Die Zahl der tödlichen Badeunfälle in Österreich ist heuer stark gestiegen. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) sind seit Jahresbeginn 41 Menschen ums Leben gekommen – allein im Juli und August bis zum Montag dieser Woche waren es 22 Badetote. In Salzburg sind heuer schon sieben tödliche Badeunfälle passiert. Erst vergangenes Wochenende starb ein Vater im Beisein seines sechsjährigen Sohnes in Seeham (Flachgau). Diese tragischen Ereignisse haben die Debatte über das Schwimmkursangebot einmal mehr entfacht. Wir haben uns die aktuelle Situation in Salzburg angesehen.
Schwimmen im Lehrplan verankert
Eigene Schulschwimmkurse gibt es in Salzburg grundsätzlich nicht, erklärt Robert Tschaut, Fachinspektor für Bewegung und Sport der Bildungsdirektion, auf S24-Nachfrage. Im Lehrplan der Volksschulen und Unterstufen ist das Schwimmen allerdings fix als Lehrinhalt verankert. „Wie das gestaltet wird, liegt im Ermessen der Lehrer. Sie können Stunden blocken, Doppelstunden nutzen oder Schwimmtage als Schulveranstaltung durchführen“, so Tschaut. Wann und in welchem Ausmaß das Schwimmen stattfindet entscheidet das Lehrpersonal genauso wie die konkrete Umsetzung. Für die Kosten kommt der Schulerhalter auf, für das Material nicht. Auch Schulveranstaltungen müssen selbst bezahlt werden. Obwohl das Lehrpersonal entsprechend ausgebildet ist, gebe es große Gefahrenquellen. Deshalb sei man abhängig von Aufsichts- oder Begleitpersonen. Oft seien externe Schwimmtrainer:innen – etwa von der Wasserrettung – dabei, so Tschaut. Diese seien häufig jedoch ausgebucht.
Zu wenige Bäder in Salzburg-Stadt und Flachgau
Eine weitere Herausforderung sei, überhaupt einen Ort für die Schwimmkurse zu finden. „Im Innergbirg sind wir noch halbwegs aufgestellt. In Tamsweg gibt es ein Bad, in Zell am See haben wir ein Hallenbad und das Tauern Spa in Kaprun. Im Tennengau gibt es Möglichkeiten in Golling und Rif. In der Stadt Salzburg und Umgebung haben wir ein Riesenproblem mit den Wasserflächen.“ In der Landeshauptstadt gibt es nur das AYA-Bad und das Paracelsusbad. Zweiteres hat aber aufgrund von Reparaturarbeiten noch bis mindestens Jahresende geschlossen. Im Flachgau gibt es seit der Schließung in St. Gilgen gar keine Option mehr. „Es ist traurig, dass man auf die Watzmanntherme in Berchtesgaden, nach Freilassing oder ins benachbarte Oberösterreich ausweichen muss“, gibt Tschaut zu bedenken.
"Vorbildwirkung der Eltern am wichtigsten"
Das Wichtigste sei aber die Vorbildwirkung der Eltern, betont der Fachinspektor für Bewegung und Sport. „Die Schule kann nur abfedern oder ergänzen. Das wird mir immer mehr bewusst.“ Er rät, wenn möglich mit den Kindern schwimmen zu gehen, sie mit dem Medium Wasser vertraut zu machen und Baderegeln immer wieder anzusprechen. „Im Wasser wird immer eine Gefahrenquelle da sein. Das Wichtigste ist, wie man damit umgeht“, so Tschaut.
Schwimmkurse bei der Wasserrettung ausgebucht
Schwimmkurse unabhängig von der Schule bietet im ganzen Bundesland zum Beispiel die Wasserrettung an. Der Bedarf sei jedenfalls hoch, schildert Daniela Nobis, Referentin für Schwimmen und Rettungsschwimmen vom Landesverband der Salzburger Wasserrettung im S24-Interview: „Wir machen keine Pausen und bieten die Kurse ganzjährig an.“ Insgesamt seien rund 100 Schwimmlehrer:innen und Helfer:innen im Einsatz. Die Kurse seien spätestens nach einer Woche ausgebucht. Dringend nötig wäre aber auch ihrer Meinung nach ein neues Hallenbad, egal ob im Flachgau oder im Innergebirg. „Momentan halten wir die Kurse im AYA-Bad, im Aqua Salza in Golling, oder in Freibädern und an freien Gewässern ab.“ Da man im Freien immer vom Wetter abhängig ist und ein Ausweichen auf Hallenbäder kaum möglich sei, mache das die Planung der Kurse schwer.
Zur Causa Paracelsusbad sagt Nobis: „Das wird ab Herbst spannend. Vermutlich müssen die Schulen das Schwimmen dann bei Bedarf auf das Frühjahr oder den Sommer aufschieben. Auch wir können oft nur reagieren, weil immer wieder Pannen passieren“, führt Nobis aus. Im Innergebirg würden Kurse oft in Hotels oder Freibädern der Gemeinden abgehalten.
Kosten individuell
Grundsätzlich gebe es für eine Stunde Schwimmkurs im Land Salzburg einen Tarif, erklärt Nobis. Je nach Ortsstelle bzw. Abhaltungsort würden dann meist trotzdem individuelle Kosten anfallen. So würden manche Gemeinden die Kurse subventionieren. Es sei aber kein Einzelfall, dass manche Kommunen etwa auch für die Schwimmlehrer:innen Eintritt verlangen oder Bahngebühren bezahlt werden müssen. „Grob geschätzt kommt man bei einem einwöchigen Schwimmkurs wohl auf 50 bis 100 Euro“, so die Expertin. Die Garantie, dass alle Absolvent:innen auch tatsächlich ihre Ziele erreichen, gebe es jedoch nicht. „Werden noch mehr Stunden benötigt, ist das natürlich auch ein Kostenfaktor“, erklärt Nobis.
