Warum stehen sich die politischen Lager so unversöhnlich gegenüber?
Der erste frei gewählte ägyptische Staatschef hat seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr viel Vertrauen eingebüßt. Mursi hatte damals versprochen, Präsident aller Ägypter sein zu wollen. Allerdings hat er seither vor allem seine eigene Macht ausgebaut und den Einfluss der Muslimbruderschaft, aus der er selbst stammt.
So gab er sich etwa Ende November vorübergehende Sondervollmachten und entmachtete die Justiz: Gerichte durften die Umsetzung seiner Dekrete nicht mehr verhindern. Zwar nahm er diese Entscheidung nach heftigen Protesten wieder zurück. Doch hatte er da schon den Entwurf für die neue islamistische Verfassung durchgeboxt, die schließlich zum Jahreswechsel per Referendum gebilligt wurde.
Jüngst machte Mursi sieben Muslimbrüder zu Provinzgouverneuren. Die Opposition reagierte entsetzt und sieht darin einen weiteren Beleg für die Islamisierung des Landes. Dialogangebote Mursis nehmen seine Gegner nicht ernst.
Wer sind die Unterstützer Mursis?
Es sind insbesondere die islamistischen Parteien, vereinzelt aber auch Liberale. Viele seiner Anhänger sehen die politische Krise als ideologischen Machtkampf - für oder gegen den Islam. Nicht zu den eindeutigen Unterstützern des Präsidenten gehören allerdings die radikal-islamischen Salafisten, die bei den aktuellen Protesten auffällig zurückhaltend sind. Sie arbeiten in dem derzeitigen Übergangsparlament zwar mit der Muslimbruderschaft zusammen. Allerdings gibt es auch Verbindungen zwischen Salafisten und der Opposition. Muslimbrüder und Salafisten sind in Ägypten seit jeher Rivalen im Kampf um die Moscheen und den wahren Glauben.
Warum geht es mit der Wirtschaft so dramatisch bergab?
Ein reiches Land war Ägypten nie. Und der Staat hat vor allem wegen des rasanten Wachstums einer armen Bevölkerung immer höhere Ausgaben zu schultern: für Energie- und Lebensmittelsubventionen sowie für einen riesigen Beamtenapparat. Seit dem Arabischen Frühling haben die Investoren das Vertrauen in das Land am Nil verloren. Die Einnahmen aus ausländischen Direktinvestitionen gingen dramatisch zurück. Auch der Tourismus - ebenfalls eine wichtige Einnahmequelle - leidet unter der Krise. Durch die andauernden Unruhen, Streiks und die wachsende Kriminalität verschlimmert sich die Situation weiter.
Was bedeutet das für die Ägypter im Alltag?
Inzwischen gibt es fast täglich Stromausfälle. Lange Schlangen an den Tankstellen sind Normalität. Die Arbeitslosigkeit steigt - und damit die Armut. Die Kriminalität wächst, und Waffen aus alten Arsenalen in Libyen gelangen zunehmend auch nach Ägypten.
Dabei hatten viele Menschen nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak auf eine neue Ära des Wohlstands gehofft. Denn das alte Regime war korrupt, und viele Einnahmen flossen in die Taschen der Funktionäre.
Wie verhält sich die Armee?
Als die Armee nach dem Sturz Mubaraks mit dem Militärrat regierte, entzündete sich auch an ihrer Rolle immer wieder heftiger Protest. Die Opposition befürchtete damals, dass die Generäle ihre Macht nicht mehr abgeben würden. Nach der Amtsübernahme Mursis entmachtete der Islamist auch die alte Armeeführung. Derzeit hält sich das Militär zurück. Es gilt jedoch die Ansage, dass das Militär eingreifen wird, sollte der Machtkampf außer Kontrolle geraten.
(Quelle: salzburg24)