"Nicht alltäglich"

Wie Inklusion gelingen kann – und was wir alle dafür tun können

Am Welt-Down-Syndrom-Tag wurde das inklusive Projekt vom Salzburger Verein Lern.Film.Studio vorgestellt.
Veröffentlicht: 27. März 2024 16:18 Uhr
Menschen mit Behinderung werden noch immer in erster Linie als Menschen mit Behinderung – und nicht als Menschen mit besonderen Bedürfnissen gesehen. Wie kann Inklusion besser gelingen? Darüber haben wir mit Betroffenen und Politiker:innen anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. März in Salzburg gesprochen.

Michael Sebald ist 26 Jahre alt, er arbeitet in der Panoramabar in Lehen und im Kulinarium Riedenburg. Er geht gerne auf Konzerte und elegant Essen. Sein großer Traum ist es, Moderator zu werden und mit 30 Jahren will er seine Verlobte heiraten. Die Pläne dafür hat er schon geschmiedet, wie er uns im Interview erzählt. Michael hat auch das Down Syndrom und ist Präsident des Vereins Down Syndrom Österreich.

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Michael Sebald ist es wichtig, ein eigenständiges, unabhängiges und vor allem selbstbestimmtes Leben zu führen, erzählt er uns. Zusammen mit anderen Menschen mit und ohne Behinderung kämpft er daher für eine bessere Integration und Inklusion Beeinträchtigter. So soll unter anderem zusammen mit dem Salzburger Verein Lern.Film.Studio eine selbstgedrehte Doku über den Alltag beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher entstehen (wir haben berichtet).

„Je mehr Inklusion, desto normaler wird es“

"Wenn wir über Integration im Allgemeinen sprechen, dann müssen wir auch verstärkt über Integration von Menschen mit Beeinträchtigung sprechen", sagt Michaels Mutter, Brigitte Sebald, im SALZBURG24-Gespräch. Sie ist ebenfalls Vorstandsmitglied des Vereins Down Syndrom. „Das Wichtigste ist die schulische Integration von Kindern mit Behinderung. Die Gesellschaft kann sich nur ändern, wenn die Kinder von klein auf miteinander aufwachsen und ganz normal miteinander leben. Es ist heute noch so, dass die Kinder den Michi auf der Straße ganz komisch anschauen. In anderen Ländern, vor allem in den südlichen Ländern, wie Spanien, ist das schon ganz anders". Auch wenn manche Kinder in der Sonderschule „sicherlich besser aufgehoben“ seien, müsse das Inklusionssystem in der Regelschule ordentlich ausgebaut werden. „Je mehr und früher Inklusion stattfindet, desto normaler wird es.“

Mit ihrer Forderung stößt Sebald auf offene Ohren bei Salzburgs Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP). Es gebe erste Schritte in diese Richtung, versichert sie gegenüber S24.

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So habe sie zusätzliches Budget von einer Million Euro zugesichert bekommen – mit dem unter anderem zusätzliche Schulassistent:innen eingesetzt werden können, die Kindern, die sonst nicht beschult werden können, zur Seite stehen. Außerdem wolle sie Sonderschulen besser für diese Aufgabe ausstatten. Was in dem Bereich aber fehle, sei die Sonderschulpädagogik als eigene Ausbildung. „Das muss als eigenes Fach unterrichtet werden“, so Gutschi. Bei der nächsten Konferenz der Landesbildungsrät:innen der Bundesländer wolle man das mit einem Antrag neuerlich an die Regierung herantragen.

