Leben nach der Klinik

Salzburg plant WG für junge Frauen mit Essstörungen

Immer mehr junge Leute erkranken an Essstörungen. In Salzburg soll deshalb eine Art „Reha-WG“ entstehen. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 07. November 2025 11:35 Uhr
Sie sind jung, krank – und ab ihrem 18. Geburtstag oftmals auf sich gestellt: Immer mehr Teenagerinnen in Salzburg kämpfen mit Essstörungen. Solange sie minderjährig sind, können sie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie stationär betreut werden. Aufgenommen werden Patientinnen dort bis zum 18. Geburtstag. Für junge Frauen ab 18 Jahren soll nun eine Art „Reha-WG“ entstehen.

Eine Reha-Wohngemeinschaft für junge Frauen mit Essstörungen soll in der Salzburger Landeshauptstadt entstehen. Die WG soll Betroffene auffangen, wenn die Zuständigkeit der Jugendpsychiatrie endet. Denn wenn Mädchen in Salzburg an Magersucht oder Bulimie erkranken, finden sie zunächst Hilfe – im Christian-Doppler-Klinikum, wo die Kinder- und Jugendpsychiatrie ein strukturiertes Behandlungsprogramm bietet. „Aber in dem Moment, wo sie 18 Jahre alt werden, fallen sie dann plötzlich heraus“, erklärt Soziallandesrat Wolfgang Fürweger (FPÖ) bei seinem Besuch in der SALZBURG24-Redaktion am Donnerstag im Gespräch mit S24-Chefredakteurin Nicole Schuchter.

Lediglich bei einer ambulanten Behandlung gibt es die Möglichkeit, auch über den Stichtag hinaus betreut zu werden. Die stationäre Unterstützung hingegen endet mit der Volljährigkeit abrupt. Für die Betroffenen sei das fatal, meint Fürweger: Sie sind dann plötzlich auf sich gestellt – nach Jahren der Therapie, mit einem BMI, der oft lebensbedrohlich niedrig ist.

WG nahe Salzburger Uniklinikum geplant

Genau hier soll die neue Wohngemeinschaft ansetzen. Geplant ist eine Einrichtung mit zehn bis 15 Plätzen in der Nähe des Salzburger Uniklinikums, aber nicht auf dessen Gelände. Fürweger beschreibt sie als eine Art „Reha-WG“, in der die Patientinnen nach der Klinik weiter betreut werden können. Die Verweildauer soll zwischen sechs und 18 Monaten liegen.

Derzeit gebe es für die Übergangsphase zwischen stationärem Klinikaufenthalt und Selbstständigkeit keine passende Struktur. Viele junge Frauen, die seit ihrer Pubertät an Anorexie oder Bulimie leiden, sind laut Fürweger mit 18 Jahren bereits mehrfach stationär behandelt worden – in Salzburg, aber auch in Spezialkliniken in Deutschland wie in Prien oder Schönheim. „Sie haben teilweise einen BMI, der existenz- und lebensbedrohend ist“, betont der Soziallandesrat.

In Tirol und Kärnten gibt es bereits vergleichbare Einrichtungen. In Innsbruck wurde erst Anfang Oktober eine Wohngemeinschaft für sieben Jugendliche eröffnet – betreut von einem 14-köpfigen multiprofessionellen Team. Kinder und Jugendliche mit Anorexie oder Bulimie werden dort rund um die Uhr von Psycholog:innen, Diätolog:innen, Pflegekräften und Sozialpädagog:innen begleitet. Salzburg will nun offenbar nachziehen.

Fallzahlen bei Essstörungen steigen

Essstörungen gehören zu den komplexesten psychischen Erkrankungen. Die Anorexie (Magersucht) ist durch extremes Hungern, Gewichtsverlust und ein gestörtes Körperbild gekennzeichnet. Bei der Bulimie wechseln sich Essanfälle und kompensatorisches Verhalten – etwa Erbrechen oder übermäßiger Sport – ab. Die Binge-Eating-Störung wiederum führt zu unkontrollierten Essanfällen ohne Gegenmaßnahmen, häufig mit starkem Übergewicht als Folge.

In Deutschland ist die Zahl der ärztlich diagnostizierten Essstörungen bei Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren von 2019 bis 2023 um fast 50 Prozent gestiegen. Exakte Zahlen zur Prävalenz von Essstörungen hierzulande gibt es nicht, doch Fürweger schätzt anhand von Vergleichsdaten aus dem Nachbarland, dass aktuell rund 150 bis 170 Menschen im Bundesland Salzburg schwer betroffen sind. Zu über 90 Prozent handle es sich um junge Frauen.

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Mitursache ist wachsender Druck durch die sozialen Medien. Einer Erhebung von Plan International zufolge steht eine intensive Nutzung derartiger Plattformen mit einem Anstieg von Essstörungen in Verbindung. Die Begründung: Instagram, TikTok und Co fungieren als Spiegel, laden zum Vergleichen ein – und dazu, sich an unrealistischen Idealen zu messen. Das schürt Unsicherheiten, senkt das Selbstwertgefühl und kann im schlimmsten Fall in einer Essstörung gipfeln. Zur Zeit der Corona-Pandemie erlebten Essstörungen einen regelrechten „Boom“.

„Extremes soziales Leid“ und volkswirtschaftliches Problem

Es geht aber nicht nur um individuelle Schicksale, wie Fürweger betont. „Essstörungen bedeuten extremes soziales Leid. Für die Betroffenen, aber auch für ihre Familien.“ Gleichzeitig sei es aber auch „volkswirtschaftlicher Wahnsinn“, diese jungen Frauen möglicherweise zu verlieren. Mit Blick auf die demografische Entwicklung rechnet er vor: Bis 2050 werde die Zahl der Erwerbstätigen in Salzburg deutlich sinken, während die Zahl der über 85-Jährigen um 64 Prozent steige. Man müsse deshalb trotz Spardrucks Geld in die Hand nehmen und Strukturen schaffen. Fürweger rechnet mit einigen Hunderttausend Euro jährlich, die sich Land und Gemeinden teilen sollen.

Anlaufstellen in Salzburg für Menschen, die an einer Essstörung erkrankt sind:

(Quelle: salzburg24)

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