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Populismus-Forscher im Sonntagstalk: "Trennung der Gesellschaft in zwei Gruppen"

Der Salzburger Politikwissenschafter Robert Huber hat mit uns im Sonntagstalk über das Thema Populismus gesprochen. 
Veröffentlicht: 02. März 2025 10:49 Uhr
Populismus ist ein Begriff, der allgegenwärtig ist, wenn über Politik gesprochen wird – aktuell ganz besonders im Zuge der Wahlberichterstattung in Österreich, aber auch in Deutschland. Aber was ist Populismus überhaupt? Was ist der Unterschied zu Extremismus? Und ab wann wird es gefährlich? Das verrät uns der Salzburger Politikwissenschafter Robert Huber im heurigen Sonntagstalk.

Populistisch, radikal, extrem oder extremistisch: An diesen Beschreibungen kommen die meisten von uns derzeit wohl kaum vorbei. Nachdem die FPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich im Herbst einen historischen Zuwachs eingefahren hat, gelang es kürzlich auch der AfD bei der Bundestagswahl in Deutschland. Auch im Zusammenhang mit der "Linken", die den Einzug in den deutschen Bundestag geschafft hat, wird immer wieder von Populismus gesprochen. Aber wie wird Populismus überhaupt definiert? Wo liegen die Unterschiede zu Extremismus oder Radikalismus? Und werden populistische Parteien künftig noch mehr Zuspruch erfahren? Wir haben Politikwissenschafter Robert Huber gefragt. Er ist Professor für Methoden der Politikwissenschaft an der Universität Salzburg und forscht zum Thema Populismus.

Sonntagstalk mit Robert Huber: Ein Auszug zum Nachlesen

SALZBURG24: Was ist Populismus?

ROBERT HUBER: Häufig verwenden wir Populismus ein Stück weit als Schlagwort, bei dem wir gar nicht so genau wissen, was wir damit meinen. Wenn wir an die Diskussion am Stammtisch denken, dann ist Populismus häufig etwas anderes als aus einer wissenschaftlichen Perspektive. Es gibt unterschiedliche Strömungen, aber eine sehr gängige Definition sieht Populismus als Weltsicht oder als Ideologie. Diese versucht die Gesellschaft in zwei Gruppen zu unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es das „gute Volk“, das einen Volkswillen hat, das moralisch rein und in der Ausdrucksweise mancher Parteien zum Beispiel „der gute Österreicher“ ist. Auf der anderen Seite gibt es eine korrupte Elite, die nur aus Eigeninteresse handelt und verhindert, dass der Volkswille umgesetzt wird. Ein Teil von anderen Definitionen ist der Stil, den Populist:innen nutzen: Einfachere Sprache, andere Sprache, bestimmtes Auftreten, bestimmtes Spielen mit Symboliken. Leichte, einfache Lösungen anzubieten, ist aus einer wissenschaftlichen Perspektive aber noch nicht populistisch.

Können Sie konkrete Beispiele nennen, bei denen man dieses bestimmte Auftreten oder diese bestimmte Sprache sehen kann?

Einfachere Sprache ergibt die Möglichkeit darzustellen, dass man spricht wie das Volk und das bei Wähler:innen so ankommt, dass jemand so spricht wie sie. Das sieht man in Österreich zum Teil. Vor allem die FPÖ wird häufig als populistisch gesehen. Sebastian Kurz ist jemand, dem man einen gewissen populistischen Stil nachsagen kann. Donald Trump und Boris Johnson sind spannende Beispiele, weil es nicht nur darum geht, wie man spricht, sondern auch, wie man auftritt. Boris Johnson als ehemaliger Premier von Großbritannien hat sehr viele elitäre Schulen besucht und weiß sehr genau, wie man sich aus einer Sicht der Elite kleiden sollte. Absichtlich signalisiert er aber mit seiner Frisur, seiner Krawatte oder der Art und Weise, wie sein Anzug getragen wird: Ich halte mich auch nicht an die Regeln, ich bin anders als die da oben.

Spielt der Inhalt dann keine große Rolle?

Häufig wird Populismus als dünne oder leichte Ideologie gesehen. Es gibt sehr wenig Information über einen ganz konkreten Bereich hinaus. Wenn wir Politik aus der populistischen Weltsicht als das gute Volk gegen die bösen Eliten wahrnehmen, sagt uns das relativ viel über das Demokratieverständnis dieser Parteien. Es sagt uns aber überhaupt nichts darüber, ob Steuern höher oder niedriger sein sollten, ob es mehr oder weniger Klimapolitik ist oder wie die Position zur gleichgeschlechtlichen Ehe ist. Es ist ganz wichtig zu trennen, dass die größere Ideologie, die häufig als dicke oder träge Ideologie wahrgenommen wird, einen ganz zentralen Unterschied macht, wie Populismus wirkt. Wenn eine Partei politisch oder kulturell eher rechts steht, wird vielleicht das Volk schon ganz anders definiert. Dann geht es zum Beispiel bei der FPÖ um Österreicher:innen, die hier aufgewachsen sind, deren Eltern aus Österreich sind, die weiß sind. Menschen mit Migrationshintergrund fallen nicht in diese Definition des guten österreichischen Volks.

Wenn wir jetzt in einen anderen Kontext bei Linkspopulisten gehen – und das haben wir in Österreich nicht – wird das Volk eher über ökonomische Kriterien definiert. Das ist dann die Klasse der Arbeiter:innen. Es werden andere Faktoren herangezogen, um diese Gruppen zu kreieren und damit Politik zu machen. Linkspopulist:innen legen viel mehr Wert auf ökonomische Politikmaßnahmen, Rechtspopulist:innen argumentieren ganz stark auf der kulturellen Ebene. Sehr häufig werden rechte Ideologie und Populismus zusammengeworfen, weil diese Dinge zusammen auftreten. Aber für ein analytischeres Verständnis dieser beiden Aspekte und was der Treiber von Politikpositionen ist, muss man das ganz klar trennen können.

Welche Gefahren birgt Populismus einerseits für die Gesellschaft, andererseits für einzelne Personen oder Personengruppen?

Was wir sehr stark sehen und auf jeden Fall mit Populismus zu tun hat ist eine Veränderung der Polarisierung. In der Vergangenheit gab es auch Polarisierung von Positionen. Das braucht Demokratie. Denn wenn es keine unterschiedlichen Positionen gibt, die in Wettbewerb stehen, braucht man den Entscheidungsmechanismus fast gar nicht. Aber seit den letzten zehn Jahren gibt es etwas, das man sehr häufig affektive Polarisierung nennt. Es geht nicht mehr nur darum, dass Leute verschiedene Positionen haben, sondern es gibt eine moralische Bewertung, ob Positionen gut oder schlecht sind. Polarisierung macht politische Aushandlungsprozesse schwieriger. Das haben wir gerade in Österreich erlebt. Der Bundespräsident hat in seiner Rede von der verlorenen Kunst des Kompromisses gesprochen.

Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's ab sofort wieder jede Woche. Am kommenden Sonntag, 9. März, geht es um den Weltfrauentag. Einfach reinhören!

(Quelle: salzburg24)

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