Bad Hofgastein

Streit um Wild-Bestand

Veröffentlicht: 21. August 2019 16:53 Uhr
Die "Schaufütterung" von Rotwild eines Jägers im Angertal in Gastein (Pongau) hat zu einem heftigen Streit zwischen dem Weidmann und den Österreichischen Bundesforsten geführt, der auch bei Gericht anhängig ist. Aus Sicht der Bundesforste haben die mehr als 200 Stück Wild zu massiven Schäl-und Verbissschäden an den Bäumen geführt und das Gleichgewicht zwischen Wild und Wald gestört.

"Dieses Gleichgewicht gilt es in Zukunft wieder herzustellen und zu erhalten. Der Rotwildbestand muss auf ein verträgliches Maß angepasst werden", sagte der Betriebsleiter des Forstbetriebs Pongau der Bundesforste, Hannes Üblagger, am Mittwoch bei einem Lokalaugenschein im Angertal vor Journalisten.

Bundesforste beklagen große Schäden

Eine Vielzahl der Bäume der rund 30 Hektar großen Waldfläche im Besitz der Bundesforste sei dort vom Wild geschädigt. Das Gebiet befindet sich in der Nähe einer umstrittenen Wildfütterung unterhalb der Gadauner Hochalmen. Üblagger zeigte auf die deutlich sichtbare Braunfäule an Bäumen, die durch die Schälschäden des Rotwildes entstanden seien. Die Rinde ist mit schwarzem Pech überzogen und erweckt für den Laien den Eindruck, als hätte hier ein Feuer gewütet.

Üblagger: "Bäume destabilisiert"

Durch die Schälwunde dringen Fäulepilze in den Stamm ein. "Die Standfestigkeit des Baumes wird destabilisiert. Bei viel Schnee oder starkem Wind bricht er ab. Der Wald kann hier seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen", gab der Betriebsleiter zu bedenken. Es entstehe auch ein wirtschaftlicher Schaden, denn das Holz könne nicht mehr als Nutzholz, sondern nur mehr als minderwertigeres Brennholz verkauft werden. Laut einem behördlichen Gutachten seien 85 Prozent der rund 40 Jahre alten Bäume bereits geschält.

Wild soll Lärchensetzlinge angeknabbert haben

Im Jahr 2002 hat hier ein Föhnsturm einen großen Windwurf verursacht. Im Gegensatz zur gegenüberliegenden, von diesem Sturm ebenfalls betroffene Talseite, seien hier die Jungbäume nicht aufgekommen, erklärte Üblagger. Von den 20.000 gepflanzten Lärchen seien wegen des Wildverbisses beinahe keine mehr übrig geblieben. Die in Zeiten der Klimaerwärmung besonders wichtigen Mischbaumarten würden so stark verbissen, dass sie großteils absterben.

Ein Teil des Hanges ist auch von Erosion betroffen. In 20 Jahren könnte hier ein völlig unbewaldeter Bereich entstanden sein, sagte der Betriebsleiter. Entwaldete Flächen seien im Gebirge aber potenziell gefährlich, wegen Lawinen und Muren. Die Loipe im Tal sei in einem Teilbereich auf Anregung der Lawinenwarnkommission bereits verlegt worden. In den letzten Jahren hätten die Aufforstung mit Jungpflanzen und die Pflegemaßnahmen den Bundesforsten rund 300.000 Euro im Forstrevier Gastein gekostet.

Wildflüsterer Tscherne anderer Meinung

Der Lokalaugenschein war auch eine Reaktion auf den Streit mit dem Gasteiner Jäger und Gastronom Thomas Tscherne. "Wir wollen auch unsere Sicht der Dinge darstellen können", sagte Üblagger. "Kontrahent" Tscherne, der medial viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist der Meinung, dass die Anzahl an Wild, das im Winter zur Wildfütterung ins Angertal kommt, für den Wald sehr wohl verträglich sei. Die Bundesforste halten aber eine Reduktion des Wildes für notwendig, damit der Wald bestehen kann.

"Wir haben heuer im Februar 237 Stück Rotwild gezählt", schilderte ein Jäger. Im Jahr 1998, als Tscherne die Jagd von den Bundesforsten gepachtet habe, seien es 50 Stück gewesen, sagte Üblagger. "Da war der Rotwildbestand noch im Gleichgewicht." Seither sei die Anzahl gestiegen, im Jahr 2015 habe man sich von Tscherne getrennt. Dieser ist nun Jagdpächter einer Agrargemeinschaft und kümmert sich auch um die einzige Wildfütterung im Angertal. Der Jäger ist auch als "Hirschflüsterer" bekannt.

Gericht: Wild bis 2020 reduzieren

Im Streit um die Stückzahl wurde auch das Landesverwaltungsgericht befasst. Dem Urteil zufolge ist das Wild bis 15. Jänner 2020 auf 125 Stück und im Folgejahr auf 100 Stück zu reduzieren. Allerdings hat Tscherne dagegen Revision eingelegt. "Wenn 100 Stück erreicht sind, passt das", meinte der Gasteiner Hegemeister Andreas Hörtnagl. Aber es sei schwierig, das in den Griff zu bekommen. Die Jäger wissen zudem, dass diese Maßnahme, also das vermehrte Abschießen des Wildes, unpopulär ist. Man habe zu spät auf die wachsende Zahl an Rotwild in diesem Gebiet reagiert, gestand Üblagger einen Fehler ein.

Zivilverfahren gegen Tscherne anhängig

Im Rechtsstreit zwischen den Bundesforsten und Tscherne ist am Landesgericht Salzburg ein Zivilverfahren anhängig. Die Bundesforste hatten eine Unterlassungsklage eingebracht. Einem Zwischenurteil vom März 2019 zufolge muss Tscherne die Äußerung einstweilig unterlassen, wonach die ÖBF Rehe mutwillig verhungern lassen, um so den Wildbestand zu reduzieren. Allerdings darf der Jäger bis zur rechtskräftige Entscheidung über die Unterlassungsklage weiterhin sagen, dass die Bundesforste auf trächtige Tiere schießen lassen. Für ihn gehe es um die Arterhaltung der Wildtiere in den Alpen, sagte Tscherne in einem APA-Interview. Zu Wildschäden komme es deshalb, weil das Wild beim verzweifelten Versuch, zu überleben, "all das frisst, was nicht so attraktiv ist". Von einem Überlebenskampf des Rotwildes in den Alpen sei man aber weit entfernt, konterten die Bundesforste.

(Quelle: apa)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken