Der Probebetrieb von Tempo 80 hat einen Rückgang der Stickoxid-Belastung um sechs bis sieben Prozent gebracht. Rössler spricht von einem "großen Erfolg". Sie möchte daher auch künftig eine Tempo-Reduktion und wird dies der Landesregierung vorschlagen, kündigte sie am Donnerstagnachmittag bei einem Pressegespräch an.
Tempo 80 nicht durchgängig eingehalten
Von Mitte Februar bis Mitte Mai dieses Jahres betrug auf einem rund zehn Kilometer langen Abschnitt (Knoten Salzburg bis Salzburg-Nord) die erlaubt Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, also um 20 Stundenkilometer weniger als im Normalbetrieb. Tatsächlich wurde der Verkehr aber nicht um diese Differenz langsamer: Bei den Autos ging das durchschnittliche Tempo um zwölf km/h zurück, beim Schwerverkehr (für den galt schon davor Tempo 80) um sechs Stundenkilometer. Das ist einer der Gründe, weshalb die Reduktion der Schadstoffbelastung nicht die erwarteten 13 Prozent erreicht hat.
Mit dem 80er wurde aber noch ein zweiter positiver Effekt für die Bewohner entlang der Autobahn erzielt: Die Lärmbelastung ging um zwei Dezibel zurück. "Das klingt nicht viel, entspricht aber einem Rückgang des wahrgenommenen Pkw-Verkehrs um 35 Prozent", erläuterte Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. "Das ist eine ganz massive Entlastung."
"Das entspricht einer Vollsperre der Autobahn von 26 Tagen und ist somit ein klarer Erfolg", so Rössler in dem Informationsgespräch. "Durch keine andere Maßnahme, etwa Lkw-Nachtfahrverbote oder Fahrverbote für bestimmte Lkw-Klassen, können die Luftschadstoffe in diesem Ausmaß gesenkt werden."
"Tempo 80 ist ungeeignetes Mittel"
Gemeinsam mit Experten der Technischen Universität Wien hat auch der ÖAMTC die umstrittene Situation auf der A1 bei Salzburg detailliert analysiert und sich angesehen, ob Tempo 80 für Pkw tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur Reduktion von Stickstoffoxiden leisten kann. "Tempo 80 ist schon alleine deshalb ein ungeeignetes Mittel zur Reduktion von Stickstoffoxiden, weil es großteils die Falschen trifft", bringt Bernhard Wiesinger, Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung eine Analyse der Technischen Universität (TU) Wien auf den Punkt. "Benzin-Pkw, die etwa ein Viertel des Verkehrs auf der A1 bei Salzburg ausmachen, sind von Tempo 80 betroffen, obwohl sie praktisch keine Stickoxide ausstoßen. Zudem zeigen die Messwerte, dass zwei Drittel der schädlichen NOx-Emissionen durch den Güterverkehr verursacht werden", erläutert Wiesinger am Donnerstag. "Drei Viertel davon sind Schwerverkehr - dieser war bereits vor der Probephase auf 80 km/h reglementiert."
NOx-Rückgang bei Diesel-Pkw nicht signifikant
Real-Time-Messungen der TU Wien zeigten außerdem, dass bei Diesel-Pkw der Ausstoß von Stickstoffoxiden durch eine Reduktion des Tempos von 100 auf 80 km/h nur um fünf bis zehn Prozent verringert wird. Ernst Pucher vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik: "Bei Pkw besteht unter 100 km/h nur ein geringer Einfluss des Tempos auf den NOx-Ausstoß." Abgasmessungen im realen Verkehr zeigten außerdem deutlich, dass Fahrzeuge bei konstanter Fahrt auf Autobahnen mit Tempo 100 weitaus weniger Schadstoffe abgeben als bei "Stop and Go" im Stadtverkehr.
Alternativen mit mehr Wirkung
Wenn die Verantwortlichen in Salzburg tatsächlich eine raschere Verbesserung der Luftqualität erreichen wollen, dann sollten sie daher laut ÖAMTC den Umstieg auf Fahrzeuge der Abgasklasse Euro VI forcieren. "Es könnte etwa die Anschaffung abgasarmer Pkw gefördert werden. Aber auch die Umrüstung ganzer Fahrzeugflotten beispielsweise auf Erdgasantriebe ist eine Option, über die man nachdenken sollte", meint der Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung. Eine weitere Maßnahme, die deutliche Wirkung für eine höhere Luftqualität in der Salzburg haben würde, wäre die Vermeidung von "Stop-and-Go"-Verkehr. Wiesinger: "Die Messungen der TU Wien zeigen, dass die 'Grüne Welle' in der Stadt - soweit machbar - deutlich mehr bringen würde als Tempo 80 auf der A1."
