Unterschwellige Angriffe

Wie Rassismus im Alltag immer noch präsent ist

Veröffentlicht: 28. Jänner 2022 13:18 Uhr
Rassismus macht sich in Österreich oft nur durch die Blume bemerkbar, in Form von Mikroaggressionen ist er für People of Color im Alltag aber deutlich spürbar. Die unterschwelligen, häufig unbewussten Angriffe können zu Ohnmachtsgefühlen und im schlimmsten Fall zu Depressionen führen.

„Du sprichst aber schon gut Deutsch!“ Eigentlich ist der Satz nett gemeint, bei People of Color kann er aber ganz schön auf die Stimmung schlagen. Es handelt sich dabei um eine Mikroaggression, also um eine Aussage oder Verhaltensweise, die das Gegenüber subtil herabsetzt. Denn die Botschaft, die ankommt, ist: „Du bist anders.“

Mikroaggressionen Teil des Alltags

„Es sind Kleinigkeiten, die aber jeden Tag vorkommen und durch die Menge zu einer Belastung werden“, schildert die selbst betroffene Christine Bayer-Borrero im Gespräch mit SALZBURG24 ihre Erfahrungen mit Mikroaggressionen. Offen fremdenfeindliche Anfeindungen erlebe sie weit weniger häufig. Die unterschwellig rassistischen Äußerungen kämen von Freunden, Kollegen und Fremden gleichermaßen. Lernt Bayer-Borrero neue Menschen kennen, drehe sich das Gespräch schnell nur noch um ein Thema: Ihre Hautfarbe. Oft seien die Aussagen eigentlich positiv gemeint. „Die Leute wollen damit zeigen, dass sie offen sind“, ist sich die Wahl-Kopplerin (Flachgau) sicher. In ihr werde dabei aber eine schlechte Stimmung erzeugt, man fühle sich als Charakter nicht wahrgenommen, sondern auf das Aussehen reduziert.

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Ausschluss aus Grußkultur

Obwohl die Lehrerin fließend Deutsch spricht und schon seit über einem Jahrzehnt in Österreich lebt, würden viele zu Beginn langsam und überdeutlich mit ihr sprechen oder die Konversation gar auf Englisch starten. Auch bei der „Grußkultur“ werde sie immer wieder ausgeschlossen: „Wenn ich mit meinem Mann wandern gehe, grüßen ihn vorbeigehende Menschen ganz selbstverständlich. Auf mein ‚Griaß Gott‘ kommt oft keine Antwort. Die Grußkultur endet, wenn man anders ausschaut.“

Problem ansprechen „kostet viel Kraft“

In vielen Situationen spreche sie das Verhalten nicht an, um nicht in eine Diskussion zu geraten. Gesund sei dieser Weg aber nicht. „Wenn ich nichts sage, trage ich das schlechte Gefühl den ganzen Tag mit mir herum“, erklärt sie. „Aber das Ansprechen kostet viel Kraft.“ Nicht wenige Menschen würden es persönlich nehmen und sich angegriffen fühlen, wenn man sie auf ihr Verhalten aufmerksam macht. Vor allem, wenn ihre beiden Kinder dabei sind, versuche sie deshalb, Konfrontation zu vermeiden.

Subtile Angriffe auf Gegenüber

„Mikroaggressionen sind nicht offensichtlich wahrnehmbar, schwingen aber im Gespräch mit“, erklärt Andreas Kaiser, Leiter des Instituts für klinische Psychologie am Uniklinikum Salzburg, gegenüber SALZBURG24. Es handle sich dabei um eine Form des Übergriffs, der teils bewusst, teils unbewusst geschehe und nicht nur bei Rassismus, sondern bei allen Formen der Diskriminierung und auch bei Mobbing vorkäme. Nicht immer müsse dabei tatsächlich etwas gesagt werden. „Auch Ignorieren ist eine Mikroaggression“, führt der Psychologe aus.

 

Provokation belastet Psyche

Dadurch, dass die Angriffe verdeckt sind, sei es für die Betroffenen häufig schwer, das Problem zu benennen. „Die Menschen wissen dann oft gar nicht, warum sie überhaupt wütend sind. Die Provokation ist nicht deutlich genug.“ Das mache es auch schwer, Außenstehende um Hilfe zu bitten. Bei vielen würden die unterschwelligen Angriffe zu einem Ohnmachtsgefühl führen und im schlimmsten Fall in Depressionen gipfeln. „Die Leute werden kaputt davon“, macht Kaiser die Ernsthaftigkeit des Problems deutlich.

BIPOC-Circle in Salzburg

Bayer-Borrero entschied sich, gegen das Ohnmachtsgefühl anzugehen. Von der „Black Lives Matter“-Bewegung inspiriert gründete sie Ende 2020 den „BIPOC-Circle“, eine Gemeinschaft für Menschen, die sich als Schwarze, Indigene oder People of Color identifizieren. „Ich habe mir gedacht ‚Ich bin keine Staatsbürgerin, aber vielleicht kann ich etwas tun.‘“, so die 39-Jährige. Die Gruppe trifft sich online, um über Rassismus-Erfahrungen, aber auch über Themen wie Identität und Heimat zu sprechen und sich gegenseitig zu stärken.

Mehr aktives Zuhören

Das Problem Rassismus aus der Welt geschaffen habe man damit nicht, „aber wir fühlen uns sicher in dieser Runde“, erklärt Bayer-Borrero. Veränderung in der Gesellschaft passiere sehr langsam. Sie wünsche sich vor allem, dass die Menschen mehr aktiv zuhören – nicht um zu antworten, sondern um zu verstehen. „Wenn ich Leute auf Mikroaggressionen anspreche, meine ich das nicht persönlich. Die Menschen haben das so gelernt. Aber sie könnten die Augen öffnen und auch eine andere Perspektive zulassen.“

(Quelle: salzburg24)

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