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Fürweger im Interview: "Wir müssen aufhören, die Pflege krank zu sudern"

Soziallandesrat Wolfgang Fürweger im Gespräch mit S24-Chefredakteurin Nicole Schuchter.
Veröffentlicht: 06. November 2025 14:40 Uhr
Wie tickt er, was will er, was macht er? Der 54-jährige Wolfgang Fürweger ist seit fünf Wochen als Soziallandesrat für die FPÖ im Amt. Der Medienprofi sieht nun seine Zeit gekommen, um zu gestalten. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Der neue Soziallandesrat Wolfgang Fürweger reagiert im S24-Gespräch auf die Proteste gegen die Kürzungen im Sozial- und Pflegebereich entspannt und verteidigt wenig überraschend die Pläne der Landesregierung. Für die Pflegekräfte, mit denen er spreche, seien die Sparmaßnahmen nachvollziehbar, sagt er. Nicht übers Geld, sondern beim Image der Pflegeberufe und bei ihren Aufgaben müsse man den Hebel ansetzen. Und im Fall um die sogenannten aufständischen Nonnen von Goldenstein, von denen das Land Salzburg tausende Euro an Sozialleistungen zurückfordert, soll es in den kommenden zwei Wochen ein Treffen geben.

SALZBURG24: Sie sind jetzt mit dem heutigen Tag exakt 37 Tage im Amt. Wie viele Tage oder Stunden davon hatten Sie Zeit für Ihre Familie oder für sich?

WOLFGANG FÜRWEGER: Ich hatte schon wesentlich zeitintensivere Jobs. Worauf ich schon sehr achte, ist, dass mich die Rolle nicht auffrisst. Ich versuche zu unterscheiden zwischen dem Landesrat und dem Menschen Fürweger. Und zum Glück bin ich mittlerweile Frühaufsteher und kann um viertel nach 5 aufstehen zum Rudern und ab 6 Uhr bereite ich mich auf die Arbeit vor. Es ist fordernd, aber sehr interessant.

 Warum sind Sie von einem sicheren und angesehenen Arbeitsplatz in die Politik gewechselt?

Ich habe 23 Jahre lang Journalismus gemacht. Dabei habe ich mich immer sehr mit Politik beschäftigt, Politik kommentiert und kritisiert. Auch in den Landeskliniken habe ich nahe an der Politik gearbeitet. Ich hatte aber nie die Möglichkeit zu gestalten. Als der Anruf kam, habe ich nicht lange darüber nachgedacht, ob ich das machen will. Ich habe eine gute Ausbildung, bei mir passt die Lebenssituation, Frau und Familie stehen hinter mir. Das heißt, wann, wenn nicht jetzt.

Ist der Landesrat ein langfristiges Projekt?

Ja. Mein befristeter Job ist bis zur Wahl im Frühjahr 2028. Wenn die FPÖ wiedergewählt wird und Frau Svazek mit mir zufrieden ist, dann würde ich den Landesrat natürlich weiter machen.

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Welche Aufgaben stehen aktuell bei Ihnen ganz oben auf der Prioritätenliste?

Wir haben in Salzburg und in Österreich eines der besten Sozialsysteme auf der Welt. Das ist gut so, aber das kostet viel Geld. Ich sehe meinen Job schon so, das Sozialsystem soweit an die jetzige finanzielle Situation anzupassen, dass es auch in Zukunft die wesentlichen Leistungen bringen kann. Es werden manche Dinge nicht mehr gehen, wie zum Beispiel der Pflegebonus. Den können wir uns einfach nicht mehr leisten und auch in anderen Bereichen müssen wir den Euro nicht nur zwei Mal, sondern drei -oder viermal umdrehen. Aber das muss mit sozialer Verträglichkeit passieren, das steht für mich über allem drüber.

Wie definieren Sie „sozial“? Was ist für Sie „sozial“?

