Insgesamt 17 volle Windeln, verstreut im ganzen Haus, klaubte eine US-amerikanische Mutter eines Neugeborenen Anfang Oktober zusammen und nahm dabei ihre TikTok-Follower:innen in einem Video mit. Seither wird sie „17 diaper mom“ genannt. Neben einigen negativen Kommentaren gab es großteils aber auch viel Zuspruch für die Jungmutter. „Zumindest wurde die Windel 17 Mal am Tag gewechselt. Das ist jedes Mal Kontakt mit dem Baby“, schreibt zum Beispiel eine Userin.
Dieser „selbstverständliche“ Kontakt und immer zu wissen, was ein Baby braucht, ist für Mütter aber nicht immer selbstverständlich. Etwa 15 bis 20 Prozent der Frauen erleiden nach der Geburt eine postpartale Depression. Davon entwickelt etwa jede Dritte eine Störung der Mutter-Kind-Bindung.
Psychisch kranke Mütter können oft Baby-Signale nicht deuten
„Für psychisch Erkrankte oder Belastete ist es ganz schwer, die Signale des Babys zu lesen, zu interpretieren und sie dann auch zu unterstützen“, weiß Heidemarie Eher, Geschäftsführerin des Salzburger Vereins JoJo. Das gelinge am besten, das Kind „einfach“ zu sich zu nehmen und ihm Nähe zu geben. Für manche sei eben das aber nicht „einfach“. Deshalb hat sie 2011 das Projekt „Willkommen im Leben“ gegründet. Seither begleiten vier Psychologinnen mental kranke oder belastete junge Mütter darin, durch Interaktionen wie lächeln, spielen oder reden eine sichere Bindung zwischen ihnen und ihren Kindern aufzubauen.
Dazu kommen die Begleiterinnen ein bis vier Mal im Monat zur Familie nach Hause und filmen zum Beispiel die Mutter beim Stillen oder gemeinsamen Spielen. „Diese positiven, gelungenen Sequenzen zeigen dann den Fortschritt“, so Eher.
Wie lange die Betreuung dauert, sei immer unterschiedlich. In der Regel sind die Babys ein paar Wochen alt, wenn die Mutter ins Projekt aufgenommen wird. „Und dann geht das bei Bedarf bis zum dritten Geburtstag vom Kind“, wenn notwendig. Manche Familien werden auch länger begleitet, wenn zum Beispiel ein zweites Kind kommt.
Fehlendes Netzwerk führt zu Überforderung
Ob eine Frau über „Willkommen im Leben“ betreut wird, hängt übrigens nicht von der Schwere der Erkrankung ab, es reiche laut Eher auch, wenn man „einfach“ überfordert sei. „Eine Geburt kann man durchaus als Krise bezeichnen und ja, viele schaffen das auch immer irgendwie durchzustehen. Aber die Frage ist, muss ich da alleine durch oder schaffe ich mir rechtzeitig ein Umfeld.“
Genau dieses oft fehlende Netzwerk junger Familien sieht die JoJo-Geschäftsführerin als ausschlaggebend für den steigenden Bedarf bzw. Nachfrage des Projekts. Betreute der Verein früher noch um die 25 Familien pro Jahr, sind es derzeit rund 40 Familien in ganz Salzburg – mit Ausnahme vom Lungau. Der Bedarf sei aber sicher höher.
Vorerst kein Ausbau von Salzburger Projekt geplant
Einen Ausbau von „Willkommen im Leben“ sieht Eher aktuell dennoch nicht. Der Verein wird neben Spenden vor allem von Stadt und Land Salzburg finanziert, wegen der angekündigten Neuverschuldungen habe die Geschäftsführerin Sorge vor dem Rotstift. Neben den finanziellen kommen seit etwa fünf Jahren auch personelle Herausforderungen hinzu. In der Branche finde man zurzeit nur schwer Leute, die diese Aufgabe auch übernehmen wollen. Sollte das Projekt ausgedehnt werden, würde die Geschäftsführerin wegen der Bevölkerungsdichte eher den Norden Salzburgs und nicht den unbesetzten Lungau in Angriff nehmen.
(Quelle: salzburg24)