Lohn statt Taschengeld für Menschen mit Behinderung

Neben der Integration beeinträchtigter Kinder in der Schule müsse außerdem die Position beeinträchtigter Menschen im Arbeitsleben gestärkt werden, fordert Brigitte Sebald. Denn bis jetzt bekommen Menschen mit Behinderung lediglich ein Taschengeld, aber keinen Lohn und sind damit weder kranken- noch pensionsversichert. „Michael arbeitet als Kellner, er bekommt 500 Euro Sozialunterstützung und 90 Euro Taschengeld im Monat und dafür müssen wir jedes Jahr wieder neu ansuchen. Das kann nicht sein“, ärgert sich seine Mutter. „Wir sind der Meinung, dass Menschen mit Beeinträchtigung einen angemessenen Lohn erhalten sollen, mit dem sie auch selbstständig überleben können.“

Dass es für Menschen mit Behinderung sehr bald Lohn statt Taschengeld gibt, dafür will sich Salzburgs Soziallandesrat Christian Pewny (FPÖ) „massiv dahinterknien“, sagt er im S24-Gespräch. Die Länder hätten sich bei der letzten Sozialreferent:innenkonferenz bereits einstimmig dafür ausgesprochen.

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Und die Regierung hat reagiert und vor rund zwei Wochen ihren Willen verkündet, 36 Millionen Euro (plus 18 weitere Millionen seitens der Länder) für Projekte zur Verfügung zu stellen, die Menschen mit Behinderungen den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt ermöglichen und damit Lohn und Sozialversicherung bringen.

Langfristiges Ziel ist es, Menschen mit Behinderung in speziellen Beschäftigungsverhältnissen ein Gehalt inklusive Sozialversicherung statt eines Taschengelds zu ermöglichen, womit sie auch selbst pensionsberechtigt werden. Die Gespräche zu einem Umstieg auch in tagesstrukturellen Einrichtungen der Länder werden weitergeführt, kündigten am 13. März Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger an. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) meinte dazu, man wolle rasch eine Systemumstellung, die jedoch gute Vorbereitung, die Einbindung aller Stakeholder und die Erarbeitung und Umsetzung von Pilotprojekten bedürfe.

Mit dieser Ankündigung ist immerhin ein definiertes Ziel vor Augen, die genauen Kriterien der Richtlinie sollen in den nächsten Wochen ausgearbeitet werden. Was sich Pewny noch wünscht: „Es braucht eine einheitliche Umsetzung der Länder. Es muss in Vorarlberg, Wien und Salzburg gleich geregelt werden.“ Die Höhe des künftigen Lohns sei im Moment noch unklar – zentrales Ziel müsse es aber sein, dass die Betroffenen nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig sind.

Was Inklusion bewirken kann

Einig sind sich Politiker:innen und Betroffenen darüber, dass weiterhin an der Integration beeinträchtigter Menschen gearbeitet werden müsse. Berührungsängste müssten weiter abgebaut werden, das könne nur gemeinsam geschehen und brauche Zeit.

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Und für Brigitte Sebald ist eines ganz klar – ihr Sohn Michael ist eine Bereicherung, so wie das jedes Kind für eine Mutter ist. „Ich habe den Michael noch nie schlecht gelaunt erlebt. Er steht auf und lacht und geht ins Bett und lacht.“

Menschen mit Behinderung haben Qualitäten, die in der heutigen Gesellschaft mehr und mehr verloren gehen – Empathie, Sensibilität und Solidarität. Ihre Stimme und ihre Sichtbarkeit fördern eine Kultur der Sensibilisierung und des Respekts gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft. Die Barrieren im Kopf abzubauen, ist damit Aufgabe der „Nicht-Beeinträchtigten“.

Was ist das Down Syndrom?

Das Down-Syndrom ist eine genetische Störung, bei der eine Person eine zusätzliche Kopie eines Chromosoms hat, dem Chromosom 21. Nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle hat der neu entstandene Mensch damit drei statt zwei Chromosomen 21 in seinen Körperzellen. Fachleute bezeichnen diese Form als „Freie Trisomie 21“. Die genauen Ursachen für die fehlerhafte Reifung der Keimzellen sind bis heute nicht geklärt. Dieses zusätzliche Chromosom verursacht viele gesundheitliche Probleme, die ganz unterschiedlich sein können. Menschen mit Down-Syndrom sehen anders aus und haben geistige Beeinträchtigungen.

(Quelle: salzburg24)

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