Salzburg24
Den Kritikern des ÖAMTC nahm Othmar Glaeser, Leiter der Umweltabteilung schon heute ein wenig Wind aus den Segeln: Der jahreszeitlich bedingte Rückgang der Schadstoffbelastungen, der jedes Frühjahr zu registrieren ist, wurde nämlich bei der Auswertung bereits herausgerechnet. Das heißt, die sechs bis sieben Prozent sind der tatsächliche Wert allein durch die Temporeduktion. Und zur am Vormittag vom ÖAMTC mit einer Studie untermauerten Kritik, wonach vor allem der Lkw-Verkehr für die Schadstoffe verantwortlich sei, sagte Glaeser, dass die Datengrundlage der von Rössler und den Studienautoren präsentierten Auswertung "um eine Zehner-Potenz höher" sei als für jene der ÖAMTC-Untersuchung. Außerdem stelle sich die Frage, weshalb die Luftbelastung auch an Sonntagen nicht verschwinde, an denen Lkw gar nicht fahren dürfen.
Rössler bleibt bei Umsetzung
Obwohl die Reduktion der Stickstoffoxide nicht ganz so hoch ausgefallen ist wie erwartet, ist mit keiner anderen Maßnahme auf Autobahnen eine vergleichbare Reduktion der Schadstoffe zu erreichen. "Als Konsequenz aus diesem Probetrieb ist für mich ganz klar: Tempo 80 wirkt zur Schadstoffreduktion und dient somit dem Gesundheitsschutz. Sowohl aus der Auswertung als auch aus den Reaktionen vieler Autofahrer wissen wir aber auch, dass der Schwerverkehr stärker kontrolliert werden muss, um das Drängeln und das zu knappe Auffahren auf der Autobahn zu unterbinden", so Rössler. "Eine weitere Konsequenz muss eine bessere europäische Abstimmung bei der Strafeinbringung sein. Es darf nicht sein, dass einzelne Raser konsequenzlos durch halb Europa fahren können. Hier müssen wir uns stärker auf EU-Ebene einbringen, um die Fahrsicherheit für alle zu erhöhen", kündigte Rössler an.
Rössler für schnelle Tempo-80-Umsetzung
Die Umweltreferentin will die erfolgreiche Tempo- und Schadstoffreduktion jedenfalls fortsetzen. Die Ergebnisse werden nun in der nächsten Arbeitsausschusssitzung der Regierung vorgestellt, um die weitere Vorgangsweise zu klären: "Die Verkehrsbeeinflussungsanlage der Asfinag soll bis November 2014 fertiggestellt sein. Ich werde mich für eine rasche Realisierung eines flexiblen Tempos 80 einsetzen. Sollte sich die Errichtung bis in die besonders schadstoffbelastete Zeit im Winter verzögern oder die Luftsituation sich weiter verschlechtern, dann werde ich empfehlen, eine fixe Tempo 80-Verordnung zu erlassen. Angesichts des stetig steigenden Verkehrs sind wir das den Anrainern schuldig", so Rössler.
Kompromiss bei Tempo 80 denkbar
" Es gebe noch sehr großen Verbesserungsbedarf. "Wir sind noch weit von der Einhaltung der Grenzwerte entfernt: Der Jahresmittelwert bei Stickoxiden liegt derzeit bei 56 Mikrogramm, der Grenzwert in Österreich aber bei 30", so die Umweltreferentin. Nachsatz: "Es gibt noch viel zu tun."
"Die Luftsituation spricht für eine fixe Lösung, aber die öffentliche Akzeptanz ist vielleicht bei der flexiblen Variante größer", kann sie sich einen Kompromiss vorstellen. Wobei auch bei der temporären Lösung die Latte durchaus hoch liegt: Sie soll 80 Prozent des Erfolges der fixen Beschränkung erreichen. Das heißt, dass etwa zu 60 Prozent der Zeit Tempo 80 gilt, erläuterte der Leiter der Umweltabteilung, Othmar Glaeser.
Auch VCÖ für Tempo-80-Umsetzung
Aus Sicht des VCÖ hat die Gesundheit der Bevölkerung absoluten Vorrang, so eine Aussendung am Donnerstag. Um die vom Kfz-Verkehr verursachte gesundheitsschädliche Schadstoffbelastung nachhaltig zu verringern, ist ein Maßnahmenpaket nötig. Neben der Beibehaltung von Tempo 80 spricht sich der VCÖ unter anderem für einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Abschaffung der Steuerbegünstigung für Diesel aus.
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(Quelle: salzburg24)