Die Perchten führen zudem einen Tanz auf. Anschließend folgt ein Streitgespräch zwischen Sommer und Winter. Diejenigen, die den Sommer symbolisieren, tragen Strohhüte, einen weißen Anzug mit grüner Schärpe und in den Händen einen kleinen Fichtenbaum mit flatternden Bändern. Der „Winter“ wirft sich in einen Pelzrock und eine Pelzhaube sowie eine Holzmaske. Aus dem Streit geht schlussendlich der Sommer als Sieger hervor. Der Fetzenpercht nimmt zum Abschluss Gaben von den Bauersleuten entgegen und es geht weiter zum nächsten Hof.
Glöckler mit beeindruckenden Kappen
Gespalten sind die Meinungen bei der Frage, ob die Glöckler ebenfalls zu den Perchten zählen. Die Läufer in Abersee hätten sich klar gegen eine Verbindung der beiden Begriffe ausgesprochen, betont Glöckler-Experte Adolf Freudl im Buch „Salzburger Brauch“. Jene des Brauchtumsvereins Jung Alpenland hingegen sehen sich sehr wohl als eine Art Percht. Die Glöckler tragen eindrucksvolle, beleuchtete „Kappen“ auf den Köpfen. Die Lichtkappenglöckler treten in der Perchtnacht vor dem Dreikönigsfest am 6. Jänner auf. Und das Epiphaniasfest mit der Erscheinung des Herrn am 6. Jänner sei schon im 11. Jahrhundert als Perchtag bzw. Perhtag als Lehnübersetzung ins Deutsche übersetzt worden, erklärt Michael Greger, Leiter des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, im SALZBURG24-Gespräch. „Daher haben die Perchten ihren Namen und nicht von irgendeiner germanischen Göttin Perchta. Das ist eine Erfindung von Jacob Grimm. Das ist schon längst dekonstruiert.“
Schönperchten erst seit 19. Jahrhundert belegt
Perchtenläufer seien in Berchtesgaden schon im 17. Jahrhundert belegt worden. Im 17. und 18. Jahrhundert waren sie sehr einfach verlarvt, zum Teil nur mit Stofffetzen, beschreibt Greger. In alte Leinenfetzen wurden Augen hineingeschnitten. Im späteren 18. Jahrhundert gab es dann Holzmasken. Die Schönperchten – sowohl die Tresterer im Pinzgau als auch die Schönperchten in Gastein, Altenmarkt, St. Johann, Bischofshofen, Großarl, Rauris oder Dienten – gebe es in dieser Form erst seit dem 19. Jahrhundert. „Davor war keine Rede von einer Schönpercht. Es hieß nur ‚die Perchten‘. Die Schiachen sind in dem Moment entstanden, in dem es die Schönen gab. Das Hässliche macht das Schöne noch schöner. Und wenn heute in Gastein eine Domina Percht mitgeht, ist es eine Erfindung aus dem 19. Jahrhundert“, so der Volkskundeexperte.
"Weltauszeichnung" bei Kaiserbesuch in Gastein
Heutzutage werden Bräuche als Volkskultur geschätzt. Das war allerdings nicht immer so: Vor dem 19. Jahrhundert waren sie verboten, wenn sie nicht – wie das Heischen – gestattet waren. Ein Schlüsselereignis des Perchtenbrauchs gab es im Jahr 1837. Damals sind die Perchten in Gastein dem Kaiser präsentiert worden. „Man hat ihm Perchten aus dem Kötschachtal vorgeführt. Die hatten damals noch wesentlich niedrigere Kappen. Deshalb nimmt man an, dass diese Perchten vom Unterinntal und den dortigen Faschingsläufen beeinflusst wurden.“ Kaiser Ferdinand sei über die Vorführung sehr erfreut gewesen und bat die Perchten persönlich zum Abendessen. „Das war für diese einfachen Leute eine Weltauszeichnung. Ein normaler Mensch ist mit Menschen mit dieses Hochadels kaum zusammengetroffen. Damit war der ganze Brauch geadelt und erfuhr eine Umwertung“, ordnet Greger ein.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden auch die Landesbeschreiber darauf aufmerksam und die Perchten entwickelten sich ab den 1870er-Jahren immer mehr zum Nationalsymbol der Kronländer der Monarchie. „Die Schönperchten und Tresterer wurden zu einem Salzburger Identifikator. Danach wurde der Brauch völkisch umgeformt und mit den Nachklängen von Grimm romantisiert.“ Hinzu kamen Naturkulte. Unter den Nazis wurden die Perchten zur germanischen Kulturveranstaltung. „Ein vollkommener Unsinn. Da wurde ideologisch etwas übergestülpt“, sagt Greger. Nach dem Krieg galt der Brauch wieder als örtlicher Identifikator – nach dem Motto: „Das gibt es nur bei uns in Gastein, Stuhlfelden oder Unken. Das darf ja nicht kopiert werden.“
"Bräuche kein unveränderliches Vätererbe"
Diese historische Wanderung zeige, wie Bräuche unterschiedliche Ideologien aufnehmen und nahezu von jeder Generation neu gedeutet und gesehen werden. „Bräuche sind kein unveränderliches Vätererbe, sondern müssen sich mit der Kultur, in der sie stattfinden, wandeln. Sonst vergehen sie. Brauch hat etymologisch mit brauchen zu tun. Bräuche kommen nicht aus einer Volksseele oder fallen vom Himmel, sondern aus den sozialen Bedürfnissen von Gruppen. Deshalb lassen sich die meisten Brauchdefinitionen aus Kommunikationstheorien oder Theorien der sozialen Gruppe ableiten.“
Die Volkskunde sei heutzutage keine „Brauchpolizei“ mehr. Es gehe nicht darum, den Leuten zu sagen, was sie tun sollen, sondern nüchtern und mit einer gewissen Distanz zu analysieren. „Wenn man alte Fotos ansieht, sieht man, wie sich Bräuche verändern – etwa durch Verbote, Kriegsereignisse oder Gesundheitskrisen. Das ist etwas Lebendiges.“ Volkskundler der früheren Generationen hätten Bräuche gerne zum unveränderlichen Vätererbe stilisiert und als Brauchtum bezeichnet. Mittlerweile spreche man nicht mehr vom Brauchtum, sondern von Bräuchen und Ritualen, so Greger abschließend.
(Quelle: salzburg24)