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Gelungenes musikalisches Opfer: 5. Taschenopernfestival in Salzburg

Veröffentlicht: 21. September 2013 16:43 Uhr
Fast drei Stunden voll zeitgenössischem Musiktheater mit überwiegend sozialkritischem Anspruch: Die Salzburger ARGEkultur und ihr Koproduktionspartner „Klang 21" muten ihrem Publikum auch in der fünften Auflage ihres originellen, biennal durchgeführten Taschenopernfestivals einiges zu.

Fünf Komponisten aus Österreich, Deutschland, Italien und Argentinien setzten sich mit der Opfer-Thematik auseinander, gemeinsam mit Regisseuren, den Musikern des österreichischen ensemble für neue musik (oenm), exzellenten Schauspielern, Sängern und Videokünstlern entstanden formal wie auch inhaltlich unterschiedliche Miniaturen. Die Uraufführung am Freitagabend, wurde lang beklatscht, das Experiment ist über weite Teile gelungen.

Taschenopernfestival: Leichen am Strand

Ausgangspunkt für die Künstler war ein legendäres Pressefoto, das zwei zugedeckte Leichen an einem Urlaubsstrand zeigt. Cio D'Or, Techno-Produzentin und DJane, sowie Thierry Bruehl, Festivalleiter und Regisseur, gingen in ihrer Arbeit direkt auf die Situation ein: „Distanz" erwies sich als viertelstündiges Strandidyll mit Abgründen. Während die akustische Klanglandschaft durch irritierende Sound-Schnipsel gebrochen wurde, stemmten Tobias Ofenbauer und Christoph Kail zwei Monologe des großen Theaterautors Bernard-Marie Koltes. Der Europäer als Scharfrichter über die Eindringlinge aus dem Süden, der Europäer als Hilfesuchender – diese zwei Pole gaben den thematischen Faden für den restlichen Abend vor.

Auch Hüseyin Evirgen, ebenso wie Cio D'Or in der Berliner Techno-Szene etabliert, nahm sich mit Bruehl einen Koltes-Text vor: „Kampf des Negers und der Hunde". Nach einem tödlichen Unfall duellieren sich ein Unternehmer (Michael Günther) und ein fremdländischer Angehöriger (Michael Klammer), das nächste Todesopfer ist also vorprogrammiert.

Stammgast Evigren beim Taschenopernfestival

Komponist Evirgen ist Stammgast beim Taschenopernfestival, diesmal steuerte der Salzburger Kosmopolit ungewöhnlich dichte, sich bis zum apokalyptischen Kehraus stetig steigernde Musik bei. Die Musiker des oenm, das als zentrales Ensemble des Festivals einmal mehr seine enorme Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit demonstrierte, waren hier ebenso stark eingesetzt wie der „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor". Zwei mit elektronischer Musik angereicherte Miniaturen jedenfalls, die zwingender wirkten als die von repetitiv-puristischer Neuer Musik (Filippo Perocco) und assoziationswütigen Videos (Jürgen Palmer) über pervertierten Körperkult getragene Arbeit „Panorama".

Hatte der musiktheatralische Zugang heikle akustische Gratwanderungen mit Einbußen im Textverständnis zur Folge, so sorgten danach zwei längere Arbeiten für Klarheit. „Stillleben mit Kanister" war vom Autor Hans-Peter Jahn klar als „Kammertheater mit Musik" markiert, und der Halbstünder erwies sich denn auch als zwingendster Zugang zum Thema. Die großartige Julianna Herzberg als gefesseltes Opfer nahm wortgewaltig den Kampf gegen ihre unbekannten Peiniger auf, ehe Christoph Kail als irrwitziger Psychopath für Auflösung sorgte. Konventionelles Theater mit lose eingebauter Hintergrundmusik von Natalia Gaviola zwar – aber ein lakonisch-beklemmender Text von großer Wirkung.

Fixstern in der Neuen-Musik-Szene Salzburgs

Was Neue Musik kann, bewies zuletzt die junge Kölnerin Brigitta Muntendorf mit ihrer Komposition „Endlich Opfer": Aus simplem Taktzählen – „one two three four" – entwickelt sich ein subtiler Orchester-Groove. Juan Garcia Rodriguez, souveräner musikalischer Leiter des Abends, sah sich einem Pendant auf einer Video-Leinwand gegenüber: ein „schwarzer" Dirigent als finale Pointe, die Michael Günther per Leitmotiv „Einmal ein Schwarzer sein..." weiterführte. Die Minderheitenfrage wurde freilich bewusst ebenso wenig gelöst wie jene über die Zukunft der Oper. Für Salzburg und seine Neue-Musik-Szene ist das Taschenopernfestival dennoch weiterhin ein ganz wichtiger Fixstern. (APA)

(Quelle: salzburg24)

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