Kinder lernen erst später schwimmen
Früher hätten Kinder zum Teil schon mit vier Jahren Nichtschwimmerkurse bei der Wasserrettung absolviert. „Heute sagen wir grundsätzlich, dass fünf Jahre meist das ideale Alter ist.“ Mittlerweile gebe es aber immer sechs- oder siebenjährige Nichtschwimmer:innen. „Je später man damit anfängt, umso schwieriger wird es“, weiß Nobis. Für manche Zwölfjährige sei ein 15-minütiges Dauerschwimmen zu anspruchsvoll: „Das schockiert uns. In solchen Fällen dürfen wir zum Beispiel keine Allround-Schwimmscheine ausstellen, die für Sportwochen gebraucht werden.“
Dass das Niveau oft so gering sei, erklärt die Wasserretterin durch mehrere Faktoren. Einerseits sei man früher öfter mit der Schule schwimmen gegangen. Zudem hätten sich die Interessen verschoben. Viele Kinder würden nicht mehr so viel Zeit in der Natur verbringen. Auch die Auswahlmöglichkeiten bei den Freizeitaktivitäten sei größer. Und: „Gerade bei den Kleinen ist das Schwimmen Übungssache. Vielen fehlt die Routine, wenn sie im Sommer schwimmen lernen und dann über den Winter nicht die Möglichkeit haben, in die Therme zu fahren.“
Kaum Erwachsene nutzen Angebote
Während die Kurse für Kinder und Jugendliche aus allen Nähten platzen, zeigt sich beim Andrang auf Erwachsenenkurse ein völlig anderes Bild, beschreibt Nobis. „Wenn ein Kurs für Erwachsene und Jugendliche pro Jahr im ganzen Land zusammenkommt, ist das das Maximum.“ Häufig würden sich Erwachsene scheuen, die Angebote zu nutzen. „Oft bekommen wir private Anfragen oder es wird Einzelunterricht gewünscht“, berichtet Nobis. Grundsätzlich wünscht sie sich, dass dem Wassersport im Zuge der Nachwuchsförderung mehr Bedeutung zugeschrieben wird. Das sei gerade nach den tragischen Badeunfällen in der letzten Zeit eine Notwendigkeit.
Ü-65-Jährige sterben am häufigsten bei Badeunfällen
Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit fordert: „Jedem Kind sein Schwimmkurs.“ Es gehe darum, sich das Rüstzeug für später anzueignen und Erstkontakt mit dem Wasser zu knüpfen, sagt Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung im S24-Interview: „Es muss auch nicht jeder Markus Rogan werden.“ Zehn Prozent der Getöteten bei Badeunfällen seien Kinder, weitere zehn Prozent Jugendliche. Der Großteil entfällt aber mit 50 Prozent auf Über-65-Jährige. Und nicht immer seien nicht vorhandene oder schlechte Schwimmkenntnisse die Hauptursache: „Während man früher Hitzewellen daheim überstanden hat, kühlt es jetzt auch dort nicht mehr ab. Selbst auf 1.000 Metern herrschen tropische Temperaturen. Mehr Menschen suchen im Wasser nach Abkühlung“, führt Kaltenegger aus. Zudem sei der menschliche Organismus aufgrund des Klimawandels ohnehin bereits belastet – gerade bei Älteren. „Schwächeanfälle erleidet man auch beim Baden, nicht nur in der Wohnung oder beim Einkaufen. Es kommt einfach viel zusammen.“ Er ergänzt außerdem, dass mehr tödliche Unfälle an Frei- und Wildbadeplätzen als in organisierten Schwimmräumen passieren würden.
KFV rät zu Schwimmbojen
Um Badeunfälle zu vermeiden, appelliert Kaltenegger, Schwimmbojen zu verwenden. „Diese haben sich im Laufe der Jahre enorm weiterentwickelt. Wir kennen sie aus Baywatch. Mittlerweile sind sie aber viel leichter, billiger und man kann sein Handy sogar mitnehmen. Man trägt sie um den Bauch und sie schwimmen hinter einem her.“ Das habe keinen Schwimmflügel-Charakter und sei auch nicht despektierlich. Bezogen auf die Infrastruktur sei Österreich laut einer Erhebung im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sogar noch eher begünstigt, so der Experte. „Die Abstände der einzelnen Einwohner zu Bädern sind relativ gering. Die Bäder müssen aber zugänglich sein.“
Die Expert:innen sind sich also einig: Schwimmkurse braucht es unbedingt. Während Bedarf und Andrang in Salzburg gegeben sind, wird die (fehlende) Infrastruktur zum Problem. Ob sich hierfür bald Lösungen finden lassen und es bald mehr Hallenbäder für Schwimmkurse geben wird, wird sich zeigen.
„Projekt Schulschwimmen“
Um die Zahl der Nichtschwimmer:innen zu verringern, hat die Stadt Salzburg das „Projekt Schulschwimmen“ ins Leben gerufen. Im Schuljahr 2022/23 haben rund 1.250 Kinder aus 61 zweiten Klassen von 26 Volks- und Sonderschulen daran teilgenommen. In sieben Einheiten haben die Kids die Grundlagen des Schwimmens gelernt. Die Eintritts- und Buskosten hat das Schulamt übernommen, die Honorare für die Trainer:innen und sonstige Projektkosten die Abteilung Kultur, Bildung, Wissen und Sport. Zum Abschluss erhielten die Kinder für ihre Teilnahme Urkunden und Medaillen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt im Herbst 2020.
(Quelle: salzburg24)