Auf andere Personen achten und nicht immer nur auf sich selbst schauen. Ich habe in meiner Doktoratsprüfung für Politikwissenschaft das Thema Gerechtigkeit gehabt. Gerechtigkeitstheoretiker John Rawls, der das Buch „A Theory of Justice“, geschrieben hat, hat gesagt, man sollte bei jeder Frage die Gerechtigkeitsfrage stellen, die nichts anderes ist wie, wenn du auf der anderen Seite des Tisches sitzen würdest, würdest du das jetzt auch so sehen. Ich meine sozial ist, wenn man versucht, sie in die anderen Menschen reinzuversetzen und zu überlegen: Wie kommt das an? Und ich weiß, dass man als Politiker, quasi mit dem Pflegebonus auch Entscheidungen treffen muss, die wehtun und die unsympathisch sind, aber die man erklären kann und muss. Solche Entscheidungen treffe ich ja nicht, weil ich gemein bin. Und das mache ich nicht alleine, sondern das macht die gesamte Regierung. Und dann sage ich, okay, unter Abwägung aller Interessen und aller Pro und Contra muss ich eine Entscheidung treffen. Und ich überlege mir, wie würde ich reagieren, wenn ich auf der anderen Seite des Tisches sitze.

Und wenn Sie sich jetzt in die Leute hineinversetzen, die gestern gegen die Sparpläne auf die Straße gegangen sind und das in zwei Wochen wieder tun werden, was sagen Sie denen?

Was ich  denen sage? Also mit einem Arbeiterkammer-Präsidenten oder einem Gewerkschafter brauche ich über das Thema nicht diskutieren, das hat keinen Sinn. Aber wenn ich mit Pflegekräften spreche, die nicht in der Gewerkschaft sind dann bekomme ich schon sehr stark die Rückmeldung, dass die Einsparungen für sie nachvollziehbar sind. Jeder weiß, dass wir sparen müssen.

Der Pflegebonus kostet dem Land Salzburg 19,5 Millionen Euro pro Jahr. Damit in unmittelbarer Verbindung steht das Gehaltspaket der SALK. Das wären dann 30 Millionen Euro für Ärzte und Pflegekräfte. Und ich müsste, oder wir als Land, müssten jetzt jedes Jahr 30 Millionen Euro Kredit aufnehmen, um einen Gehaltsbonus oder eine Gehaltserhöhung für zwei Gruppen in diesem Land zu zahlen. Jetzt haben wir aber, ich weiß nicht wie viele Berufsgruppen, allein im Gesundheitssystem sind es über 40. Was mache ich mit den anderen? Das ist für mich ungerecht. Dazu kommt, dass der Pflegebonus in sich schon ungerecht ist, denn alle, die die Pflegausbildung haben, bekommen diesen Bonus – unabhängig davon, ob sie wirklich selbst pflegen oder Managementarbeiten erledigen. Auf der anderen Seite gibt es Berufe, die stehen dann direkt am OP-Tisch oder am Bett und kriegen keinen Pflegebonus. Das betrifft zum Beispiel die neue Berufsgruppe der OTA, der Operationstechnischen Assistenzen. Die dürfen das gleiche wie eine Diplompflegekraft, aber nur im OP-Saal.

Dennoch – und das wissen wir alle – wird es in Zukunft viel mehr Leute brauchen, die am Bett sind. Wie finden wir diese Menschen und wie kann man motivieren, dass Junge diese Berufe erlernen?

Zuerst einmal, indem wir nicht ständig die Pflege krank sudern, das geht konkret in Richtung Politik, Betriebsräte und Medien. Die Pflegekräfte selbst wollen dieses Krank-Sudern nicht. Und es kann auch nicht sein, dass ich jeden zweiten Tag höre, wie überlastet die Pflege ist, dass alle im Burnout sind und eigentlich eh alle aus dem Beruf flüchten wollen. Ich kann nicht derart negativ über einen Beruf sprechen und gleichzeitig erwarten, dass sich junge Menschen dafür melden.

Sind Pflegekräfte überfordert oder nicht?

