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Enrico Letta: Reformer mit Vermittlertalent

Große Verantwortung für Enrico Letta
Veröffentlicht: 28. September 2013 22:50 Uhr
Gewissenhaft, zuverlässig, wortkarg: Auf den Schultern des 47-jährigen Vizechefs der Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta, lasten letzte Hoffnungen, Italien acht Monate nach den Parlamentswahlen eine neue politische Krise zu ersparen. Der seit April amtierende Premier stellt sich Anfang nächster Woche einer Vertrauensabstimmung, um festzustellen, ob seine Regierungsmehrheit noch vorhanden ist.

Die Hoffnung, dass er nach dem Rücktritt der fünf Minister aus der Mitte-rechts-Partei "Volk der Freiheit" (PdL) um Ex-Premier Silvio Berlusconi seine Regierung retten kann, sind minimal. Trotzdem vertrauen viele in Rom noch auf den groß gewachsenen und kahlköpfigen Premier, der trotz seines für die italienische Politik jungen Alters auf eine lange Erfahrung zurückblicken blicken kann.

Letta kennt wie nur wenige die komplizierten Machtverhältnisse der italienischen Politik. Mit Gespür und Geschick hatte er sich in den vergangenen Jahren als Minister und im EU-Parlament den Ruf eines zuverlässigen Reformers erworben. Auch als Premier hat Letta mit seinem rigorosen Sparkurs und seinem Engagement zur Ankurbelung der italienischen Wirtschaft Anerkennung und Respekt in internationalen Kreisen gewonnen.

Der 1966 in Pisa geborene Letta promovierte nach dem Studium der Politikwissenschaften mit einer Forschungsarbeit zum Europarecht. Von 1991 bis 1995 war er Vorsitzender der Jugendorganisation der Europäischen Volkspartei und danach Generalsekretär des Euro-Ausschusses im italienischen Budgetministerium. 1997 rückte er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Partito Popolare Italiano (PPI) auf, der aus der Asche der aufgelösten Democrazia Cristana entstanden war. Im Alter von 32 Jahren wurde Letta 1998 zum Europaminister in der Regierung von Massimo D'Alema ernannt. Er rückte so zum jüngsten Minister in der republikanischen Geschichte Italiens auf. Zwischen 1999 und 2001 amtierte er dann als Industrieminister.

Bei den Europawahlen 2004 wurde er auf der Liste des Mitte-Links-Bündnisses "Ulivo" um den damaligen EU-Kommissionschef Romano Prodi ins Europäische Parlament gewählt, dem Letta bis 2006 angehörte. Zudem war er dort im Ausschuss für Wirtschaft und Währung tätig. Seit Jahren zählt der mit einer Journalistin verheirateten Vater von drei Kindern zu den engsten Vertrauensleuten Prodis.

2006 zog Letta in die Abgeordnetenkammer ein und wurde im zweiten Kabinett Prodi Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten. In dieser Funktion löste er seinen Onkel Gianni Letta ab, der dem gegnerischen Mitte-Rechts-Lager um Silvio Berlusconi angehört. 2007 gehörte Enrico Letta zu den Gründungsmitgliedern der aus Links- und Christdemokraten fusionierten Mitte-Links-Partei "Partito Democratico" (PD). Seine Kandidatur für den Vorsitz der neuen Gruppierung wurde von namhaften Vertretern zentristischer Gruppierungen unterstützt, Letta unterlag jedoch im Duell gegen den ehemaligen römischen Bürgermeister Walter Veltroni.

Zwischen 2008 und 2009 amtierte Letta als für Arbeits-, Gesundheits- und Sozialpolitik zuständiger Minister in einer PD-Schattenregierung, die in Opposition zur Regierung Berlusconi stand. Er wurde zudem zum Vizepräsidenten der PD gewählt.

Den großen politischen Sprung machte er vor fünf Monaten als er von Staatspräsidenten Giorgio Napolitano etwas überraschend ausgewählt wurde, um mit einer großen Koalition das Land zwei Monate nach den Parlamentswahlen von Ende Februar endlich aus der Regierungskrise zu führen. Letta gelang es, eine Koalition aus PD und Silvio Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" (PdL) zu bilden, die sich jedoch wegen der Justizproblemen des Medienzaren und seiner schrillen Persönlichkeit als höchst instabil erwiesen hat.

Zwar versicherte der auch in Wirtschaftsfragen bewanderte Letta, eine Regierung "im Dienst des Landes" führen zu wollen. Trotzdem musste sich sein Kabinett während Lettas Amtszeit immer wieder mit den Justizproblemen Berlusconis auseinandersetzen, der am 1. August wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Streit um den möglichen Ausschluss Berlusconis aus dem Parlament infolge seiner Verurteilung sorgt seit Wochen für Dauerspannungen im Rom. Jetzt könnte Berlusconis Versuch, einem Ausschluss aus dem Parlament zu entgehen, Lettas Karriere einen schweren Schlag versetzen.

(Quelle: salzburg24)

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