"Man darf sich da keine Illusionen machen", betonte der Sprecher. "Es ist angesichts des Einwanderungsdrucks, dem wir ausgesetzt sind nicht realistisch zu denken, dass man jede Tragödie oder jeden Tod im Mittelmeer vermeiden könne. Wir sind da weder naiv noch zu idealistisch." Es gehe darum, Boote auf ihrem Weg nach Europa früher ausfindig zu machen.
Dass vorrangig Italien für die Flüchtlinge an seinen Küsten zuständig sei, dafür seien die EU-Staaten verantwortlich, erklärte der Sprecher. "Die Kommission hat einen Vorschlag gemacht, ein System zu schaffen, das (...) den übermäßigen Druck auf ein Land mildern würde", sagte er. Doch dafür habe es bei der Reform des europäischen Asylsystems im Kreis der EU-Staaten keine Mehrheit gegeben. Nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen hatten sich die Länder jüngst auf die Reform verständigt.
EU-Kommissionspräsident Barroso will indes die Mittelmeerinsel besuchen. "Barroso muss klar sein, dass Lampedusa die südlichste Grenze Europas ist. Italien wird beim Treffen zwischen Barroso und den europäischen Innenministern mit stärkstem Nachdruck das Thema Migration ansprechen", sagte der italienische Innenminister Angelino Alfano.
Bundespräsident Heinz Fischer zeigte sich über die "entsetzliche Katastrophe vor Lampedusa" erschüttert. Im Gespräch mit der APA und dem ORF meinte er, es handle sich um einen Vorfall, der zum Nachdenken zwinge. Das Flüchtlingsunglück sei ein europäisches Thema, das nun auch auf der europäischen Tagesordnung behandelt werden müssen, sagte der Bundespräsident. Weitere österreichische Politiker und Menschenrechtsorganisationen äußerten sich ähnlich zu der Flüchtlingstragödie. Auch Papst Franziskus zeigte sich erschüttert. "Heute ist ein Tag der Tränen", sagte das katholische Kirchenoberhaupt.
Die Regierung in Rom wolle indes die Kandidatur der Bewohner Lampedusas für den Friedensnobelpreis für ihr unermüdliches Engagement zugunsten der Flüchtlinge vorschlagen, sagte der Innenminister. "Europa muss die eigene Südgrenze schützen. Wenn man verhindern will, dass nationalistische Strömungen zunehmen, muss sich Europa für seine Grenze einsetzen", meinte Alfano. Er rief Brüssel auf, der EU-Grenzschutzeinheit Frontex mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
In Rom gibt es unterdessen scharfe Polemik rund um die Einwanderungspolitik der Regierung. Die ausländerfeindliche Oppositionspartei Lega Nord nahm die aus dem Kongo stammende Integrationsministerin Cecile Kyenge ins Visier, die sich in den vergangenen Monaten mit Nachdruck für eine Lockerung des geltenden Einwanderungsgesetzes stark gemacht hatte. Auch die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, ehemalige Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), wurde von der Lega Nord wegen ihrer Appelle zur Aufnahme von Flüchtlingen scharf attackiert. Freitag, die Kommission dürfte intern Notfallpläne vorbereiten. Ein Bedarf dafür werde aber nicht gesehen.
Auf Antrag Italiens werden sich die EU-Innenminister bei ihrem Treffen am Dienstag in Luxemburg mit dem tödlichen Schiffsunglück befassen. Konkrete Ergebnisse würden nicht erwartet, erklärten EU-Diplomaten.
(Quelle: salzburg24)