Ob mit Pille, Spirale oder Hormonstäbchen: 1,2 Millionen Frauen zwischen 14 und 45 Jahren verhüten derzeit in Österreich. 46 Prozent tun das alleine, bei zwölf Prozent ist es der Partner und acht Prozent machen es gemeinsam. 33 Prozent verhüten gar nicht. Und: Die Hälfte der Frauen stemmt auch die Kosten dafür ganz allein. Das zeigt der erste Verhütungsbericht, den das Gesundheitsministerium am Montag präsentiert hat.
„Den finde ich grandios“, zeigt sich Aline Halhuber-Ahlmann, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums Salzburg, im S24-Interview am Mittwoch erfreut. In Meinungsumfragen werde nämlich meist lediglich abgefragt, welche Methoden zum Einsatz kommen. „Dass aber in diesem Bericht herausgekommen ist, dass zum Beispiel 36,6 Prozent ihr Verhütungsverhalten ändern würden, wenn sie die Kosten nicht selbst übernehmen müssten, finde ich besonders interessant und essenziell. Denn wir brauchen gute Daten, um die Bedürfnisse der Frauen abzufragen und diese als Einrichtungen zu kennen. Nur so können wir ihnen adäquate Angebote machen.“
Verhütung kostet 30 bis 230 Euro pro Jahr
Je nach gewählter Methode fallen dem Bericht zufolge jährlich Kosten zwischen 30 und 230 Euro an. Nach wie vor am beliebtesten bei sexuell aktiven Frauen in Österreich ist die Pille mit 42 Prozent, dicht gefolgt vom Kondom mit 40 Prozent. Schon deutlich abgeschlagen ist die Spirale mit 17 Prozent. Dabei sind laut Studien Langzeitmethoden wie Spirale, Hormonstäbchen oder -implantat am wirksamsten. Halhuber-Ahlmann bemerkt, dass immer weniger Frauen die Pille einnehmen möchten. Eine Alternative mit einem hohen Pearl-Index sei die Kupferspirale. „Diese bringt aber nicht so viel Geld ein. Wenn Frauen nicht hormonell verhüten wollen, wäre die Kupferspirale aber eine gute und vor allem langfristige Alternative.“ Doch langfristige Verhütungsmittel sind eben meist teuer.
Immer wieder gebe es Frauen, die sich auf „relativ unsichere“ Verhütungsmittel einlassen würden, berichtet Halhuber-Ahlmann. Das habe einerseits Kostengründe, aber es gibt noch ein zweites Problem. Denn Frauen würden sich oftmals für unfruchtbarer halten, als sie tatsächlich sind. „Sie verwenden Methoden, die nichts taugen, aber auch nichts kosten. Damit meine ich etwa das Temperaturmessen. Ich finde es gut, wenn Frauen sich beobachten, aber als Verhütungsmittel ist es nicht besonders geeignet.“ Auch das Kondom sei „nett“, habe aber in der Handhabung eine hohe Fehlerquote. Jedoch ist es das derzeit einzige Verhütungsmittel für den Mann und einfach zugänglich. „Wenn wir es ernst meinen, sollte es Verhütungsmittel und Beratung auf Krankenscheine geben“, fordert die Expertin.
Wird auf Verhütung komplett verzichtet oder das Mittel versagt, sind ungewollte Schwangerschaften eine mögliche Folge. Entgegen der häufig vorherrschenden Meinung, dass dies hauptsächlich jungen Frauen passiere, ist die größte Gruppe der Betroffenen tatsächlich älter. Laut Daten der Gynmed Salzburg, auf die sich Halhuber-Ahlmann bezieht, waren im Jahr 2023 nur sechs Prozent der Patientinnen, die ungewollt schwanger wurden, unter 18 Jahren. „Es kommen mehr Frauen über 40 als Jugendliche zum Schwangerschaftsabbruch. Der größte Teil jener Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, entfällt auf die Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren. Und 55 Prozent der Betroffenen haben bereits eines oder mehrere Kinder. Das ist die Zielgruppe, die es zu erreichen gilt.“ Aber nicht nur Unwissenheit, sondern auch innerfamiliäre, kulturelle oder religiöse Werte könnten zu ungewollten Schwangerschaften beitragen. Deshalb sei Verhütungsberatung nie rein biologisch. „Wenn Beratung bei einer gynäkolischen Untersuchung ein hoher Abrechnungsposten wäre, würde vielleicht auch mehr Zeit dafür sein“, gibt die Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums zu bedenken.
Mehr Schwangerschaftsabbrüche in Salzburg
Diese Beobachtungen decken sich mit den Erkenntnissen von Salzburgs Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP). „Trotz einer sinkenden Zahl gebärfähiger Frauen verzeichnen wir eine steigende Zahl von Abtreibungen – vor allem bei Frauen, die schon zwei oder mehr Kinder haben. Ich möchte die Frauen hier unterstützen und den Zugang zu Information, aber auch zu Verhütungsmitteln erleichtern und durch die öffentliche Debatte auch die Männer in die Pflicht nehmen“, teilt sie auf S24-Anfrage mit.
