Es ist eine ganz eigene Stimmungslage, die viele Menschen immer wieder ergreift: Der Blues. Und wenn du ihn hast, dann hat er dich. Oft ergreift dich eine ganze Horde an Gefühlen und Emotionen. Du bist traurig und gleichzeitig dankbar, du bist schwermütig, nachdenklich, sensibel und fühlst gleichzeitig so etwas wie Zufriedenheit. Bittersüß eben. Die Melancholie ist der Same des Glücks, sagte der Salzburger Glücksforscher Anton Bucher in einem früheren Sonntagstalk mit SALZBURG24. Dankbarkeit, Ehrfurcht vor dem Leben und Realitätssinn gelten dabei als nahrhafter Boden, in dem der Same gedeihen kann.
Der Sonntagstalk mit Anton Buchner wurde im August 2024 aufgenommen. Anlässlich des heutigen Weltglückstags haben wir ihn neu veröffentlicht.
Anton Bucher (63) ist Theologe, Pädagoge und Buchautor. Der gebürtige Schweizer lebt und lehrt seit rund 30 Jahren in Salzburg. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der wissenschaftlichen Erforschung der Psychologie von Spiritualität und Religiosität.
Sonntagstalk mit Anton Bucher: Ein Auszug zum Nachlesen
SALZBURG24: Was ist Melancholie überhaupt?
Ich danke für die Frage. Das Wort kommt, wie viele Fremdwörter, aus dem Griechischen. Beim Begründer unserer abendländischen Medizin, Hippokrates, bedeutete das Wort ursprünglich auch die „schwarze Galle“. Hippokrates hat die Melancholie eher als etwas Negatives gesehen, als etwas Träges, Schwermütiges. Aktuell wird Melancholie nicht als Depression gesehen, sondern eher als eine tiefe Nachdenklichkeit. Sie ist eine gemischte Emotion, die unser Leben enorm vertiefen und auch bereichern kann.
Emotionen gehen ja meistens relativ schnell vorüber. Ist das bei der Melancholie auch so?
Emotionen können in der Regel einfach sehr kurzfristig sein. Wenn ich erschrecke oder eine Panikattacke habe, geht das hoffentlich schnell vorbei. Aber Melancholie kann auch eine Grundstimmung im Leben vieler Menschen sein.
Schon der griechische Philosoph Theophrast, er war ein Schüler von Aristoteles, hatte zu Recht darauf hingewiesen, dass jene Menschen, die vieles vorangebracht haben – in der Kunst, der Politik, in der Philosophie – auch vielfach in einer melancholischen Grundstimmung waren. Das trifft etwa auch auf Johann Wolfgang Goethe zu, der dann die beste Dichtung hervorgebracht hat, wenn er in melancholischer Stimmung war. Oder auch andere wichtige Personen wie etwa Komponist Ludwig van Beethoven, Maler Vincent van Gogh oder auch Politiker wie Abraham Lincoln, der den Sklaven in den USA die Freiheit gebracht hat, waren sehr oft in melancholischer Stimmung.
Kann die Melancholie einen dann auch ein bisschen näher zu sich selber bringen, zur eigenen Existenz?
Wir haben vor einiger Zeit eine Umfrage bei 300 Personen gemacht und wollten wissen, wie sie Melancholie erleben, wie sie damit umgehen und was Melancholie jeweils bewirkt. Und da hat sich gezeigt, dass Melancholie auch in einem engen Zusammenhang mit dem Alleinsein steht. Im Gegensatz zur Einsamkeit, das ein schmerzhaftes, ein bitteres Gefühl ist, gehört Alleinsein zum Menschsein dazu. Alleinsein ist ein Zeichen von Reife. Es gibt Menschen, die überhaupt nie allein sein können. Aber im Alleinsein kann ich in die Tiefe gehen und über die existentiellen Fragen nachdenken. Wenn ich an mein bisheriges Leben denke, kann das ein Gefühl von Dankbarkeit auslösen. Dankbarkeit für das, was ich bisher erleben durfte. Und zugleich kann in mir auch eine gewisse Traurigkeit entstehen, dass es alles vorübergegangen und vorbei ist. Das Glück des Traurigseins sozusagen.
Was ist Glück aus wissenschaftlicher Sicht?