Die Pflege ist ein Beruf, der auch anstrengend ist, wo man nicht nur schöne Dinge sieht. Pflege ist ein Beruf, in dem man in der Nacht und am Wochenende arbeitet. Deswegen werden ihn nie alle ausüben können. Dazu kommt, dass Überforderung immer sehr individuell wahrgenommen wird. Das heißt, man wird vermutlich von den 8.600 Personen, die in Salzburg in der Pflege arbeiten, welche finden, die sagen, es ist alles fürchterlich und ich bin am Burnout. Man wird aber auch Menschen finden, die sagen, ich gehe jeden Tag mit totaler Power rein, weil ich weiß, ich bekomme so viel von den Patienten zurück. Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Aber wo liegt dann das Problem?

Wo wir sicher ein Problem oder einen Ansatz haben, ist, dass in der Pflege die Menschen darunter leiden, dass sie Dinge nicht tun dürfen, zu denen sie ausgebildet wurden. Das ist das, was am Allermeisten frustriert. Wenn eine diplomierte Krankenpflegekraft im Nachtdienst im Pflegeheim einen Patienten oder eine Patientin hat, die eine entzündungshemmende Creme braucht, dann muss sie in der Nacht einen Arzt anrufen, damit er das bestätigt, dass sie diese Creme geben darf. Es ist abstrus, dass wir Menschen für Dinge ausbilden und ihnen nachher sagen, dass sie das nicht machen dürfen.

Und dann gibt es noch das Thema der Wertschätzung. Wertschätzung hat auch ganz viel zu tun mit Respekt und das beginnt schon mit der Nomenklatur (Benennungen innerhalb eines Fachgebiets, Anm. d. Red.). Da haben wir zum Beispiel die sogenannte Pflegefachassistenz. Die haben eine zweijährige Ausbildung, schreiben am Schluss eine Diplomarbeit, machen eine Diplomprüfung, und heißen dann Pflegefachassistenz. Wenn ein Tischler eine Gesellenprüfung macht, heißt er auch nicht Tischlerassistent. Also, wer will sein Leben lang Assistent sein? In Wirklichkeit müssen die Bezeichnungen geändert werden: Pflegekraft, Fachpflegekraft, diplomierte Pflegekraft oder Masterpflegekraft.

Zurück zu den Einsparungen. Kritik gibt es aktuell ja nicht nur wegen des Pflegebonus, sondern auch wegen der Anpassung der Personalkosten um maximal 1,65 Prozent. Mit diesem kurzfristigen Konsolidierungsschritt, wie Sie sagen, sparen Sie 6,2 Millionen Euro ein.

Ja, wir geben um 6,2 Millionen weniger aus, als wir ursprünglich hätten ausgeben müssen, geben aber immer noch mehr Geld aus. Sprich, die Erhöhung ist nicht so hoch als wie es sich manche erhofft hätten. Und in dem Moment wo der Bund den Gehaltabschluss aufgemacht hat, war jedem klar, dass das die logische Folge sein wird. Dass jetzt alle überrascht sind, ist politische Folklore.

Die 6,2 Millionen Euro ist nicht Geld, das sich der Fürweger einstreift und das nachher die Frau Landeshauptfrau fürs Festspielhaus investiert, sondern dieses Geld kommt zu 50 Prozent in bar den Gemeinden zugute und die restlichen 3,1 Millionen bleiben im Sozialsystem. Das rührt daher, dass bei fast allem was wir ausgeben, die Gemeinden zu 50 Prozent mitfinanzieren müssen. Und auch alles, was wir einsparen, bekommen die Gemeinden zu 50 Prozent zurück. Wir haben uns das überlegt, weil es extrem treffsicher ist. Jene Gemeinde, die mit ihren Heimen Gewinne schreiben, das sind von 74 immerhin elf Pflegeheime, können das Geld vom Land nun investieren. Und die anderen, die Verlust schreiben, können das Minus damit ausgleichen.