Pille und Co in Vorarlberg kostenlos
Genau das ist auch das Ziel einer Pilotstudie des Gesundheitsministeriums in Vorarlberg. Rund 3.500 Frauen bekommen ab dem heurigen Herbst rund zwei Jahre lang kostenlos die Verhütungsmittel ihrer Wahl. Auf Wunsch gibt es auch eine kostenlose Beratung. Durch das Projekt sollen nicht nur Frauen entlastet, sondern auch umfassende Daten zum Verhütungsverhalten verschiedener Altersgruppen – unabhängig von sozioökonomischen Faktoren oder der finanziellen Lage – gewonnen werden. Die wissenschaftlichen Daten sollen für zukünftige bundesweite Modelle zur kostenfreien Verhütung gesammelt werden, heißt es in einer Presseaussendung des Gesundheitsministeriums.
Pilotprojekt auch in Salzburg gewünscht?
Braucht es ein solches Projekt auch in Salzburg? „Einem Pilotprojekt, um der Kostenabhängigkeit bei der Auswahl von Verhütungsmitteln entgegenzuwirken, stehe ich grundsätzlich positiv gegenüber. Die große Frage, die sich hier leider stellt, ist die der Finanzierbarkeit. Wenn Bundesminister Rauch hier auch für Projekte in anderen Bundesländern finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, unterstütze ich ein derartiges Projekt sehr gerne“, sagt Gutschi. Halhuber-Ahlmann spricht sich ebenfalls dafür aus. Sie sieht gleich mehrere Vorteile: „Ich fände es schön, wenn wir ein solches Projekt mit evidenzbasierter Verhütungsberatung hätten. Es gibt dazu noch nicht viele richtig gute Unterlagen. Es wäre gut, wenn wie geplant diese Dinge auf Bundesebene erstellt und flächendeckend verwendet würden. Denn die Frauen sind sehr individuell und der Qualitätsstandard darf zwischen Stadt und Land oder den Bundesländern nicht abweichen.“ Wichtig sei allerdings, dass das Angebot auch wirklich jene Frauen bekommen, die aus sozioökonomischer Sicht den größten Bedarf haben.
Zusätzliche Unterstützung geplant
Dass es mehr Aufklärung und Beratung braucht, darin sind sich die Expertinnen also einig. Aber wo bekommt man diese in Salzburg? Landesrätin Gutschi verweist auf Stellen wie die First Love Ambulanz. Dort berät ein Team bestehend aus Ärztinnen und Ärzten, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern über Sex, Beziehungen, sexuelle Orientierung auch über Verhütungsmittel. Dieses Angebot steht für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, die eine kostenlose, vertrauliche und anonyme Beratung in Anspruch nehmen möchten, zur Verfügung. Unter bestimmten Voraussetzungen werden auch Verhütungsmittel wie Kondome und Pille gratis vergeben. Jungen Menschen werde das Thema Verhütung zudem im regulären Schulunterricht sowie in Workshops nahegebracht. Ergänzend sei gerade eine Informationskampagne in Arbeit, die für mehr öffentliche Sichtbarkeit sorgen soll. In diesem Zuge würden konkrete Pläne für weitere Unterstützungsangebote erarbeitet. Halhuber-Ahlmann spricht sich für eine unabhängige Stelle aus, die Informationen über Verhütungsmittel, die häufig zu einem Großteil von den Herstellern stammen, überprüft.
Damit Verhütung nicht weiterhin Frauensache bleibt, sollten dringend Methoden, die Männer anwenden können, erforscht werden, sagt die Expertin. Es gebe bereits vielversprechende Ansätze, allerdings scheitere es an der Finanzierung. Dennoch müsse man sich bei allen Überlegungen die Frage stellen: „Welche Frau würde sich tatsächlich darauf verlassen, wenn ein Mann sagt, dass er verhütet? Alleine, dass wir darüber nachdenken zeigt, wie schwierig das Thema ist.“ Gerade wenn Frauen in kontinuierlichen Beziehungen leben, müsste man eigentlich davon ausgehen, dass die Kosten zumindest halbiert werden, meint sie. In Kommentarforen zu diesem Thema sei sie allerdings auf Männer gestoßen, die die Meinung vertreten hätten: „Ich zahle ja sonst schon alles.“ Für Männer sei im Gegensatz zu den Frauen Verhütung bis in ein hohes Alter noch ein Thema. „In der Debatte müsste dies mitdiskutiert werden und deutlich gemacht werden, dass die Männer da in der Vergangenheit noch viel zu wenig Verantwortung übernommen haben.“
(Quelle: salzburg24)







