Rund die Hälfte der Jugendlichen in Salzburg leidet laut einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK), die vergangene Woche präsentiert wurde, unter psychischen Beschwerden – von Erschöpfung über Gereiztheit bis hin zu Angst oder Einsamkeit. AK und Ulrike Altendorfer-Kling, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, fordern mehr Hilfsangebote – auch im schulischen Bereich. Die Studienergebnisse decken sich auch mit seinem Eindruck, sagt Landesschulsprecher Marcus Gallei, der das Gymnasium Zaunergasse in der Landeshauptstadt besucht, im SALZBURG24-Gespräch.
Psychische Probleme werden "oft totgeschwiegen"
„Aus meiner persönlichen Beobachtung würde ich sagen, dass die meisten sich gar nichts anmerken lassen oder in die Öffentlichkeit tragen. Über die psychische ‚Ungesundheit‘ zu reden, ist immer noch ein gewisses Tabu, obwohl es im Vergleich mit der Zeit vor 20 Jahren besser geworden ist. Dennoch sprechen es die wenigsten offen an, maximal im engsten Freundeskreis.“ Sarah Seywald, die bis zu ihrer Matura im heurigen Jahr die HAK Zell am See (Pinzgau) besuchte und in der Landesschüler:innenvertretung aktiv war, berichtet im S24-Interview ebenfalls: „Ich habe das Gefühl, dass das Thema oft totgeschwiegen wird. Man redet höchstens mit engen Freundinnen und Freunden darüber. In der Schule bzw. im Unterricht wurde es bei uns ebenfalls kaum thematisiert.“
Am BG Zaunergasse gibt es laut Gallei verschiedene Initiativen, die auf das Thema psychische Gesundheit aufmerksam machen sollen. Das Gymnasium sei etwa eine der wenigen Bildungseinrichtungen in Salzburg, die an zwei Tagen pro Woche eine Schulsozialarbeiterin zur Verfügung haben. Aufholbedarf sieht der 17-Jährige allerdings im Zusammenhang mit Social Media. „Man müsste auf viel mehr Medienkompetenz bei Schüler:innen setzen. Bei der Debatte zum Handy-Verbot habe ich immer wieder betont, dass man besser über Gefahren und Vorteile der digitalen Welt aufklären sollte.“
In welchem Umfang psychische Gesundheit besprochen wird, hänge stark von den jeweiligen Schulen ab. „Ich kenne genauso Erzählungen von anderen Schulsprecher:innen, dass es normal ist, dass man weinende Personen in den Klokabinen hört.“ Auch Seywald ortet Unterschiede je nach Schule. „Wir hatten zwar auch eine Schulpsychologin, aber von ihr hat man nicht wirklich viel mitbekommen und viele wussten nicht, wann man zu ihr gehen kann oder mit welchen Problemen man sich an sie wenden kann.“ Die 18-Jährige vermutet zudem, dass sich mehr Jugendliche trauen würden, im Klassenverband offener zu sprechen, wenn ihnen vermittelt werden würde, dass sie nicht alleine sind.
"Perfektionismus für Menschen nicht erreichbar"
Aber woran könnte es liegen, dass viele Jugendliche mit psychischen Beschwerden kämpfen? „Die Schule ist ein Ort von enormem Leistungsdruck. Das ist meiner Meinung nach das größte Problem. In skandinavischen Ländern wird zum Beispiel das Notenkonzept anders angegangen“, so Gallei. Gerade im Maturajahrgang habe der Stress viele Schülerinnen und Schüler belastet, ergänzt Seywald. Diese Beobachtung spiegelt sich in am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Initiative „Mental Health Days“ – einem österreichweiten Präventionsprogramm mit Aktionstagen in Schulen zur Förderung der mentalen Gesundheit – wider. Mehr als 14.000 Kinder und Jugendliche wurden in acht Bundesländern befragt. Das Ergebnis: Fast die Hälfte strebt nach Perfektion. „Wir befinden uns in einem Teufelskreis, weil Perfektionismus für uns Menschen nicht erreichbar ist,“ kommentiert Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), die Zahlen. Auch mit Niederlagen müsse umgegangen werden.
Was den Kindern und Jugendlichen der Untersuchung zufolge am meisten Druck macht, ist mit 6.163 Nennungen die Schule. Die Noten werden 551 Mal genannt. Erstaunlich hoch ist auch die Nennung der Erziehungsberechtigten als Druckmittel (1.174 Mal). „Die wenigsten Eltern machen das in böser Absicht“, meint Haid. Den meisten Eltern gehe es darum, dass ihre Kinder gut und gesund erwachsen werden können.
Schüler:innen wünschen sich mehr Aufklärung über Hilfsangebote
Landesschulsprecher Gallei fordert, dass es auch – wie bei schulärztlichen Untersuchungen – einmal im Jahr ein Gespräch mit Schulpsycholog:innen oder Schulsozialarbeiter:innen gibt. Und: „Jugendliche müssen wissen, wo sie sichere Anlaufstellen finden. Oft ist es sicher auch der Fall, dass man sich schämt, es vor den Eltern anzusprechen. Niederschwellige Angebote, die man auch ohne Begleitung aufsuchen kann, müssen besser bekanntgemacht werden“, sind sich Seywald und Gallei einig. Die Pinzgauerin wünscht sich auch, dass Themen wie psychische Gesundheit, Stressbewältigung oder Mobbing als Teil der Bildung gesehen und nicht nur mit einzelnen Lehrkräften oder dann besprochen werden, wenn es gerade in den Lehrplan passt.
Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) verweist auf S24-Anfrage neben dem Einsatz von Schulpsycholog:innen, Schulsozialarbeiter:innen, Vertrauens- und Beratungslehrer:innen auf verschiedene Schwerpunktaktionen wie die „Mental Health Days“, „Lebenswert Plus“ oder „Gesund aus der Krise“. Dadurch soll das Bewusstsein für psychische Gesundheit gestärkt und ein offener Umgang mit psychischen Problemen gefördert werden. Doch die Angebote scheinen nicht bei allen Schüler:innen anzukommen. In den nächsten Jahren sollen jedenfalls weitere Schwerpunkte zur Förderung der psychischen Gesundheit im schulischen Bereich gesetzt werden, so Gutschi. Ob und wie es in Zukunft besser gelingt, die Jugendlichen zu erreichen, bleibt abzuwarten.
(Quelle: salzburg24)