Glück ist mehr als nur jeweils Genuss, Vergnügen oder Lust. Man unterscheidet ein hedonistisches Glück. Das ist Genuss, der oftmals auch von außen zugeführt wird, im extremen Fall mit Kokain oder anderen Drogen. Demgegenüber steht das, was wir Menschen uns mit eigenen Kräften selbst erarbeiten.
Bewegung hat auch wesentlich mit Glück zu tun. Ich denke, es gibt kaum ein Glückserleben, das tiefer ist, als über die Ziellinie eines Marathons gelaufen zu sein. Für mich verbindet sich dann immer in meiner Biografie die Erinnerung an meine jüngste Schwester, die in ihrem Jugendalter in eine schwere Depression kam. Ich habe sie damals dann regelrecht gezwungen, mit mir laufen zu gehen. Laufen, laufen, laufen. Mittlerweile ist sie einen Bergmarathon gelaufen und hat sich so aus ihrer Depression befreit.
Nur wer tugendhaft lebt, kann glücklich werden. Stimmt diese Aussage?
Die stimmt nur bedingt. Es gibt auch viele Sadisten, die Glück erlebt haben. Viele Schurken in unserer Weltgeschichte. Auf den engen Zusammenhang von Tugend und Glück hat auch schon Aristoteles hingewiesen. Und zur Tugend gehört ja auch, dass ich offen bin für andere Menschen. Es geht eben auch um den zwischenmenschlichen Bereich.
Und dieser Haltung entgegengesetzt sind die sogenannten narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Das sind Menschen, die primär an sich denken, die keine Kritik ertragen, nur von den eigenen Ambitionen erfüllt sind, die es aber leider vielfach auch politisch sehr, sehr weit bringen können. Denken Sie nur an den Herrn Trump im Begriff einer narzisstischen Persönlichkeit, denken Sie an den Berlusconi. Erwiesenermaßen ist es auch so, dass narzisstische Menschen vielfach so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie Glück auch kaum erleben können – vor allem kein geteiltes Glück. Glück wird ja dadurch auch mehr, wenn es mit anderen geteilt wird.
Wie lässt sich eine glückliche Gesellschaft definieren und was funktioniert in einer glücklichen Gesellschaft besser als woanders vielleicht?
Es gibt jedes Jahr die World Happiness Study, die in 190 Ländern durchgeführt wird. Übrigens macht man diese Studie nie, wenn eine Fußballweltmeisterschaft stattfindet. Stellen Sie sich vor, Brasilien fällt aus dem Viertelfinale raus und am nächsten Tag wird diese Umfrage gemacht. Das geht nicht gut.
Glückliche Gesellschaften haben unter anderem folgende Merkmale: Sie haben mehr Demokratie und mehr persönliche Freiheit. Deswegen war es auch so, dass die postkommunistischen Staaten mit der diktatorischen Vergangenheit eher unglückliche Bewohner gehabt haben. Eines der glücklichsten Länder in Lateinamerika ist übrigens Costa Rica. Dort wurde 1949 das Militär abgeschafft und das dadurch freigewordene Geld in die Bildung gesteckt.
Es ist auch nicht so, dass glückliche Gesellschaften unbedingt sehr reich sein müssen. So wissen wir interessanterweise, dass wirtschaftlich schwer leidende Nationen recht glücklich sein können, unter anderem Argentinien. Was machen die Argentinier regelmäßig? Sie tanzen Tango und Salsa und das macht glücklicher als viel Geld auf dem Konto zu haben.
Wie glücklich ist Österreich?
Österreich gehört ja zu den glücklicheren Ländern. Wir haben zwar regelmäßig unsere politischen Skandale, wir haben viel Unwahrheit, leider auch in der Politik. Und leider haben wir auch ein schwer leidendes Image der Politiker und Politikerinnen. Das ist die eine Seite. Aber zum anderen haben wir Demokratie und auch einen gewissen Wohlstand, wir haben soziale Sicherheit. Wir haben ein vorzügliches Pensionssystem. Und manchmal gehört es zu unserer österreichischen Eigenart, dass man auch immer ein bisschen raunzt. Und da denke ich oft an meinen Vater, der immer gesagt hat: „Wenn die Menschen nicht mehr jammern, dann muss es ihnen wirklich schlecht gehen.“
(Quelle: salzburg24)