Muss man, um Soziallandesrat zu sein, auch stark sozial eingestellt sein oder reicht es in der aktuellen Zeit mit Spardruck, wenn man ein guter Rechner, Krisenmanager und Medienprofi ist, so wie Sie das sind?

Ich glaube, man kann nicht in die Politik gehen, ohne dass man eine soziale Einstellung hat. Sonst macht man den Job nicht. Sozial heißt nicht sozialromantisch. Und für mich berücksichtigt eine soziale Einstellung alle Aspekte einer Entscheidung. Ich kann nicht jedem alles versprechen und am Ende muss ich zur Bank gehen und wieder Geld aufnehmen. Das ist nicht sozial.

Themenwechsel. Ein Thema das aktuell fast auf der ganzen Welt für Aufsehen sorgt, sind die sogenannten aufständischen Nonnen von Goldenstein.  Das Land fordert Sozialleistungen vom Orden zurück. Hat es inzwischen schon Gespräche zwischen Ihnen und dem Probst gegeben?

Das Treffen ist in den nächsten zwei Wochen geplant.

Was wollen Sie durch das Gespräch erreichen?

Ich wäre sehr sehr unklug, wenn ich meine Strategie medial ausrichten würde. Jetzt kann man mir vieles nachwerfen, aber nicht, dass ich dumm bin. Also kann ich dazu leider nichts sagen. Faktum ist, dass es da einen klaren Dissens gibt zwischen den zuständigen Abteilungen des Landes und dem Stift Reichersberg, was die finanzielle und soziale Absicherung der Nonnen angeht. Offenbar ist das Stift der Meinung, das muss die öffentliche Hand bezahlen, während wir die Meinung vertreten, ein Vertrag ist einzuhalten und wenn ich als Stift bei der Übernahme eines anderen Klosters den dortigen Nonnen vertraglich zusichere, dass ich sie im Alter versorgen werde, dann gilt das.

Es geht um 64.000 Euro.

Nein, es geht nicht um 64.000 Euro. Es geht in Wirklichkeit darum, wer die Nonnen in den nächsten Jahren versorgen wird. Wir sind der Meinung, dass es nicht die Aufgabe des Steuerzahlers ist, die Kosten für den Stift zu übernehmen. Und diese 64.000 Euro, die meiner Information nach in  Wirklichkeit 74.000 Euro sind, wurden bisher auf Basis von Fakten ausbezahlt, die nicht ganz korrekt oder unvollständig waren. In den Anträgen auf Sozialhilfe wurde nämlich vergessen zu erwähnen, dass es sich um Nonnen handelt. Und die Anträge  wurden auch unter dem bürgerlichen Namen der Damen und nicht mit dem Ordensnamen der Damen ausgeführt. Daher konnte die Behörde nicht sehen, dass es sich hier um Nonnen handelt.

Die letzte Frage, Herr Fürweger. Welche Frage würden Sie sich als Medienprofi jetzt noch selbst zum Abschluss stellen?

Eine Frage, die mir sehr gut gefallen hat und die ich mir vermutlich auch stellen würde, ist die nach den Quereinsteigern. Es gibt viele Quereinsteiger in der Politik und viele galten als Medienprofis. Was unterscheidet mich davon? Das wäre die Frage, die ich mir vermutlich gestellt hätte.

Und die Antwort darauf?

Die Antwort ist, dass ich ja nicht nur in den Medien gearbeitet habe, sondern ich habe auch schon in der Politik gearbeitet mit 25, 26 Jahren. Das war eine andere Zeit logischerweise. Und ich habe in den vergangenen Jahren sehr eng an der Politik gearbeitet. Also ich kenne das System. Ich habe in diesem System acht Jahre gearbeitet. Also ich gehe nicht blauäugig rein. Und was ich in meinem Leben auch gelernt habe – das war früher nicht so – ist, dass ich andere Meinungen akzeptieren kann. Das war ein Prozess.

Herr Landesrat, vielen Dank für das Gespräch.

(Quelle: salzburg24)

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