Festmahl

Wenn das Leben einem den Mittelfinger zeigt

Francesco erzählt im Interview mit Nicole Schuchter seine Lebensgeschichte.
Veröffentlicht: 30. Juli 2019 13:12 Uhr
Jeder Mensch hat es verdient, würdevoll behandelt zu werden – auch, oder vielleicht vor allem, jene, denen es finanziell oder gesundheitlich nicht gut geht. Und genau das ist das Ziel des jährlichen Festmahls in der Stadt Salzburg. Mit dabei ist auch Franz Pichler, alias Francesco. Er wurde 1986 auf seinem Fahrrad von einem Alkolenker regelrecht abgeschossen und ist seither körperlich behindert – seine Rolle beim Festmahl ist einen ganz besondere.

Seit zwölf Jahren veranstaltet der gleichnamige Verein das Festmahl in der Stadt Salzburg. Sinn und Ziel sei es, für Menschen da zu sein, die aus diversen Gründen finanzielle Probleme haben. Heute, Dienstag, werden sie wieder mit einem mehrgängigen Menü von Spitzenköchen verwöhnt, auch für Unterhaltung und Gesprächsmöglichkeiten ist gesorgt (HIER könnt ihr euch das Menü und das Programm ansehen). Organisiert und finanziert wird das Festmahl ausschließlich durch Ehrenamtliche, das Geld kommt von privaten Spendern.

Unter die Gäste wird sich auch heuer wieder Francesco mischen. „Ich besuche das Festmahl seit einigen Jahren, weil mich die Leute gebeten haben, dabei zu sein“, so Pichler im Interview mit SALZBURG24. Und wenn man seine Lebensgeschichte kennt, weiß man warum. Uns hat er sie erzählt.

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„Ich kannte nur noch den Tod“

„Jeden Tag eine gute Tat“, das ist das Lebensmotto des gebürtigen Steirers. Der 72-Jährige wurde vor 33 Jahren von einem Auto gerammt, als er mit seinem Fahrrad in der Stadt Salzburg unterwegs war. Der Lenker des Wagens hatte 2,4 Promille Alkohol im Blut. Mit diesem Tage hat sich Francescos Leben grundlegend verändert: Es folgten Jahre voller Schmerzen, blockierte Nervenleitbahnen, eine fehlgeschlagene Operation im Jahr 1993 und fünf Jahre später eine kalte Lungenentzündung. „Ich habe in dieser Zeit nur noch den Tod gekannt“, erzählt der frühere Rettungsschwimmer, den wir an seinem Lieblingsort – dem Volksgartenbad – zum Interview treffen.

Francescos Kampf gegen Alkohol am Steuer

Nach einigen dramatischen Monaten kam er in die Marien-Theresien-Klinik in Bad Radkersburg (Steiermark). „Dort wurde ich wieder lebendig gemacht und kämpfte mich langsam zurück.“ Doch an seine geliebte Arbeit – er verdiente sein Geld als Busfahrer für die Stadtwerke – war nicht mehr zu denken. Sein Leben brauchte einen neuen Sinn. Und diesen fand er schnell in der Wohltätigkeit. So ist er zum Beispiel seit über 13 Jahren im Seniorenheim der Diakonie Gnigl ehrenamtlich tätig. Francesco spricht gerne mit Menschen – egal ob arm oder reich, hell- oder dunkelhäutig. „Am Ende sind wir alle gleich.“ Er thematisiert, was für die Gesellschaft und die Politik oft unangenehm ist und nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn er Ungerechtigkeiten erkennt. Eines seiner Hauptprojekte ist der Kampf gegen Alko-Sünder. Seit 1996 ist er trotz seiner Invalidität fast täglich in der Landeshauptstadt unterwegs, um aufzuklären und die Pickerl „Hilf Leben retten, kein Alkohol am Steuer“ zu verteilen. „10.000 dieser Pickerl habe ich schon persönlich an die Leute verteilt.“

Francesco, Festmahl SALZBURG24/Wurzer
Rund 10.000 "Alkohol-am-Steuer"-Pickerl hat Francesco in den vergangenen Jahren schon verteilt.

Den Menschen als Mensch begegnen

Sein Schicksal hat Francesco dazu gebracht, seinem Leben aus einer neuen Warte zu begegnen – nämlich aus der ursprünglichen, der Verbindung von Mensch zu Mensch. Das Festmahl gibt ihm dafür die Gelegenheit. „Ich möchte mir dort Zeit für die Leute nehmen und mit ihnen einfach über Gott und die Welt plaudern“, freut sich der 72-Jährige, der seit einigen Jahren übrigens auch seine poetische Ader entdeckt hat. Und vielleicht gebe es auch das ein oder andere Gedicht von ihm zu hören, zwinkert er.

Was ihm noch fehlt? „Ein bisschen Hilfe in der Wohnung und eine liebe Frau“, sagt Francesco. Denn die Freizeit sei noch schöner, wenn man auch sie mit einem Menschen teilen könne.

Francescos Lieblingsgedicht, das im Urlaub nach seiner schweren Lungenentzündung entstand:

In der Türkei begann für mich ein neues Leben,

ich glaubte, ich würde auf den Wolken schweben.

Den Kindern muss man viel Liebe und Aufmerksamkeit schenken,

dann kann man sie besser durch das Leben lenken.

Für mich sind alle Menschen gleich,

ob dick, ob dünn, ob arm, ob reich.

(Quelle: salzburg24)

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