Stadt

23.500 historische Krankenakten vor dem Verfall gerettet

Veröffentlicht: 26. Februar 2015 12:51 Uhr
Die Salzburger Christian-Doppler-Klinik und das Landesarchiv haben einen Schatz für die Forschung zur Medizingeschichte gehoben. 23.500 Krankenakten aus der Zeit von 1850 bis 1969, die im Keller des Spitals unbeachtet gelagert waren, wurden an das Landesarchiv übergeben.
Andre Stadler

"Damit haben wir eine wertvolle Quelle gesichert", sagte Spitalsreferent LHStv. Christian Stöckl (ÖVP) am Donnerstag vor Medien.

Akten haben enormen Wert

Die Akten wurden jahrzehntelang unter nicht geeigneten Bedingungen im Keller der psychiatrischen Klinik aufbewahrt. Die alten Bücher waren von Schimmel befallen. In einem ersten Schritt wurden die Akten geborgen und in Deutschland bei einer Spezialfirma mit Gamma-Strahlen behandelt, um die Schimmelpilze abzutöten. Danach wurden die Akten gereinigt, sortiert und indexiert. Mittlerweile ist das historische Material in rund 600 Kartons des Landesarchivs gelagert. Mit dem neuen Bestand eröffneten sich viele neue Forschungsfragen, sagte Oskar Dohle, der Leiter des Landesarchivs. Der historische Quellenwert der Akten sei enorm.

"Wer gefährlich war, wurde weggesperrt"

Anhand der Akten, die ersten Recherchen zufolge durchgängig von 1850 bis 1969 erhalten wurden, lässt sich beispielsweise die Entwicklung der Behandlung psychisch kranker Menschen im Bundesland nachvollziehen. Die heutige Christian-Doppler-Klinik wurde als Landesheilanstalt im Jahr 1898 gegründet. In das Archiv der Heilanstalt wurden damals auch jene Krankenakten übernommen, die in der Vorgängereinrichtung, in der Irrenanstalt im Kammerlohrhof in Salzburg-Schallmoos, angelegt worden waren. Im 19. Jahrhundert habe es keine Therapiemöglichkeiten gegeben. Die Kranken wären in harmlose, unruhige und gefährliche Patienten eingeteilt worden, erzählte Reinhold Fartacek, der Leiter der Christian-Doppler-Klinik. Wer gefährlich war, wurde weggesperrt.

Auch NS-Zeit dokumentiert

Nach bisherigem Wissensstand wurde der Aktenbestand auch in der Zeit nach dem Nationalsozialismus nicht aussortiert. Fartacek erzählte von einer Akte aus dieser Zeit, die ein achtjähriges Mädchen betraf. Das Kind sei nach einigen Wochen in der Heilanstalt in Salzburg in den Spiegelgrund in Wien überstellt worden. Die neuen Bestände des Landesarchivs können auch bei der Beantwortung von Forschungsfragen rund um die NS-Euthanasie helfen. "Die Überprüfung, ob aus der Zeit des Nationalsozialismus die Akten wirklich vollständig vorhanden sind, wäre schon eine interessante Forschungsfrage für sich", regte Dohle an.

Akten aus 150 Jahren

Interessant ist auch die Veränderung der Einträge in die Krankenakten. So wurde früher die Blutsenkungsgeschwindigkeit der Patienten sehr akribisch dokumentiert. "Das war damals die einzige Möglichkeit, um auf Entzündungsprozesse im Körper zu schließen", schilderte Fartacek. Auch viele genetische Befunde - die Suche nach psychischen Erkrankungen in der Familie - spielte vor 150 Jahren eine große Rolle, berichtete der Mediziner.

Interessierte müssen Antrag stellen

Die Akten dürfen nur unter strengen Auflagen eingesehen werden. Wer etwas über die Krankengeschichte seiner Vorfahren recherchieren will, muss einen schriftlichen Antrag stellen. Für wissenschaftliche Arbeiten dürfen nur anonymisierte Auswertungen vorgenommen werden. Die Entscheidung, wer für welchen Zweck in die Akten Einsicht nehmen darf, entscheiden jeweils der Leiter des Landesarchivs und der Ärztliche Direktor der Christian-Doppler-Klinik gemeinsam.

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken